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Besuch in einer russischen Fabrik

In document THE DET (Sider 56-63)

Ich wollte gern eine der sozialisierten Fabriken sehen und fragte den Vorsitzenden des Metallarbeiter - Ver­

bandes, Genossen Landa, den ich zufällig kannte, ob ich nicht das große Elektrizitätswerk besuchen könnte, auf das die Weißen es besonders abgesehen hatten. Man kann nämlich weder eine Revolution noch eine Gegenrevolution auf bessere Weise anfangen, als daß man das Licht in der ganzen Stadt auslöscht: Der Coup wird am besten im Dunkeln unternommen.

Einige Tage später schickte die Fachvereinigung mir Bescheid, daß ich um n Uhr kommen dürfte. Ich hatte Er­

laubnis erhalten, eine dänische Kollegin mitzunehmen, und da ich nicht selbst Russisch telephoniere, bat ich den Kellner in meinem Hotel, sie anzurufen. In ihrem Hotel muß ein be­

sonders bolschewistischer Kellner am Telephon gewesen sein.

Denn das Gespräch verlief wie folgt:

— Ich möchte gern mit Frau Poulsen von Nummer 28 sprechen.

— Es gibt keine Frauen mehr in Rußland.

— Ja aber in dem Land, dem Frau Poulsen entstammt, sagt man noch Frau.

— Jawohl, aber sobald sie nach Rußland kommt, muß sie den Titel beiseite lassen.

— In Frau Poulsens Land gibt es auch Kaiser und Könige, das ist ihre Sache, und daran können wir hier in Rußland nichts ändern. . . .

So diskutierten die beiden Herren eine Viertelstunde, und ich bekam Frau Poulsen nicht zu sprechen. Aber wenn ich seither anrief, fragte ich immer vorsichtig nach Genossin Poulsen von Nummer 28.

Einige Ingenieure aus Transvaal wollten das Elektri­

zitätswerk besichtigen, und ich durfte mich ihnen an­

schließen. Wir mußten eine halbe Stunde auf den Direktor (den früheren Obermaschinisten) und auf den Vorsitzenden des Arbeiterrates warten. Es gab viel Schererei, bis wir eine genügende Anzahl gestempelter Einlaßkarten zusammen­

hatten. Wegen des Versuches der Contra-Revolutionäre, Handgranaten in die Dynamos zu schleudern, war die Maschinenhalle selbst streng abgesperrt, und wen die roten Soldaten nicht vom Sehen kannten, ließen sie nicht ohne Karte ein, nicht einmal den Direktor.

Stundenlang gingen wir jetzt in den riesigen Hallen umher und guckten auf die sausenden Treibräder. Wir be­

wunderten die mächtigen Öfen, die ursprünglich für Kohlen­

feuerung eingerichtet waren. Als Moskau während der Revolution von den Gruben abgeschnitten war, wurden sie für Holzfeuerung, jetzt aber, da die Bahn nach dem Kaukasus wieder frei ist, für Naphthafeuerung umgebaut.

Ich habe wohl an zwanzig ähnliche Dynamoanlagen in der ganzen Welt besucht und kenne nichts Ermüdenderes. Diese glich anscheinend allen andern. Das einzige Ungewöhnliche war, daß an jeder Tür ein Soldat saß und sich auf sein Ge­

wehr stützte. Ich konnte nichts von Revolution merken und fragte immer wieder: „Und was nun?"

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Um mir entgegenzukommen, wurden wir, immer mit Hilfe von Durchlaßkarten, in die Hospitalabteilung geführt, die nur den Arbeitern der Fabrik und ihren Familien offen­

steht. Jede zweite Stunde rücken neue Spezialisten vor, augenblicklich waren es. Gynäkologen, und das Warte­

zimmer war von etwa fünfzig Frauen gefüllt, unter denen sich viele junge, schöne Fabrikarbeiterinnen in starkfarbigen Blusen befanden. Die 1800 Arbeiterfamilien erfordern 5000 Konsultationen im Monat.

Die Ärzte standen auf der Höhe westeuropäischer ge­

sellschaftlicher Bildung und sprachen die Weltsprachen.

