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Lehrer in Cincinnati und New York 1840-47

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68 Oldenburgische Gesellschaft für Familienkunde - Jahrbuch 2016

Wenn man Ratterm ann folgt, verfügte man im Hause Stallo über Kenntnisse der französischen Küche, die seine Ehefrau aus der bairischen Rheinpfalz mitgebracht ha­

ben dürfte.

Ob Stallo ein Familienmensch war, ist nicht zu sagen; Gustav Tafel gegenüber äu­

ßerte Stallo seine große Genugtuung, das er in Kürze Großonkel werden würde77; er hatte seinem ehemaligen Vorgesetzten am 28. O ktober 1863 von seiner Teilnahme an der Hochzeit seiner Nichte in Miamisburg - nördlich Cincinnati, in der Nähe von Day- ton/Ohio - erzählt und gleichzeitig einen Seitenhieb gegen seinen Briefpartner ob des­

sen Junggesellen-Standes eingeflochten.78

In die Ausbildung der eigenen Kinder hat der bildungsbeflissene Stallo sicher einge­

griffen; sowohl in das Medizinstudium des Sohnes Walter, als auch in die Musikausbil­

dung der Tochter Hulda; sie erfolgten auf Hinwirken des Vaters teilweise in Deutschland.

Johann Bernard Stallo (1823-1900) 69

war dann seit 1838 auf Antrag durch die von August Renz vorangetriebene Einführung des Faches Deutsch in den Lehr­

plan der öffentlichen Schulen grundsätzlich möglich gewor­

den. Für die deutschen Einwan­

derer in Ohio war es ein ent­

scheidendes Jahr, weil seit 1839 ein Gesetz sogar die Einrich­

tung freier deutscher Schulen vorsah. Schon ein Jahr später wurde das deutsch-englische Freischul-System in Cincinnati verbindlich eingeführt80 und verschaffte den deutschstäm ­ migen Familien in der Stadt ei­

nen wichtigen R ückhalt.81 In den ersten vier Klassen der zweisprachigen Distriktschulen wurde jetzt halbtags Deutsch unterrichtet. In der Abschluss­

klasse gab es täglich nur noch eine Stunde Deutsch; das galt

auch für die weiterführenden Schulformen während nahezu der gesamten Dauer des Jahrhunderts.82

Den Mangel an geeigneten Lehrmitteln erkennend, hatte der Junglehrer Stallo schon 1840 ein „ABC, Buchstabir und Lesebuch, für die deutschen Schulen Amerikas“

zusammengestellt und herausgegeben. Diese zunächst anonym erschienene ‘Fibel’ für Schulanfänger machte ihn bekannt und erlebte danach noch weitere Auflagen. Auch deswegen wurde die Leitung des von Jesuiten geführten Kollegs St. Xavier auf ihn

auf-Abb. 30: Distrikt-Schule in der Liberty Street

80 „Von Pennsylvania und Ohio ausgehend, schrieben ab 1840 mindestens ein Dutzend Bundesstaaten Fremdsprachenunterricht in öffentlichen Grundschulen vor, wenn eine bestimmte Zahl von Eltern und Schulratsmitgliedern dies verlangten“ (Kamphoefner, Musterknaben, S. 45). - Das Schulgesetz von 1912 ließ nichtenglische Sprachen nur noch als Fach zu (So Kloss, S. 147).

81 Aus zeitgenössischer Perspektive dargestellt in vielen Beiträgen im DDP, so u.a. von Friedrich H. Rö- wekamp: Geschichte der deutsch-englischen Schulen in Cincinnati, in: DDP 13, 1881, S. 217-226.

82 Für 1850 werden 5362 Schüler und 138 Lehrer angegeben (Ford, S. 191). - Bis 1869 wurden schon bis zu 15 000 Schüler in katholischen Privatschulen gezählt (Helfman, S. 370). - 1860 waren 4788 und zehn Jahre später 10 440 Deutsch Lernende in Cincinnati registriert (Brumberg, S. 13). - 1875 wurden 15 119 (1880: 16 418; 1914: über 14 000) Schüler in deutschsprachigen Schulen gezählt, etwa 50% der Gesamtschülerzahl in Cincinnati, was darauf hinweist, dass auch nicht deutschstäm­

mige Schüler für das Unterrichtsfach Deutsch eingeschrieben waren (Fuchs, S. 116 und Anm. 183).

