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Im Bürgerkrieg

In document Slægtsforskernes Bibliotek (Sider 157-164)

Lange vor 1861 zeichnete sich die auseinanderstrebende Entwicklung im Norden37 und Süden des jungen Staates ab. Für Einwanderer in den Norden der USA waren die w irt­

schaftlichen Aussichten angesichts der billigen Siedlungsgebiete vergleichsweise gut;

hatten doch gerade sie nicht viel Kapital angehäuft, nicht viel oder nichts zu vererben.

Der Wille zum Weiterkommen in der neuen Heimat und das Bemühen um Bildung bil­

deten der Grundstock eines möglichen Aufstiegs.

Der Süden hingegen war eine von großer Ungleichheit des Eigentums geprägte Skla­

vengesellschaft; Land und vor allem der Besitz von Sklaven bildeten die Machtbasis einer kleinen Pflanzer-Oligarchie; ihr Wohlstand war ererbt und wurde im Konflikt­

fall mit Gewalt abgesichert. Hier im Süden zeigten sich für Neuankömmlinge eher ab­

schreckende Parallelen zu Europa. Daher fand der vom Handwerk und von aufkom ­ mender Industrie geprägte bürgerliche Norden der USA eher Anklang bei den Z u­

wanderern.

Die immer wieder umgangene oder vertagte Frage der Sklaverei sollte die mühsam verdeckten Risse in der Union jetzt doch aufbrechen lassen. Im Februar 1861 spalte­

ten sich zunächst sieben „Rebellenstaaten“ als „Confederate States of America“ ab;

von den dort lebenden 9 Millionen waren etwa 3,5 Millionen aus Afrika verschleppte und als Sklaven missbrauchte Schwarze. 23 Staaten standen weiter zur Union, die jetzt vor einer Zerreißprobe stand. Weitreichende politische und wirtschaftliche, aber auch kulturelle und gesellschaftliche Fragen kamen in diesem Bürgerkrieg zur Entscheidung.

Auch für die eingewanderten deutschstämmigen Amerikaner stellte sich die Frage, auf welcher Seite sie eingreifen sollten. Das Deutschland mit seiner Kleinstaaterei und seiner fehlenden nationalen Einheit, mit den vorenthaltenen Freiheitsrechten und den ärmlichen Lebensumständen hatte man hinter sich gelassen, um es für sich oder min­

destens für seine Kinder ‘einmal besser’ zu haben - und jetzt musste man dafür und für seine Ideale zu den Waffen greifen. Sehr viele taten es freiwillig - auf beiden Seiten der Front. Im vorwiegend industriellen Norden mit seinen 22 Millionen Bewohnern schlossen sich jetzt die „Kriegsdemokraten“ der führenden Republikanischen Partei Lincolns an.

Um den Aufruf des Präsidenten für die Aushebung von 75 000 Freiwilligen für die Union zu unterstützen, hatte man in Cincinnati - drei Tage vor den Iren und einen Tag vor der Bewilligung von 200 000 Dollar für den Kriegsfonds durch den Stadtrat - die Massenversammlung einberufen und das Signal für die Einschreibung gegeben, auch als ein Zeichen der Unterstützung der Deutschamerikaner für die Politik des Präsidenten.

Beim Angriff der Konföderierten auf das Fort Sumter am Hafen von Charleston am 12. April 1861, der als Beginn des Amerikanischen Bürgerkrieges38 gilt, startete auch der in der Öffentlichkeit als Antisklaverei-Anhänger eingestufte Stallo39 in der Turnhalle von Cincinnati am 17. April 1861 eine leidenschaftliche und wortgewaltige

„Aufforderung zur Gründung eines deutschen Regiments“;40 gerichtet war sie an

37 „(...) eine relativ egalitäre Welt“ (Piketty, S. 213).

38 Osterhammel, S. 795: „ein post-revolutionärer Folgekonflikt früher und unvollendeter Verfassungs­

staatlichkeit.“

39 Er galt zu dieser Zeit als „noted jurist and a leader of the german community“ (Barnett, S. 22).

40 Reden Nr. 13, S. 263-269.

Johann Bernard Stallo (1823-1900) ____________ 157

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zur Zeit des Bürgerkrieges (Sezessionskrieg 1861—1865]

i I Staaten der Union I > Staaten d. Konföderation i I Grenzslaaten

Die Karle enthält noch andere, die neuere Geschichte betreffende Angoben.