Mit Stolz führten sie uns in den ganz modernen Sälen herum, wo ^lle Erfordernisse der ärztlichen Wissenschaft vorhanden zu sein schienen. Als wir in der Operations­

stube standen, wurde ein zwölfjähriger kleiner Genosse mit einer blutenden Wunde an der Stirn hereingeführt, die ihm ein Kamerad mit einer eisernen Stange beigebracht hatte.

Ich dachte, daß er genäht werden würde, aber der Arzt faßte mit einer Zange zu und schloß die Wunde mit ein paar amerikanischen Metallklammern; nach zwei Minuten war die schmerzlose Operation vollbracht.

Wir machten den Ärzten unsere Komplimente zu der humanitären Einrichtung, die die Revolution hier in einem Winkel der Fabrik geschaffen hatte.

— Die Revolution . . . antworteten sie etwas aus der Fassung gebracht . . . unsere Krankenabteilung ist ebenso alt wie das Elektrizitätswerk selbst und hat mehr als sech­

zehn Jahre unverändert bestanden.

Aber jetzt wurde ich ungeduldig und verlangte be­

stimmt zu sehen, was denn die Revolution gebracht hätte.

Unsere kleine Gesellschaft verließ den Fabrikkomplex.

Man führte uns an den Kaien der Moskwa entlang an ein

paar Komplexen vorbei zu einem palastartigen Hause, das in einem Garten lag. Es hatte früher einem reichen Tee­

händler gehört, der bei seiner Flucht nur zwei gewaltige Schlüssel, beide in sehr schöner Kunstschmiedearbeit, hinter­

lassen hatte: der eine gehörte zu der privaten Hauskapelle des Kaufmanns, der andere zu seinem Geldschrank. Jetzt war das ganze Gebäude zu einem Klub für die Arbeiter des Elektrizitätswerkes umgeschaffen. Es steht jedem frei, ob er Mitglied werden will oder nicht, und nur etwa 500 haben sich gemeldet. Sie bezahlen einen Beitrag von 3 Rubeln monatlich.

Ein Arbeiter, der vermutlich besondere gesellschaftliche Talente besitzt, ist von seinen Kameraden zum Klubvater erwählt und leitet das vielseitige Leben des Komplexes.

Jeder Raum im Hause des Teehändlers hat jetzt seine be­

sondere Funktion erhalten. Der Tanzsaal ist Vortragssaal geworden, wo die Arbeiter abends diskutieren oder selbst Vorstellungen auf einer festen Bühne geben, die an einem Ende des Saales errichtet ist: Hier standen noch die Deko­

rationen von einem antireligiösen Osterspiel, das in der Vor­

woche stattgefunden hatte: Es war ein Kabinett für Jesus mit der Aufschrift: ,,Bitte nicht ohne Anmeldung einzu­

treten."

Das Wohnzimmer ist zum Lesesaal, das Kabinett zur Leihbibliothek umgewandelt. Jeder der anderen Räume diente dem Unterricht, der auf die besonderen Talente der Ar­

beiter eingestellt ist. Eine Zeichen- und Modellierschule wurde von zwölf Arbeitern im Alter von 18 bis 40 Jahren besucht, die dreimal wöchentlich zwei Stunden Unterricht von einem Künstler erhielten. Es gab eine Gesangstube und ein Musikzimmer sowie eine Abc-Klasse; man hatte mit 50 bärtigen Schülern angefangen, die weder lesen noch

schreiben konnten, jetzt war die Zahl der Analphabeten der Fabrik unter ein Prozent gesunken. Auf dem Boden befand sich eine Nähstube, wo die Arbeiterinnen ihr eigenes Zeug nähen lernten, während ein Genosse sie gleichzeitig mit hochpolitischen Vorlesungen versorgte. Im Keller befanden sich die „geräuschvollen.' Abteilungen für Orchestermusik und Sport. Der frühere Direktor des Elektrizitätswerkes, der jetzt die Stellung des i. Ingenieurs bekleidet, leitet das abendliche Turnen. Man zeigte mit Stolz einen mächtigen silbernen Schild, die erste Prämie der Stadt Moskau im Hockey, die früher den Offizierklubs zuzufallen pflegte, jetzt aber von der Mannschaft des Werkes heimgeführt war.

Endlich besitzt der Klub natürlich ein alkoholfreies Restau­

rant nebst einem besonderen Rauchzimmer.

