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Der neue russische Bauer

In document THE DET (Sider 70-93)

Die Journalisten sind doch die Pioniere der Zeit. Ich wollte Bescheid über die „Elektrisierung" Rußlands haben, über die Revolutionierung der Landwirtschaft, über „Mir"

und „Kommune" und über die rote jütländische Kuh und ihre Eignung für die Steppe. Ich besuchte ohne wesentliches Ergebnis eine Reihe von Ingenieuren, Agronomen, Land­

wirten . . . zuletzt klagte ich Radek meine Not. Der sagte:

G e h e n S i e z u S o s n o w s k i !

Über Sosnowski wußte ich nur, daß er „der beste Jour­

nalist Rußlands" genannt wird. Er ist immer einen Schritt voraus und wird in den Witzblättern abgebildet zwischen einer Tintenflasche mit der Aufschrift „Gift" und einer Feder, die die Form eines Speerschaftes hat. Er war der erste in Rußland, der den Fascismus entdeckte, wurde mit Tschitscherin als Delegierter nach Genua geschickt und studierte zwischen den Sitzungen das neue Italien. Als er heimkam, enthüllte er die Pläne Mussolinis in der Prawda.

Er ist Gebirgler (aus dem Ural) und hatte noch nie etwas mit Landwirtschaft zu tun gehabt, als sich aber zeigte, daß die Zukunft Rußlands in den Händen der Bauern lag, wurde er führender Agronom. Er gehörte zu denen, die das „Haus der Bauern" in Moskau gründeten (er ist immer noch Re­

präsentant des Exekutivkomitees in der Bauern-Zentrale), und gehört zu den führenden Geistern der

landwirtschaft-lichen Ausstellung, die zum Herbst in Moskau stattfinden soll. Er wird es sein, der die neue nationale Kuhtype wählt.

Gleichzeitig ist sein politischer Einfluß im Wachsen. Auf dem letzten kommunistischen Kongreß sprang er plötzlich vor Bucharin als Führer der Opposition und schwang einen von Gift triefenden Speer.

Ich traf Sosnowski in einem Labyrinth auf dem Kreml, wo er schwer und unerschütterlich mit einer kleinen roten Flagge im Knopfloch über seinem Manuskript saß. Tch versuchte gleich, ihn mit dem schwierigsten Problem zu lähmen:

— Wie wollen Sie es anfangen, Rußland zu ,,elek­

trisieren"?

— Wir können soviel Elektrizitätswerke bauen, wie wir wollen, denn wir haben größere Mengen Feuerungsmaterial als irgendein Land auf der ganzen Welt. Wir haben Kohlen­

lager, wir haben riesige Wälder, wir haben unermeßliche Naphthaquellen. Aber vorläufig interessieren wir uns am meisten dafür, Elektrizität aus unseren Torfmooren zu schaffen.

— Haben Sie Torf genug?

— Es gibt Torfboden überall in Rußland, namentlich im Norden und Nordosten, aber auch in dem ganzen Indti-striedistrikt um Moskau.

Der Torf spielte früher keine große Rolle in unserer Ökonomie, er war nicht gut genug, und seine Bearbeitung stellte sich zu teuer. Torf besteht ja aus zerfallenen Resten alter Wälder. Aber unser Unglück war, daß darüber schon wieder neue Wälder wuchsen und es daher sehr schwierig war, die Torfmasse unter den Wurzeln der frischen Bäume hervorzugraben.

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— Dann nützt es ja nichts, wenn man Torf hat. . . .