---Pazifik Bahnen mil Eröffnungsjohr.

Schrägliegende Zahlen geben da» Grün- dungnohr an. Stehende kleine Zohlen bei Orten und größer bei Stoatennomen zeigen den Anteil der Deutschen an deren Gesomtbevölkerung i. J. 1900 an.

Maßstab 1 24 000 000

Abb. 38: Nordamerika zur Zeit des Bürgerkrieges 1861-65

„Deutsche Männer! Bürger der Vereinigten Staaten! (...) Meine deutschen Freunde und Mitbürger (...).“

Stallo erinnerte in seiner Ansprache eingangs an den am 19. April 1775 erfochte­

nen ersten Sieg der unzufriedenen aufständischen Siedler bei Lexington, dem nach acht Jahren Kampf die Loslösung von England und die Unabhängigkeit gefolgt war. Jetzt hatte sich die Lage, diesmal im eigenen Staat, durch den „W ahnw itz“ der „Baum­

wollenstaaten“ zugespitzt. Die Hoffnung, „unsere abtrünnigen Brüder werden zur Be­

sinnung und Einsicht ko m m en “, hatte sich nicht erfüllt. Immerhin hatte Stallo die Hoffnung auf ein schnelles Ende des jetzt unvermeidlichen Krieges noch nicht völlig aufgegeben.41 In den „Konföderierten Staaten“ habe man die Waffen zur Beibehaltung

41 „Hoffentlich wird es diesmal kein Jahrzehnt dauern, ehe wir wieder stolz hinaufblicken dürfen zum Banner der Freiheit in der neuen Welt, und ehe wir den Kultus der Selbstregierung wieder vollziehen können mit dem Stimmzettel statt mit dem Bayonett und der Muskete. (...) Ich weiß wohl, die Ge­

schichte der Vergangenheit lehrt uns, daß die Blätter am Baume der Freiheit verdorren, wenn nicht von Zeit zu Zeit seine Wurzeln von neuem mit Blut genetzt werden. Allein wir alle hatten uns an den Gedanken gewöhnt, hier in diesem Lande der jungen Hoffnungen und neuen Erfahrungen habe die ruhig ordnende Vernunft für immer ihre Zelte aufgeschlagen. Wir glaubten, dies Land der Freiheit sei das Land des Friedens und der besonnenen Entwicklung. Die vulkanische Zeit der Revolutionen, dach­

ten wir, sei in Amerika vorüber“ (S. 264 f).

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der Sklaverei erhoben; damit habe der Süden aber gerade einen Rückfall hinter fun­

damentale Errungenschaften der amerikanischen Demokratie - „das Muster aller Re­

publiken“- vollzogen und auf Unterdrückung gesetzt. „Während drüben die alten Schranken fallen, bem üht man sich hier neue aufzurichten“,42

Deshalb erachtete Stallo es als Pflicht, dass seine deutschamerikanischen M itbür­

ger in der Tradition des Kampfes zur Verteidigung der von den Kolonisten 1775 er­

kämpften Freiheit jetzt auf Seiten der Union ihren Beitrag leisteten43; sie waren den Ty­

rannen Europas entkommen, hatten die Freiheit gesucht, aber vergeblich auf Vernunft gehofft. Es galt jetzt - auch als Beispiel für die Deutschen und die Italiener in Europa - im fortschrittlichsten Staat der Erde einen drohenden Rückschritt durch ein „Dut­

zend neugeschaffener amerikanischer Raubstaaten “ zu verhindern, die sogar das Ster­

nenbanner44 schon abgeschafft hatten.

Stallo sah im Gegensatz zu der „Menge durchaus patriotisch gesinnter D em okra­

te n “ nur die militärische Lösung43 und verband sie in seiner Rede mit der Gewissheit, dass in dieser bedrohlichen Lage die Deutschamerikaner in vorderster Reihe für die Werte der amerikanischen Verfassung und für die Union einstehen.46 Das erforderli­

che rasche Handeln sollte entweder durch sofortigen Eintrag in die Meldeliste oder

42 „Es ist mir bei den letzten Nachrichten aus den Südstaaten oft zu Muthe gewesen, als seien die Mächte der Finsterniß, die von Helden, wie Garibaldi, eben aus Europa verscheucht worden, nach Georgien oder Louisiana geflohen, um dort wieder ihr altes Reich zu errichten. (...) Und die Herren im Süden muthen uns nicht weniger zu, als die europäischen Despoten von jeher ihren Unterthanen zugemu- thet haben: wir sollen uns vorschreiben lassen, was wir denken und nicht denken, was wir schreiben und nicht schreiben, für wen wir stimmen und nicht stimmen dürfen. Sind Sie bereit, sich dieser Des­

potie zu fügen? (Donnerndes N ein!)“ (S. 266).

