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Gegen die Know-Nothing-Bewegung

In document Slægtsforskernes Bibliotek (Sider 151-155)

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soll man sich sogar in eine erzwungene Begeisterung hineinreiten, um m it Wort und That für sie Propaganda zu machen!“™

Ausführlich schilderte er Rödter das Hin und Her der Kandidaturen, das Getrickse der Gruppierungen; insgesamt fühlte er sich in seinen Vorbehalten bestätigt: „ Wie Ih ­ nen dabei zu Muthe ist, ist mir unbekannt; so gleichgültig mir eine N om ination war, so habe ich vor der persönlichen Betheiligung an dem politischen Treiben eine A b ­ neigung gehegt habe [!] und noch hege, so sehr hat mir dieser er ässe Nativismus das Blut durch die Adern gejagt. Es läßt sich allerdings für diese Wahl Nichts mehr thun, ohne den Whigs gerade zu in die Hände zu arbeiten; aber für die Z u ku n ft sind meine Pfade wenigstens gezeichnet. Ich werde nie mehr Candidat sein; aber ich werde Alles thun, die Deutschen zu organisiren; und wenn die natives ihnen dann keine Gerech­

tigkeit widerfahren lassen wollen, so mögen sie sehen, wer ihre Candidaten wählt. “ Diese Erfahrung hat seine Auffassung von Parteien und vor allem von solchen Per­

sonen geprägt, die politische Parteien nur als Sprungbrett für die eigene Karriere be­

trachteten und in den angenommenen Ämtern oft genug nicht mehr das Gemeinwohl im Blick hatten. Stallo - in der Kanzlei durch die Abwesenheit Rödters stark bean­

sprucht - arrangierte sich mit der Tatsache, dass die Nominierung nicht gelungen war und widmete sich jetzt mit ganzer Kraft seiner Anwaltstätigkeit; hier konnte er auch seine Aktivitäten gezielt entfalten und seinem eigenen Kopf folgen.

Weitere Erfahrungen im eigenen Lebensumfeld sorgten dafür, dass nach den Be­

gegnungen mit euphorisierten, aber unter sich durchaus zerstrittenen „Achtundvier­

zigern“ auch bei Stallo die Revolutionsbegeisterung allmählich gedämpft wurde. Im März 1850 hatte er im Zusammenhang mit seiner gescheiterten Kandidatur in Co­

lumbus den „crassen Nativism us“ erstmals am eigenen Leibe zu spüren bekommen.

Johann Bernard Stallo ( 1 8 2 3 - 1 9 0 0 ) _______ _ 151

1840er Jahren deutlich zugenommen; gleichzeitig wurden die Forderungen nach an­

teiliger Vertretung in allen politischen Gremien und nach Zulassung der deutschen Sprache im Schulunterricht lauter und sie wurden nicht nur in den deutschsprachigen Zeitungen erhoben. Die Öffentlichkeit Ohios und der ganzen Union erfuhr, dass die Deutschstämmigen ihre Stimmen nur für Parteien zu geben bereit waren, die den Pa­

rolen der „natives“ keine Beachtung schenkten und die religiös oder politisch be­

gründeten Spaltungstendenzen extremistischer „Altam erikaner“ nicht unterstützten.

Ob Stallo, damals noch Junglehrer und gerade auf dem Sprung an eine New Yor­

ker Privatschule, die nativistischen Ausschreitungen gegen katholische Kirchen in Phi­

ladelphia registriert oder gar am Volksfest am 1. Mai 1844 teilgenommen hat, muss offen bleiben. Jedenfalls hatte es damals Aufmärsche der Schützen aus Cincinnati und Louisville und eine Rede des Pfarrers Kröll gegen nativistische Übergriffe gegeben.21

1853 hat Stallo als 30jähriger niedergelassener Richter in seiner Wahlheimat dann miterleben müssen, was angeheizte Ausländerfeindlichkeit, aufgestaute Aggression ge­

gen irische und deutsche Einwanderer und eine Undefinierte Furcht vor einem - von vielen so empfundenen - aus Europa ferngesteuerten, autoritätsgläubigen, m onar­

chiegebundenen Katholizismus auslösen konnten. Die Stimmung verdüsterte sich, die Gräben zwischen den Kontrahenten wurden breiter; die Konfrontation baute sich schrittweise immer mehr auf.

Alte Ressentiments und Vorbehalte22 brachen wieder auf; schon zu Kolonialzeiten hatte es Zweifel an der Loyalität gerade der katholischen Iren für den englischen Kö­

nig gegeben. Im Zuge der M asseneinwanderung der 1840er und 1850er Jahre hatten sich die Verdächtigungen potenziert und mit weiteren Motiven vermengt. M it dem Slo­

gan „Amerika den Amerikanern“ wurde von meist lokal organisierten Zirkeln Stim­

mung innerhalb und außerhalb der Parteien gemacht. In diesem aufgeheizten Klima irrationalen Handelns machte man Zuwanderer für alles Mögliche, sogar für auftre­

tende Epidemien, für wachsende Gewalt sowie das Ansteigen der Kriminalitätsrate ver­

antwortlich. Auch hatte die rasante Wachstumsphase der 1840er Jahre zu vielfältigen sozialen Problemen und Spannungen gerade in so einem aufstrebenden Industriezen­

trum wie Cincinnati geführt und diese wurden dann mit den mittellosen massenhaft Zugewanderten - zugleich Arbeitsmarkt-Konkurrenten - in Verbindung gebracht. In den Ballungsgebieten erreichten die Zuwanderer auf Grund der Anwendung des di­

rekten Abstimmungsmodus Zugang zu Wahlämtern, was ihr Selbstbewusstsein wei­

ter festigte. „Alt“-Amerikaner hingegen fühlten sich von den „aliens“ ausgebootet und antworteten mit Ab- oder Ausgrenzung der neu Angekommenen. Es wurde von den Alteingesessenen mit zunehmendem M isstrauen registriert, dass nicht alle der neuen Behausungen der Zugewanderten adrett, nicht alle Ankömmlinge fleißig und sauber waren, dass einige den Anschluss an die vorhandenen Verhältnisse nicht schafften oder minderbemittelt blieben und andere sich um Eingliederung garnicht bemühten. Zudem