- Die Zahlen des Superintendenten für das Erziehungswesen resp. des deutsch-amerikanischen Leh­

rerverbandes für 1882: Bei 218 000 deutschstämmigen Einwohnern Ohios gab es Deutschunterricht für knapp 54 000 Schüler in den öffentlichen Schulen und für über 29 000 Schüler in den Pfarr- u.a.

Privatschulen; diese 83 000 Schüler machten 11 % aller Schüler im Staat aus (DDP 16.7, 1884, S. 273).

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Abb. 31: Grundschule im 6. Bezirk, Elm und Liberty Street

merksam, das französische und belgische Jesuiten aus einer schon bestehenden Schule83 heraus weiterentwickelt hatten. Im Herbst 1840 wurde Stallo hier als Deutschlehrer angestellt.

Er hatte ausgehandelt, dass er sich parallel zu seiner Unterrichtsverpflichtung als Autodidakt in M athem atik und Naturwissenschaften weiterbilden konnte. In seiner Freizeit widmete er sich also in der mit einer großen Bibliothek und einem Laborato­

rium ausgestatteten Schule auch dem Studium der Chemie und Physik - „mit der ihm innewohnenden leidenschaftlichen Lernbegierde“, wie Ratterm ann unterstrich. Un­

terstützt wurde er von einem Jesuitenpater, der nach Rattermanns Auskunft noch 1885 in Stallos Haus verkehrte. So unterrichtete er von Anfang an auch die alten Sprachen Griechisch und Latein, dazu seit 1842 M athem atik an Stelle von Deutsch. Das verhalf ihm zu einer neuen Anstellung; ihm wurde - gerade 21 Jahre alt - die Stelle eines Leh­

rers für M athem atik, Physik und Chemie am 1841 gegründeten und von Jesuiten ge­

führten St. John’s College in Fordham/New York angeboten.84 Vom Herbst 1844 bis Ende 1847 unterrichtete Stallo dort.

In diese Zeit fällt die nach Ablauf einer 5-Jahres-Wartefrist übliche und mögliche Einbürgerung; Stallo konnte in Anwesenheit des aus Cincinnati stammenden John H.

83 Gegründet 1828 als „Athenäum“ von Pfarrer Reese, häufiger Gesprächspartner von JBS Onkel Franz Joseph (DDP 7.1, 1875, S. 11). - HAR verlegte den von Bischof Purcell veranlassten Übergang des Instituts an die Jesuiten in die Zeit 1841/42, „das seitdem viele hundert der ausgezeichnetsten M än­

ner und Gelehrte in allen Theilen des Landes, ohne Unterschied der Religion, herangebildet hat. Die Jesuiten-Patres sind dafür bekannt, daß sie immer die tüchtigsten Kräfte zu sich heranziehen (...)“ (S. 20).

84 Easton (S. 32, 52) behauptet, dass JBS dort als angehender katholischer Priester gewesen sei; eine von ihm benutzte Schul-Liste weise ihn als „Reverend J. B. Stallo, A. M .“ aus, ein Umstand, den JBS sei­

nen Biographen gegenüber verschwiegen habe, „apparently wishing to suppress that part of his life- story“ . - Auf E. beruft sich Efford (S. 68): „J. B. Stallo had even trained for the priesthood as a young

Johann Bernard Stallo (1 8 2 3 -1 9 0 0 )__ ____ 71

Runnebaum 8> jetzt nach dem erklärten Verzicht auf die deutsche Staatsbürgerschaft und mit dem Treuegelöbnis auf die Verfassung US-Bürger mit Wahlrecht werden; auch ein öffentliches Amt zu bekleiden, war von jetzt an möglich. Am 3. September 1846 war der 23jährige Stallo, gemeldet in Westchester/New York, nach dreifach geleiste­

ter Unterschrift in New York US-Amerikaner geworden.86

Ohne großes Echo blieb seine in dieser New Yorker Zeit abgeschlossene Veröf­

fentlichung, das 1848 erschienene erste Hauptw erk „General Principles of the philo­

sophy of nature“ . Doch der von Stallo so empfundene Fehlschlag war ihm Anlass ge­

nug, sich neu zu orientieren. Auch wenn er der Philosophie immer verbunden blieb, so hatte der 24-jährige zugleich entschieden, nicht auf eine durchaus mögliche Wis­

senschafts- oder Schriftsteller-Laufbahn einzuschwenken. Seine Umorientierung hat Stallo nirgends detailliert begründet. Er war auch Ratterm ann später gegenüber wenig auskunftsfreudig, was diese Frage betraf und auch darüber, wie tief ihn der aus­

bleibende Erfolg seines Erstlingswerks wirklich getroffen hatte.