— Wir gaben die Sache nicht auf. Der schwedische Ingenieur Clason erbaute bei Bogorodsk, 75 Kilometer von Moskau, das erste elektrische Kraftwerk Rußlands, das mit Torf betrieben werden und Moskau mit dem vierten Teil des Stromes versorgen sollte, der für Fabriken, Licht und Straßenbahnen gebraucht wurde. Er und sein russischer Kollege Kirbitchnikoff haben die Aufgabe gelöst: Sie graben die Erde einfach mit kräftigen Wasserpumpen fort. Zuerst setzen sie das Terrain durch ein System hydraulischer Maschinen unter Wasser, und wenn die Erde weich ge­

worden ist und die Baumwurzeln bloßgelegt sind, reißt eine eiserne Hand sie auf und wirft sie fort. Andere Pumpen saugen die Torfmasse auf und leiten sie durch Röhren über Felder, wo sie in einer Schicht von einem halben Meter Dicke abgelagert wird, um zu erstarren. Wenn sie ge­

trocknet ist, fährt ein haushohes Riesenautomobil so schnell wie ein Flugzeug über die Masse. Seine Räder sind Formen, die den Torf ausstechen. Wo früher 30 bis 50 Mann schwere Arbeit mit dem Spaten zu leisten hatten, genügen heute zwei bis drei Menschen, um die ganze Maschinerie zu beaufsichtigen. Die Menschenkraft freizugeben und die Maschinen arbeiten zu lassen, ist für 11ns ein ungeheuer wichtiges Problem.

Ein anderes Problem, das man in allen Ländern zu lösen versucht, ist, Mittel zu finden, um den Torf nicht nur mit Hilfe der Sonnenwärme, sondern auf künstlichem Wege zu trocknen. Dieses Verfahren wird durch die hohen Kosten künstlicher Wärme erschwert.

— Haben Sie auch dieses Problem gelöst?

— Ja, wir haben ein Mittel gefunden, den Torf mit einer gipsartigen, mit Wasser vermischten Säure zu be­

handeln. Und was besonders erfreulich ist: Der Gips wird gerade in den Torfmooren und um sie herum gefunden.

Früher mußte der Torf sechs Wochen lang auf den Feldern liegen, ehe er brauchbar war, jetzt erhärtet er schon in zwei bis drei Stunden. In unserem Klima war es außer­

ordentlich schwer, jährlich zwei Partien Torf zu trocknen, und es konnte zwei bis drei Wochen gutes Wetter sein, dann kamen zwei Regen-Tage und machten das Resultat zu­

nichte; während man früher nur 75 bis 80 Tage jährlich arbeiten konnte, ermöglicht es die künstliche Trocknung, das ganze Jahr zu arbeiten mit Ausnahme der beiden Mo­

nate, in denen das Wasser gefriert.

— Wie lange können Ihre Torfvorrate reichen?

— Das Amüsante dabei ist, daß der Torf von selber wächst; es wird jährlich 5 Milliarden Pud neuer Torfboden abgelagert, und wir brauchen jährlich insgesamt nicht mehr als gerade 5 Milliarden Pud Naphtha, Kohle und Holz.

Außerdem pulverisieren wir jetzt den Torf, so daß seine Nutzkraft so groß wie die von Naphtha wird, obgleich er dabei billiger als Kohle und Holz ist. Auf diese Weise haben wir die ganze Feuerungsfrage revolutioniert.

Und was auch ungeheuer wichtig für die Landwirtschaft ist: Während die Bodenschicht, die früher unter dem Torf­

moor lag, als ,,kranke Erde" bezeichnet wurde, zeigt es sich jetzt, daß sich dieser Boden nach der Ausnutzung vorzüglich zum Anbau von Kohl eignet.

— Können Sie auch Elektrizität aus den Flüssen machen? Sie haben ja keine Wasserfälle. . . .

— Wir haben zwei bis drei sehr große. Alexandrowosk am Dnjepr ist die größte Zentrale in Europa. Am Wolchow baut man gerade ein sehr großes Werk von 60 000 Kilowatt, nur hundert Kilometer von Petrograd. Es wird 28 Millionen

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Göldrubel kosten. Von Petrograd aus wird außerdem eine Station am Zwir errichtet. Die alte Hauptstadt, eine be­

deutende Industriestadt, verwendet sonst Steinkohle vom Don. aber der Transport ist weit und teuer. Deshalb ist man darauf angewiesen, sich auch noch englische Kohle zu verschaffen. Wenn die Werke am Wolchow und Zwir fertig sind, können sie die Stadt mit aller Kraft für Industrie, Beleuchtung und Transport versorgen: Petrograd braucht keine weiteren Feuerungsmittel mehr.