— In kurzem, erklärte der Leiter des Klubs, wird ein Kinematograph im Vortragssaal und eine drahtlose Tele­

graphenstation auf dem Dache angelegt.

W ir hatten das Elektrizitätswerk drei bis vier Stunden studiert. Als man uns endlich fragte, ob wir sehen wollten, was die Revolution sonst noch geschaffen hatte, erkundigten wir uns vorsichtig, was es wäre:

Rings im Viertel befanden sich außerdem eine Unter­

stützungskasse, ein kooperativer Einkaufsverein, und um den jungen Arbeitern des Werkes eine weitere technische Ausbildung angedeihen zu lassen, waren außerdem tech­

nische Hochschulen, Mechaniker - Schulen und Schulwerk­

stätten errichtet. Endlich hatten die Arbeiter es unter­

nommen, von ihrem Wochenlohn 33 obdachlose Kinder aus dem Hungerdistrikt an der Wolga zu unterhalten, die in einem besonderen Kinderheim in einem Pavillon am Hafen erzogen wurden.

Die Transvaaler Ingenieure verzichteten, sie hatten be­

reits sechs oder sieben andere Arbeiterklubs bewundert, und es hatte ihnen namentlich imponiert, daß die Arbeiter selbst die ganze Einrichtung besorgt hatten; am Tage vorher hatten sie die Kabelfabrik besucht, wo es unmöglich gewesen war, passende Lokalitäten in der Nähe zu finden. Von einem plötzlichen Schaffensdrang ergriffen, hatten die Ar­

beiter im Laufe von zwei bis drei Tagen ein ganz neues Klubgebäude im Hofe errichtet.

Ich wollte dagegen nicht nachlassen, ehe ich etwas über den Einfluß der Revolution auf die tägliche Arbeit selbst erfahren hatte. Wir kehrten also zum Werk zurück, wo wir von einer Inschrift aufgehalten wurden, die uns bekannt vorkam: „Bitte nicht ohne Anmeldung eintreten." Es war das Kontor des Direktors. — Den fragte ich jetzt:

— Wrelche Veränderungen hat die Revolution in den täglichen Gang der Fabrik gebracht?

— Wir haben den festen achtstündigen Arbeitstag für die erwachsenen Arbeiter, sechs Stunden für die Beamten, sechs Stunden für junge Arbeiter über sechzehn und vier Stunden für die unter sechzehn Jahren eingeführt.

— Aber gibt es hier keine sichtbaren Resultate?

— Das Werk sieht heute aus, wie es immer ausgesehen hat. Bei näherem Nachsehen werden Sie nur drei Zimmer finden, die früher nicht existierten. An der Tür des einen steht „Lesezimmer", dort können die Arbeiter hineingehen und die kommunistischen Zeitungen lesen, andere haben wir ja nicht; an der anderen steht .Jungkommunistische Zelle", das ist das Kontor, wo sich die fanatischen jungen Arbeiter treffen, um die politische Agitation zu leiten; im dritten versammelt sich der Arbeiterrat des Werkes, der den Be­

trieb kontrolliert; er besteht aus sieben erwählten Mit­

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gliedern, von denen vier, solange sie fungieren, von der Ar­

beit befreit sind, während die drei übrigen beständig ihre Maschinen besorgen. Hier treffen sie sich mit der Direktion und mit ihren Kameraden; jeder Arbeiter des Werkes be­

kommt am Monatsersten die Bilanz zu sehen, die gedruckt und verteilt wird. Kommen sie dann und fragen: Warum erhalten wir keinen höheren Lohn? — dann können sie es selbst kontrollieren, wenn wir auf die Zahlen zeigen und antworten: Weil wir neue Maschinen bauen müssen. Um den Betrieb besser ausnutzen und uns gegen die Konkurrenz halten zu können. . . .

— Das ist ja alles schön und gut, antwortete ich, aber was bedeutet es für den Betrieb des Werkes, welche Resultate

•zeitigt es für die tägliche Arbeit?

— Die Zahlen, die Sie zu erfahren wünschen, sind das einzige ohne besonderes Interesse. Denn augenblicklich beschäftigen wir genau dieselbe Anzahl Personal wie vor der Revolution, und die gesamte Arbeitsleistung hat genau hundert Prozent erreicht.

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