43 „(...) so lange wir noch Köpfe haben zum Denken, und Arme zum Kämpfen und Arbeiten, werden wir uns nicht fügen!“ (S. 267).

44 „Wir wollen streiten, daß die Sterne sich wieder enthüllen und die Streifen sich wieder zusammen­

finden; - wenn aber ein unabwendbares Geschick es anders fügen sollte, - nun, so wollen wir we­

nigstens Sorge tragen, daß an dem Fähnlein, welches wir uns retten, der eine Stern der Freiheit noch leuchte und daß ein Streifen daran noch flattere mit den Farben der Treue für die Regierung, die wir selbst eingesetzt haben“ (S. 267 f). - Auch Struve, Wahlkämpfer für Lincoln und Kriegsfreiwilliger, hatte in seiner New Yorker Rede am 20.04.1861 „this sacred flag“ als Symbol der Union besonders hervorgehoben (Reiß, S. 350). - Dass es - wenn auch verhaltene - Kritik an einem allzu abstrakten Freiheitsbegriff gab, zeigt u.a. das Gedicht des Pfarrers und Lyrikers Karl Aulenbach (1813-81): „Yän- kee-Freiheit“ (1864) in: DDP 13.09.1881, S. 335-336.

45 „Einer dieser Gründe war der Schrecken vor dem scheinbar revolutionären Charakter des Kampfes gegen die Uebergriffe der Sklaverei. (...) und inmitten des Getümmels der Waffen schien alles Das, was man bislang für die Grundbedingung und Gewähr der bürgerlichen Freiheit angesehen hatte, dem vollständigen Untergänge preisgegeben zu sein. Die Niederwerfung selbst der Sklaverei durch Waf­

fengewalt war eine Verletzung des alten angelsächsischen, oder, wenn man will, germanischen In­

stinkts, die Beseitigung aller, auch der größten Mißstände von der Reform, und nicht von der Revo­

lution zu erwarten“ (1876, Reden Nr. 18.3, S. 388).

46 „Es gilt jetzt unsere Pflicht zu erfüllen. Jeder von uns hat seine Stelle, wo er einstehen soll für Recht und Ehre des Landes seiner Geburt oder seiner Wahl in dieser Zeit der Gefahr. Es handelt sich da­

rum, zu beweisen, daß unsere Institutionen darum nicht minder fest und unerschütterlich dastehen, weil sie auf der breiten Grundlage der Freiheit ruhen, daß Volkswillen und Gesetz hierlands noch gleichbedeutend sind, und daß Selbstregierung nicht gleichbedeutend ist mit Zügellosigkeit. (...) Es handelt sich um die Sicherheit und das Leben unserer unionstreuen Brüder in den aufrührerischen Staaten. Es handelt sich um das Vermächtniß unserer Väter und das Erbe unserer Kinder“ (Reden Nr. 13, S. 269).

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durch Zeichnung von Spendenbeträgen für die Ausrüstung der Freiwilligen-Verbände geschehen.

Die Ansprachen des 38jährigen Stallo und der anderen Redner an diesem Tag be­

wirkten, dass am Schluss der Veranstaltung über tausend Freiwillige aus der Stadt und der näheren Umgebung ihren Namen in die Listen eintrugen, die Gustav Tafel, der Sprecher der Turner, ausgelegt hatte. Das 1. Deutsche, zugleich 9. Ohio-Regiment, wurde bei Beteiligten auch das „Stallo’sche Turner-Regiment“ genannt, weil über die Hälfte der Freiwilligen Anhänger der Turnerbewegung waren.47 Weitere Deutschame­

rikaner reihten sich als Freiwillige in den drei rein deutschen Ohio-Regimentern 28, 106 und 108 ein.