Außerdem gibt es große Wasserfälle im Kaukasus, die ausgebaut werden können.

— Aber hat man nicht auch angefangen, die Elektrizi­

tät aufs Land hinaus zu leiten?

— Lenins geniale Idee war, ganz Rußland zu ,,elektri­

sieren" und elektrische Kraft nicht nur für die Industrie zu schaffen, sondern auch für die Landwirtschaft, der es an Arbeitskraft fehlt. Er setzte eine Kommission von Wissen­

schaftlern und Ingenieuren ein, die jetzt zwei Jahre an einem gemeinsamen Plan gearbeitet hat. Er soll das ganze Land umfassen und wurde gerade vor kurzer Zeit in einem dicken Band veröffentlicht. Augenblicklich werden weitere Details für jeden einzelnen Distrikt ausgearbeitet.

Man denkt zwar vorläufig noch nicht daran, daß es in jedem Dorfe elektrisches Licht geben soll, aber man erwartet, daß im Laufe von 10 bis 15 Jahren die gesamte Industrie, die wir vor dem Kriege hatten, verdoppelt sein wird — wenn die internationalen Verhältnisse dem kein Hindernis in den Weg stellen.

— Aber die Landwirtschaft?

— Bei Moskau sind zwei Stationen bereits halb fertig, die Kraft in die Stadt und zu den Bauern in der Um­

gegend senden. Die eine ist das Kachira-Werk, 1 0 0

Kilo-meter von Moskau, das mit den Kohlen betrieben wird, die, an Ort und Stelle gefördert, nicht gut genug zum Trans­

port sind.

— Haben die Bauern Verständnis für die elektrische Kraft?

— In Wolokolams im Gouvernement Moskau und in Schunga im Gouvernement Jaroslawskaja haben die Bauern selbst die Initiative ergriffen und neue kooperative Zu­

sammenschlüsse gebildet, um die „Elektrisierung" durch­

zuführen. Das sind zwei Distrikte mit intensivem Gemiise-und Kartoffelbau, woraus man an Ort Gemiise-und Stelle Kartoffel­

mehl, Zuckermasse, Stärke und Spiritus bereitet.

— Welche Bedeutung hat die „Elektrisierung" für die Landwirtschaft?

— Es handelt sich nicht darum, hier und da eine elektrische Birne anzuzünden, sondern um industrielle Be­

arbeitung der Feldfrüchte. Wir haben z. B. große Distrikte, in denen die Bauern Hanf so systematisch bauen, daß sie ihr Brot aus anderen Gegenden kaufen, aber die Bearbeitung des Hanfes erfordert so viel Arbeitskraft, daß der Anbau wenig rentabel und in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Wenn sich nun die Bearbeitung mittels Handkraft durch elektrisch betriebene Maschinen ersetzen läßt, er­

öffnen sich neue, ungeahnte Perspektiven. Im übrigen zwingt die „Elektrisierung" der Landwirtschaft die Bauern zur Zusammenarbeit, zur Kooperation, und macht sie damit reifer für den Kommunismus.

— Wie hat die Revolution sonst die Landwirtschaft geprägt?

— In erster Linie durch die neuen Prinzipien für den Grundbesitz.

Im Jahre 1907 gab der liberale Kadett Schingarioff ein

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mmrm

Buch über die Bauernfrage heraus und faßte seine Er­

fahrungen unter dem Titel „Das sterbende Dorf" zusammen.

Er war Arzt, interessierte sich jedoch für soziale Probleme und wurde später Ernährungsminister in Kerenskis Ministe­

rium. Er hatte sich die Aufgabe gestellt, zwei bestimmte Dörfer statistisch, ökonomisch und sanitär zu studieren. Er fragte: Wieviel Boden haben die Bauern gehabt, wie haben sie von so kleinen Losen leben können? Und er zeigte, wie sie alle genötigt waren, einen Teil des Jahres in die Städte zu gehen und in den Fabriken zu arbeiten, während sie da­

heim außer ihrem kleinen Los noch ein Grundstück von den Großgrundbesitzern pachten und die Miete durch Arbeits­

leistung bezahlen mußten, so daß sie die Hälfte des Jahres für den Junker arbeiteten. Sie hatten einfach keinen anderen Ausweg, sie waren in den Händen der Gutsbesitzer. Daher war vor dem Kriege jedes russische Dorf zum Tode ver­

urteilt.