Nach Beendigung seines kurzen Lehrer-Daseins blieb Stallo auch als Jurist zeitle­

bens dem pädagogischen ‘Gewerbe’ verbunden. Er war von 1858 bis 1875 Mitglied der Prüfungskommission für Lehrer an Cincinnatis öffentlichen Schulen, die seit 1853 auf Antrag auch „public german schools“ sein konnten. Später gehörte er zum Ver­

waltungsrat der Universität, die 1875 ihre Arbeit aufgenommen hatte. Dieses Enga­

gement Stallos war Ausdruck seiner Überzeugung, dass die Schule neben der Wis­

sensaneignung im Dienste der Gesellschaft auch die Ausbildung der Persönlichkeit und die Integration in den Staat USA voranzutreiben hatte.

Z ur Schulsituation und vor allem zu den von ihm wahrgenommenen Fehlentwick­

lungen nahm er in Ansprachen immer wieder Stellung. So widmete er sich auf dem H ö­

hepunkt der ausländerfeindlichen Ausschreitungen 1866 in Cincinnatis Arbeiterhalle ausführlich dem „Nativismus in den Staatsschulen“.87 Vier Jahre später sprach er auf dem H öhepunkt der Kontroverse über das aus seiner Sicht verfassungsfeindliche „Bi­

bellesen in den Staatsschulen“88, zu dem zu dieser Zeit vor dem Obersten Gericht Ohios ein Verfahren anhängig war. Die Existenzberechtigung des Staatsschulen- Systems stellte er nicht in Frage; eine Optimierung musste nach seiner Überzeugung allemal stattfinden. Noch 1883 unterstrich er seine kritische Haltung zu staatlichen Eingriffen in die Freiheit der Erziehung.89

man, and he taught at Jesuit colleges in New York and Cincinnati during the 1840s.“ - Patrice M.

Kane (Head of archives and special collections, Fordham University) übermittelte mir dankenswer­

terweise am 6.03.2014 ein Foto der mit der Schreibmaschine getippten Karteikarte („Stallo, John B.

/Chemistry &c physics 1844-49[!]“ ). Ihren Angaben zufolge ist JBS als Lehrer, aber nicht in den Schü­

ler- bzw. Studenten-Listen nachweisbar. - Auch passen die Studien von JBS zu seinem ersten Buch wäh­

rend der New Yorker Jahre kaum zu einer angestrebten Priester-Karriere.

85 Ostendorf (Geschichte, S. 255) führt auf: Johann Heinrich Ronnebaum, allein ausgereist 1833. Ge­

meint sein könnte auch Johann Hermann R., 1835 ausgereist mit Frau Maria und Sohn Friedrich;

beide Heuerlinge bei Colon Kruthaup aus der Bauerschaft Borringhausen.

86 Index of petitions for naturalizations 1792-1906, Bd. 67/44, S. 340. NAW MF-Rolle 243, S. 1246 (eingesehen am 17.03. 2015 im AHB). - Über diese seit 1795 gültige Prozedur berichtet der Artikel

„Bemerkungen für Auswanderer nach Nord-Amerika“, in: O1B11 21.2, 10.01.1837, S.10-11, hier S.

11: Die Frist beginnt mit der Anmeldung beim für seinen Wohnsitz zuständigen court-house.

87 Siehe Kap. 4.7, S. 133 Anm. 155.

88 Siehe Kap. 2.7, S. 77 f.

89 Siehe Kap. 4.8, S. 143 f. - „Für die große Masse des Volks ist unser Staatsschulsystem zum förmli­

chen Fetisch geworden; es wird von Kanzeln und Rednerbühnen herab allerorten verherrlicht (...),

72 _ Oldenbiirgische Gesellschaft für Familienkunde - Jahrbuch 2016

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