Sein Studienkollege und Anwaltspartner M cCook48, der Stallo zur Rede animiert haben soll und als Redner ein deutsches Regiment angeregt hatte, wurde als Kom­

mandeur zusammen mit weiteren am 23. April gewählten Offizieren mit der Führung dieser Truppe betraut49, die anschließend feierlich durch die Stadt marschierte. Stal­

los Freund Willich50, der als kriegserprobter 1848er galt, bildete als McCooks Adju­

tant im M ajorsrang den Verband für den Kriegseinsatz aus; die Truppe wurde in den bis 1865 dauernden Kampfhandlungen auf Seiten der Union mehrfach eingesetzt?1

Stallo selbst wurde am 2. September 1862>2 gemustert und als einfacher Soldat zunächst dem 11. Ohio Infanterie-Regiment zugeteilt. Bald danach gehörte der inzwischen 39jährige Anwalt für etwa ein halbes Jahr zur kämpfenden Truppe, näm ­ lich zum von Gustav Tafel geführten 106. Ohio-Freiwilligen-Infanterie-Regiment, das von August bis O ktober 1862 unter maßgeblicher Beteiligung von Tafel zusammen­

gestellt wurde. TafeP3 war M itte April 1861 einer der ersten deutschstämmigen

Kriegs-47 Faust II, S. 390 Anm. 1. - Dazu auch Easton, S. 59.

48 JBS nannte den überzeugten Demokraten zugleich einen der „Freunde ihres Vaterlandes“ in Cincin­

nati, die „mit schwerem Herzen“ in den Krieg zogen (1876, Reden Nr. 18.3, S. 389).

49 JBS leuchtete noch nach Kriegsende nicht ein, dass der Obristen-Posten im 9. Ohio-Regiment an ei­

nen Angloamerikaner ging, „der von der deutschen Sprache und vom Militärwesen nur so viel ver­

stand, daß er V orwärts, Marsch!’ kommandiren konnte“, denn dem Regiment stand „die Wahl of­

fen zwischen mehreren ausgezeichneten deutschen Offizieren, worunter ich nur unsern Willich nam­

haft machen will“, um dann - in elegischem Ton, aber anerkennend - fortzufahren: „Die braven deutschen Jungen waren nicht engherzig, wie unsere Schulräthe; sie fragten nicht, wo McCook ge­

boren worden sei; sie fragten nur nach seiner Ebenbürtigkeit mit ihnen in der Tapferkeit und der Liebe zur Freiheit und dem amerikanischen Vaterlande“ (1866, Reden Nr. 8, S. 193 f). - Siehe S. 134.

50 W. machte JBS Sohn Walter während des Bürgerkrieges ein Beute-Pferd zum Geschenk (Tolzmann, Forty-Eighters, S. 89). - Wie JBS am 22.08.1864 Tafel (CMC 1070/2/23/1) gegenüber äußerte, hielt sich der am 15.03.1863 verwundete W. im Hause Stallo zur Erholung auf; wegen der gelähmten rech­

ten Hand blieb W. weiter felddienstuntauglich.

51 1867 sprach JBS von „den tapferen ,Zweiunddreißigern’ dieses Staats“ (Reden Nr. 6.2, S. 168), die u.a. bei Rawletts Station, Mission Ridge, Mill Spring, Chickamauga eingesetzt waren. - Das „9th Ohio volunteer regiment“ bestand bis zum 7.06.1864; Veteranen ließen 1877 für den als Brigadegeneral gefallenen und am 11.08.1862 beerdigten McCook im Washington Park von Cincinnati ein Denk­

mal errichten (Tolzmann, Tour, S. 54, 62).

52 NAW: Civil War soldier records and profiles 1861-65 sowie Lists of Civil War draft registration re­

cords 1863-65 (eingesehen am 17.03.2015 im AHB).

53 Seine 1901 erschienenen Erinnerungen „The Cincinnati Germans in the Civil War“ wurden von Tolz­

mann übersetzt und herausgegeben (Milford OH 2010). - Während seiner Tätigkeit beim „Volksblatt“

1855-58 hatte T. Jura studiert, allerdings nicht zusammen mit JBS (1847/48) und McCook, wie Tolz­

mann (Tour, S. 119) angibt.

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freiwilligen in Cincinnati gewesen; er wurde dann im Rang eines „Lieutenant Colo­

nel“ Kommandeur dieser auch das „4. deutsche Regiment“ genannten Einheit, die dann bis Juni 1865 Dienst tat und zuletzt mit Sicherungs- und Bewachungsaufgaben betraut war.