— Wieviel Boden besaß der Bauer denn?

— Gar nichts. Ein Drittel des Bodens Rußlands, der allmählich den Bauern überlassen war, gehörte dem ganzen Dorfe zusammen (das sogenannte Mir-System). Jedes Feld wurde im Verhältnis zur Anzahl der erwachsenen männ­

lichen Bewohner in lange Streifen geschnitten, und auf diese Weise erhielt jeder Bauer Verfügungsrecht über zwölf bis fünfzehn verschiedene Stücke Land, die so schmal sein konnten, daß das Pferd nicht darauf gehen konnte. Ich habe früher auf meinen Agitationsreisen Feldstreifen gefunden, die nicht breiter waren als meine Aktenmappe.

— \\ ieviel Boden wurde für jeden zusammengelegt?

— In Mittelrußland ein Hektar auf jedes Familienmit­

glied, aber die Produktivität war so gering, daß auf jedem Hektar nur 35 bis 40 Pud geerntet werden konnten.

— Wie hat die Revolution hier Änderung geschaffen?

— Sie nahm den Großgrundbesitzern den Boden unci gab ihn den Bauern, so daß jetzt alles Mir zufällt, das somit über doppelt soviel Boden verfügt.

— Haben die Bauern kein privates Eigentumsrecht am Boden ?

— 1922 wurde ein Gesetz angenommen, das dem ein­

zelnen Bauern radikal erlaubte, seine Feldstreifen zusammen­

zulegen und, wenn er es wünschte, aus dem Dorfe zu ziehen und auf seinem Grundstück zu wohnen.

— Was wird da aus dem Kommunismus?

— Keiner darf mehr als der andere im selben Dorf haben. Und der Bauer hat zwar das Recht erhalten, sein Grundstück frei zu bebauen, aber er hat nicht das Recht, es zu verkaufen. Er kann über den Ertrag verfügen, aber der Staat ist der ständige Eigentümer des Bodens.

— Hätte man sich denn nicht mit der Stolypinschen Bodenreform vom Jahre 1910 begnügen können?

— Im Gegensatz zum Kommunismus gab Stolypin den Bauern das Verkaufsrecht über ihr Land. Aber — auch im Gegensatz zum Kommunismus — gab er ihnen nicht mehr Land, als sie schon hatten. Den Großgrundbesitzern krümmte er kein Haar. Und die Bauern hatten immer noch zu wenig. Stolypin löste die vorkapitalistische Organisation durch die privatkapitalistische ab. Das war alles.

— Über wieviel Boden verfügt der einzelne Bauer jetzt?

— Jetzt hat er doppelt soviel wie früher, etwa zwei Hektar auf den Kopf. Im Don-Distrikt, Kaukasus, Sibirien und Süd-Ural ist es mehr, zwischen 100 und 200 Hektar für jede Familie.

— Wird die Landwirtschaft nirgendwo kommunistisch betrieben?

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— Der Bauer hat drei Möglichkeiten: er kann im Dorfe bei der alten Gemeinschaft „Mir" bleiben, oder er kann individueller Ausmärker werden, oder er kann sich mit anderen zu kommunistischen Gruppen zusammenschließen.

Es gibt schon 10 ooo derartige Gemeinden, wo alles kom­

munistisch ist: man arbeitet zusammen, lebt zusammen, alles ist gemeinsames Eigentum, jede Gruppe besteht aus 100 bis 300 Personen, die wie eine Familie arbeiten.

— Wo befinden sich diese Gemeinden?

— Sie sind über das ganze Land verstreut.

— Sind die Bauern Kommunisten?

Durchaus nicht. Vorläufig noch nicht einer von tausend. Aber das ist auch nicht notwendig. Es genügt, daß sie wie jetzt mit der Regierung gut zusammenarbeiten.

— Wie sollen sie zu Kommunisten werden?

— Sie werden allmählich die Vorteile der gemeinsamen Arbeit kennen lernen, wenn wir erst kooperative Zusammen­

schlüsse für den Kauf von Maschinen und den Verkauf von Produkten, Vereinigungen zum Dreschen, für die Meierei und den elektrischen Betrieb eingeführt haben.

— Hat die Revolution neue Methoden in der Land­

wirtschaft eingeführt?

— Ach, wir haben dreihundert Jahre lang keinen Fort­

schritt gehabt, und vorläufig hat die Revolution nur die Ge­

hirne der Bauern aufgerüttelt. Die technischen Fortschritte sind gering im Vergleich zu dem, was wir erreichen k ö n n e n und m ü s s e n . Wir sind nämlich ökonomisch so gestellt, daß wir gezwungen sind, schnell Verbesserungen einzuführen, wenn wir überhaupt leben wollen.

Das größte Hindernis ist die Anhänglichkeit der Bauern an alte Methoden. So hält der Bauer am Dreifeldersystem fest, er hat nur Roggen und Weizen (oder Hafer), aber kein

Gras, und daher auch keine gute Milchkuh. Jetzt suchen wir das Vierfeldersystem ohne Brache durchzuführen, also mit Roggen, Weizen, Kartoffeln (oder Rüben) nebst Gras; und das Ziel ist der achtfache Wechsel, der schon in gewissen Distrikten existiert: Roggen, Weizen, Rüben, Kartoffeln, Hafer, Erbsen (und Gemüse) sowie zweimal Gras.

Im übrigen streiten wir uns hier mitten in der Revo­

lution mehr über Erwerbsprobleme als über politische Prin­

zipien. Trotzki hat vor ein paar Jahren vorausgesagt, daß eine Zeit kommen würde, da keine politischen Parteien mehr in Rußland existierten, sondern daß wir uns nach ökono­

mischen Anschauungen in eine Kartoffelpartei, die glaubt, daß das Heil Rußlands im Kartoffelbau liege, in eine Torf­

partei oder eine Rübenpartei geteilt hätten. Die Partei, die die russische Landwirtschaft auf den Rübenbau einstellen will, nennen wir auch die d ä n i s c h e , weil ihre An­

hänger die Ideen aus Dänemark holen. Der wichtigste Vertreter derer, die dänische Landwirtschaft einführen wollen, ist der Höchstgerichtspräsident Stutchka; er ist Lette von Geburt und leitet jetzt selbst — neben dem Höchst­

gericht — seinen eigenen Hof im Gouvernement Pskow, wo er mit dänischen Methoden experimentiert. Er veranlaßt Prawda, lange Leitartikel über die dänische Kartoffel zu bringen.

— Man wird sich in Dänemark freuen, wenn man er­

fährt, daß man von unserer Landwirtschaft etwas lernen zu können glaubt. Leider scheinen alle Verbindungen zwischen dem dänischen Bauer und dem russischen Muschik ab­

gebrochen zu sein. Im ,,Zentralhaus der Bauern" hier in Moskau befinden sich Proben holländischen, preußischen, australischen Viehs, aber keine rote fiinensche Kuh, und englische, australische, schwedische landwirtschaftliche

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Maschinen, aber nicht einmal eine dänische Zentrifuge.

Jetzt richten die englischen Quäker in der Ukraine und im Wolgadistrikt englische Landwirtschaft ein. Fritjof Nansen hat soeben eine Konzession auf zwei Farmen erhalten, die von Schweizern und Italienern geleitet werden sollen. Die Schweden denken daran, eine schwedische Wirtschaft bei Samara einzurichten, aber die dänische Landwirtschaft, die doch so viele Freunde in Rußland hat, besitzt nicht einmal einen Laubengarten, wo sie ihre Sämereikulturen zeigen konnte. W ie könnte Ihrer Meinung nach am besten eine Zusammenarbeit zwischen dänischen Erfahrungen und rus­

sischen Möglichkeiten zum Vorteil für beide Länder zu­

stande kommen?