Stallo34 hat dann als „First Lieutenant (...), Adjutant of the 106th Regiment Ohio Vo­

lunteer Infantry“ schon am 4. April 1863 im Feldlager in Wolford/Kentucky seinem Kommandeur Tafel gegenüber seinen sofortigen Austritt aus der Armee erklärt. Be­

gründet hat er das vor allem mit dem feindseligen Verhalten einiger Offiziere.33 Zum zweiten verwies Stallo auf seine angegriffene Gesundheit36, was er mit einem beigeleg­

ten ärztlichen Attest untermauerte - ohne dass Einzelheiten über die Differenzen mit den Offizieren und die Art der gesundheitlichen Beeinträchtigung mitgeteilt wurden. Seiner Demission beigefügt war eine eidesstattliche Erklärung; darin führte er aus, dass er nicht in der Schuld der USA stehe, sich keinen Staatsbesitz angeeignet, sich nie ohne Erlaub­

nis von der Truppe entfernt und bis einschließlich Januar seinen Sold empfangen habe.37 Im Juli 1864 - seit über einem Jahr nicht mehr Soldat und längst wieder an seinem Schreibtisch in Cincinnati - übersandte er in das Feldlager von Bridgeport/Alabama den Entwurf einer Ehren-Erklärung38, die Tafel bei Bedarf ergänzen, unterzeichnen und zu seiner Entlastung den entsprechenden Armee-Stellen in Washington zuleiten sollte.

Angespornt durch eine Debatte im Kongress über Konsequenzen beim Verlust von Kriegsgerät, beabsichtigte Stallo, der Möglichkeit, noch nachträglich haftbar gemacht zu werden, durch die Intervention eines aktiven M ilitärkomm andeurs vorzubeugen.

M it dieser Erklärung wollte Stallo vom Vorwurf einer Mitschuld beim Verlust von Pfer­

den und Gerät nach dem Gefecht bei Hartsville/Tennessee am 7. Dezember 1862 ein für alle Mal entlastet werden: Alles Material sei nach der vom Interims-Kommandeur M oore angeordneten Kapitulation von den Rebellen-Truppen erbeutet worden. Die angefertigte Verlustliste sei ohne Stallos Zutun in der anschließenden kurzen Gefan­

genschaft verloren gegangen und auch schon nach dem Anfang Januar 1863 vorge­

nommenen Gefangenen-Austausch verloren gewesen.

Stallo wurde nicht angeklagt. Auch die bereits anhängige Klage gegen Tafel wurde im August 1864 niedergeschlagen; Tafel war rehabilitiert und übernahm in vollem Um­

fang wieder den Befehl über die Brigade. Das veranlasste Stallo, seinen entlasteten Briefpartner zu beglückwünschen und ihn gleichzeitig dazu zu ermuntern, dass nun­

mehr ,,/n Ihrem Regiment gründlich aufgeräumt w ird“ 59

54 Ob das Portrait „eines jungen Mannes, des Sohnes in Amerika [...,] welcher eine ungewöhnliche, höchst prunkvolle Uniform zur Schau trug“, das Jansen 1862 in der „Wohnung einer alten Frau“ in Damme sah, wirklich mit JBS in Verbindung zu bringen ist (Schieckel, S. 93 und A. 35), muss be­

zweifelt werden, weil JBS Großmutter 1838 verstorben, seine Mutter mit ihrer neuen Familie 1843 ausgewandert war. Siehe Anh. 6.

55 „(...) the malignant personal enmity of several of the officers of the 106th Regiment O.V.I. towards me (...) totally incompatible with my sense of honour and propriety, and with the preservation of good order and discipline in the regiment.“- Zu den Anfeindungen gegen irische und deutsche Armee-An­

gehörige: Knobel, S. 159 f.

56 In den Briefen an Tafel sind immer wieder Bemerkungen von JBS über Krankheitsphasen (28.10.1863, 7.12.1864), gesundheitliche Einschränkungen bei der Arbeit, Kuraufenthalte (1.09.1864), Rückfälle (13.03.1865) eingestreut.

57 Ein weiterer Punkt ist durch Textverlust verloren (CMC 1070/2/29).

58 Anhang zum Brief von JBS an Tafel, 14.07.1864 (CMC 1070/2/22/5).

59 22.08.1864 (CMC 1070/2/23/1).

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Außer Dienst gestellt tauschte sich Stallo weiterhin mit Tafel aus, denn er musste sich noch weiter mit Militärangelegenheiten befassen: Soldaten und Ehemalige wur2 den bei ihm vorstellig wegen ausstehender Soldzahlungen, fehlender Papiere oder beim Versuch, eine der begehrten Stellen im ‘Invalid Corps’ zu bekommen.

Im Bürgerkrieg wurden die Deutschamerikaner erstmals von einer breiteren Öffentlichkeit als Verbündete wahrgenommen. Schon in seiner Werbe-Rede am 17. April 1861 hatte Stallo diesen Gedanken öffentlich ausgesprochen: Wenn erst die Kampf­

handlungen ein Ende hätten und die Friedensbedingungen greifen würden, dann sei schon viel erreicht; aber: „Es ist nöthig, daß die Deutschen dann das stolze Recht ha­

ben, mitzurathen“.60 Ausländerfeindliche Äußerungen wurden nach dem Krieg weniger - wenigstens phasenweise und zumindest gegen die „neuen Alt“-Einwanderer, also Iren, Skandinavier und Deutsche.61 Auch aus dem von den deutschstämmigen Amerikanern entrichteten Blutzoll in diesem Krieg62 leiteten viele - nicht zuletzt Stallo - die Berech­

tigung ab, die von ihnen als überlegen empfundene und gelebte deutsche Kultur für eine noch auszubildende amerikanische Kultur zum Vorbild zu nehmen63 und als Eintrittkarte für eine gleichberechtigte Aufnahme in die amerikanische Gesellschaft zu betrachten.

Das Unbehagen darüber, dass der noch im W ahlkampf als „black republican“ ge­

scholtene Lincoln die Abschaffung der Sklaverei keineswegs als sein vorrangiges Kriegsziel verfolgte, sondern die Einheit der Union, wurde zunächst noch unterdrückt.

Doch die Enttäuschung darüber war bei so manchem idealistisch eingestellten Deutsch­

amerikaner, wie Stallo einer war, nicht zu übersehen. M it der - dann aber wieder ver­

geblichen - Lancierung Frémonts als Gegenkandidat zu Lincoln war indes schon 1864 klar gewesen, dass die Frage von Freiheit oder Einheit für weitere politische Unruhe im Staat sorgen würde. Die Kapitulation des Südens am 9. April 1865 und die schon fünf Tage später erfolgte Ermordung Lincolns ergaben - neben einer veränderten öko­

nomischen - eine neue politische Lage.

Der inzwischen von einer schnell voranschreitenden Industrialisierung geprägte Norden ließ die unterlegenen Territorien im Süden ungeschmälert weiterbestehen; die bisher vorwiegend von britischen Geldgebern unterstützte Pflanzer-Elite war ökono­

misch schwer getroffen, aber nicht enteignet; entgegen dem Ziel des Bodenreform- Gesetzes blieb die Mehrzahl der Plantagen erhalten. Die alte Elite kam im Bündnis mit den aus dem Norden heranstürmenden Kriegsgewinnlern schnell wieder auf die Füße, weil es ihr gelang, die Baumwolle jetzt auch von Pachtbauern - vorwiegend ehemali­

gen Sklaven - produzieren zu lassen. Die militärische Besetzung wurde schon 1870 ge­

lockert und dann aufgehoben; eine Generalamnestie für die Funktionsträger des Sü­

dens folgte. So war der am Ende des blutigen Bürgerkrieges eingetretene Verlust ihres großen Einflusses auf die Bundesinstitutionen nur vorübergehend gewesen. Die är­

meren Weißen des Südens hatten den Krieg mit nunmehr wertlosem Papiergeld, einer immensen Inflation, Zwangsrekrutierungen und hohen Steuern bezahlt.

60 Reden Nr. 13, S. 268 (im Original alles gesperrt gedruckt).

61 Für Struve, bis zum seinem freiwilligen Abschied Offizier im 8. New Yorker Freiwilligen-Regiment, war der Bürgerkrieg ein „Assimilationsschub“ (Reiß, S. 357).

62 Schätzungen gehen von 620 000 Kriegstoten aus (Osterhammel, S. 193); etwa 176 000 Deutsch­

amerikaner sollen für die Union am Bürgerkrieg teilgenommen haben (Nagler, S. 418 Anm. 7).