— Unsere Landwirtschaft kann viele dänische und eng­

lische Instrukteure gebrauchen, die kurze Kurse in den ver­

schiedenen Distrikten abhalten, und das kann am besten durch die lokalen Zentralen der „Kooperativen" geordnet werden.

Rußland sucht augenblicklich eine neue Standard­

type lür Milchkühe. Kommt möglicherweise die dänische Kuh dafür in Betracht?

— Bei unseren Nachforschungen haben wir bisher 70 verschiedene Typen russischer Kuhrassen entdeckt, die auf der großen landwirtschaftlichen Ausstellung gezeigt werden.

Dagegen werden nur wenige ausländische Kühe ausgestellt.

Es wird nämlich sehr schwer sein, sie zu akklimatisieren.

A i an darf nicht vergessen, daß der russische Bauer keinen Stall für sein Vieh, sondern nur ein Halbdach hat, unter dem es bei 30 bis 40 Grad im Freien steht. Aus diesem Grunde werden wir sicher genötigt sein, eine unserer ein­

heimischen Typen zu prämiieren. In gewissen Gegenden hat man allerdings begonnen, Ställe zu bauen. Das ist eines

der Ergebnisse der Revolution, und seine Folge, daß die Kühe dort jetzt doppelt soviel Milch und Fleisch geben.

— Ich habe mehreren Regierungspräsidenten vor­

geschlagen, durch Dänemark eine dänische Musterwirtschaft in Rußland einrichten zu lassen, wo wir Gelegenheit hätten, unsere Betriebsmethoden, unsere Zuchttiere, unsere Meierei, unsere landwirtschaftlichen Maschinen und unsere Sämerei­

kulturen zu zeigen. Ich dachte mir, daß sie an der Wolga liegen sollte, wo der Boden schwarz und fett und die einzige Unannehmlichkeit die Malaria ist. Als ich Karklin, dem Regierungspräsidenten von Samara, den Plan vorlegte, versprach er, 6 bis 8 frühere Güter mit zugehörigen Ge­

bäuden samt soviel Hektar Boden, wie Dänemark zu be­

bauen wünschte, umsonst zur Verfügung zu stellen.

— Auch ich glaube, daß ein solcher Musterhof große Bedeutung haben würde. Ich möchte jedoch raten, ihn in Zentralrußland anzulegen, wo die Bevölkerung dichter ist, so dicht, daß sie schon deshalb gezwungen ist, bessere Methoden einzuführen. Es müßte eine landwirtschaftliche Schule mit kurzen zweiwöchentlichen Kursen damit ver­

bunden werden, und die Bauern müßten hinreisen und dort wohnen können, um das dänische System kennenzulernen.

Vielleicht sollte man das Gouvernement Jaroslaw wählen, wo wir die einheimische russische Kuhtype haben und wo dänische Meierei deshalb von besonderer Bedeutung sein würde.

—- Kann man dort Boden bekommen?

— Die Regierung wird einer dänischen Musterwirt­

schaft überall in Rußland Boden geben.

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Interview mit Lunatscharski.

A Fein sagt, daß Lunatscharski weint. Als in den ersten lagen der Novemberrevolution das Gerücht ging, der Kreml werde von revolutionären Kanonen bombardiert, sah man Lunatscharski vor Kummer weinen. Und als später ein kirchenfeindlicher Kongreß in Moskau überlegte, ob man die heilige Basiliuskathedrale niederreißen solle, beweinte er die vergoldeten Kuppeln und die gewundenen Spitzen, nahm aber sogleich den Kampf gegen die Kirchenstürmer auf und rettete durch eine feurige, zweistündige Rede die

A Fein sagt, daß Lunatscharski weint. Als in den ersten lagen der Novemberrevolution das Gerücht ging, der Kreml werde von revolutionären Kanonen bombardiert, sah man Lunatscharski vor Kummer weinen. Und als später ein kirchenfeindlicher Kongreß in Moskau überlegte, ob man die heilige Basiliuskathedrale niederreißen solle, beweinte er die vergoldeten Kuppeln und die gewundenen Spitzen, nahm aber sogleich den Kampf gegen die Kirchenstürmer auf und rettete durch eine feurige, zweistündige Rede die

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