63 Siehe auch JBS Reden zu Sängerfesten (Kap. 4.7) und zur Deutschen Reichsgründung (Kap. 6.3.1).

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Die Schwarzen waren trotz diverser Zusagen und Gesetzesänderungen praktisch nicht vorangekommen; es hatte sich schnell herausgestellt, dass weder die noch von Lincoln im 13. Verfassungszusatz verkündete Befreiung der Schwarzen aus dem Skla­

venstatus, noch die später erfolgte Gewährung des Wahlrechts für „jederm ann“ diese Bevölkerungsgruppe aus ihrer Lage als Bürger zweiter Klasse hatte herausführen kön­

nen. Zu viele im Norden - gerade jetzt nach der überstandenen „Kriegsfurie“64 - un­

terstützen oder billigten zumindest das Unterlaufen einer wirklichen Umsetzung dieser Gesetze im Süden, geschweige denn, dass es zu einer tiefgreifenden politisch­

sozialen Umgestaltung des Südens gekommen wäre. Dass der gewonnene Krieg die Sklaverei-Frage - vermeintlich - gelöst, die durchaus nicht ganz verschwundene Anfeindung der Nativisten gegen die deutschen Neuankömmlinge heruntergefahren hatte, beruhigte viele Deutschamerikaner.

Dagegen blieb Stallos Position zur „Negerstimmrechts-Frage“ eindeutig. Trotz al­

len Einsatzes für die Sache des Nordens und eingedenk der Scheußlichkeiten im ab­

gelaufenen Bürgerkrieg hielt Stallo unbeirrt an seinen Prinzipien fest, die er schon in der Werbe-Rede vom 17. April 186163 hervorgehoben hatte.

1872 bemerkte Stallo - inzwischen ohne die hochkochenden Emotionen wie zu Be­

ginn des Bürgerkrieges - „ dass der von gewissen Leuten geflissentlich geschürte Haß gegen alle frühem Rebellen“ von den anständigen Bürgern im Norden nicht geteilt werde. Die einstigen Rebellen waren Teil der Union und dürften jetzt nicht im Nach­

hinein noch für ihr Engagement nach einem Vierteljahrhundert durch Ausbeutung und Zurücksetzung bestraft werden, indem man sie für ihre eigenen Kriegsinvaliden und die des Nordens zusätzlich besteuerte und unter hohen Zöllen besonders leiden ließ.66 Die Kapitulation der Rebellenstaaten hatte die Probleme nicht gelöst und die Span­

nungen nicht abgebaut.

64 „Dazu kam noch die Bestürzung angesichts der weiteren Folgen des Krieges, der Emanzipation der Neger, ihrer Bekleidung mit den Vollrechten des republikanischen Bürgerthums, und der möglicher Weise durchaus entstehenden Umwälzung aller sozialen Ordnung im Süden“ (1876, Reden Nr. 18.3, S. 388). - Siehe oben Kap. 4.5. (S. 119 ff).

65 JBS hatte keine Angst, dass die Union militärisch unterliegen könnte, sah aber damals schon die Ge­

fahr „einer moralischen Schlappe“ (Reden Nr. 13, S. 268).

66 „Ihr Versuch, die Union zu zertrümmern, ist sicherlich in keiner Weise zu rechtfertigen; allein wir dür­

fen nicht vergessen, daß der Impuls, welcher die meisten unter ihnen, selbst die meisten ihrer Führer, unter die südliche Fahne trieb, auch einen gewissen Anspruch auf den Namen des Patriotismus hat“

(1872, Reden Nr. 16, S. 293). - Noch 1892 (Reden Nr. 23, S. 528) nahm Stallo die ehemaligen Sol­

daten des Südens in Schutz gegen die „Beutepolitiker“ aus der Republikanischen Partei; er betonte,

„daß die große Mehrzahl der Soldaten, die während des Bürgerkriegs auf südlicher Seite kämpften, von demselben Bewußtsein der patriotischen Pflicht geleitet wurden, von dem unsere Kämpfer für die Union beseelt waren. Sie stritten, wie sie glaubten, für ihr Vaterland, ihren Staat und ihren eigenen Herd, und die Frage nach dem eigentlichen Ursprung des Kriegs und seine möglichen oder nothwen- digen Folgen kam ihnen so wenig in den Sinn, wie sie unseren Freiwilligen im Feldzug gegen Mexiko in den Sinn kam (...).“

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