21 Dazu auch „Eine Frauen-Temperenzbewegung vor dreißig Jahren“ (DDP 6.1, 1874, S. 33-35).

22 So hatte z.B. John Quincy Adams, noch bevor er als 6. Präsident amtierte, am 4.06.1815 über deut­

sche Einwanderer geäußert: „Wir wissen, daß sie mit Absichten kommen, die nicht auf unseren Vor­

teil, sondern auf ihren eigenen gerichtet sind - nicht um unsere Wohlfahrt zu befördern, sondern um ihre eigene Lage zu verbessern. Wir erwarten deshalb, wenn überhaupt, sehr wenige übergesiedelte Landsleute aus Volksschichten, die Glück, Bequemlichkeit oder gar Komfort in ihren Heimatge­

meinden genießen. Die Glücklichen und Zufriedenen bleiben zu Hause“ (zit. nach Moltmann, Auf­

bruch, S. 248). - Siehe auch Knobel, S. 41 ff, 50.

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erregten Neuankömmlinge gerade bei den altansässigen puritanisch eingestellten M it­

bürgern Anstoß, weil sie an vielen ihrer Gewohnheiten festhielten.

So stieß man sich an der - gerade den Deutschstämmigen zugeschriebenen - Nei­

gung zu Festivitäten und Außer-Haus-Aktivitäten an Sonn- und Feiertagen. Dadurch erhielt auch die schon länger tätige Temperenz-Bewegung weiter Zulauf. W ährend nicht wenige von deren Anhängern weiterhin im Alkohol die Wurzel allen Übels sa­

hen23, verließ man den bisher verfolgten Weg der Überzeugung und Belehrung der Be­

troffenen; man verspürte Rückhalt und betrieb bei der Landesregierung ein generelles Verbot der Produktion und des Verkaufs von Alkohol, ganz nach dem Muster des Staa­

tes Maine 1851. Das stieß vor allem bei den Iren und den - inzwischen ein Drittel der Bevölkerung stellenden - Deutschen auf Widerstand; Bier und Wein mussten aus de­

ren Sicht unbedingt frei zugänglich bleiben, selbst am Sonntag.

Zu dem Beharren und dem Zurschaustellen der kulturellen Eigenständigkeit ka­

men religiöse Differenzen.24 Außerdem hatte die katholische Kirche ihren Mitgliedern die Zugehörigkeit zu Mäßigkeitslogen untersagt. Damit war eine weitere direkte Kon­

frontation vorprogrammiert: Temperenzler und Nativisten fanden eine gemeinsame Basis; ihnen gegenüber standen die Befürworter des Alkoholgenusses und der Gleich­

berechtigung für Zuwanderer.

Aufgeheizt wurden die Spannungen durch eine Initiative des Erzbischofs Purcell, der Schulsteuern und Bibellektüre vor Unterrichtsbeginn in den Staatsschulen auch wieder 1853 thematisierte und teilweise wütende Reaktionen auslöste. So hatten die fremdenfeindlichen Aktivitäten gegen Zuw anderer auch die Schulen erreicht.2?) Natürlich wurden die anstehenden Lokalwahlen von dieser Kontroverse zusätzlich belastet. In der wieder einmal gespaltenen deutschen community verschob sich das Ergebnis zunächst zugunsten jener Wähler, die den Demokraten misstrauten und we­

gen der weggebrochenen Whig-Partei keine politische Heimat mehr hatten.

Friedrich A. Hobbelmann, Herausgeber des Organs des Freimänner-Vereins „Der Hochwächter“, griff den im Dezember 1853 in Cincinnati weilenden Gaetano Bedini an, dessen 1852 erfolgte Ernennung zum ersten päpstlichen Nuntius in den USA für viele als Beleg für eine großangelegte Verschwörung gegen die USA herhalten musste.

Bedini wurde beschuldigt, 1848 italienische Revolutionäre verunglimpft zu haben; Has- saurek machte den auch von Italoamerikanern angefeindeten päpstlichen Gesandten so­

gar für den Tod eines italienischen Nationalisten 1849 in Bologna verantwortlich. Die Polizei in Cincinnati soll dann - so der Vorwurf - im Zusammenhang mit diesem „Be­

dini riot“ in brutaler Weise die friedliche, antiklerikale Demonstration gegen den „Blut­

hund von Bologna“ aufgelöst haben. Dass sogar der Tod eines Demonstranten der De­

mokratischen Partei angelastet wurde, zeigte deutlich, dass die Partei sich ihrer Klien­

tel nicht mehr sicher sein konnte; sie büßte im Juli 1854 ihre Wahl-Erfolge in Cincinnati wieder ein; in der Herbst-Wahl gingen viele Katholiken zur siegreichen „Reform-Par­

tei“ über.

23 Eine vergleichbare Argumentation wurde in Damme benutzt: Das belegt das Protokoll-Buch des dort 1842 gegründeten Enthaltsamkeits- und Mäßigkeitsvereins (PAD AA Nr. 36).

24 „Anti-Catholicism was common among German-American Republicans“ (Efford, S. 68).

25 Große Entrüstung mit einer nachhaltigen Signalwirkung löste im gleichen Jahr die Ernennung des Katholiken James Campbell aus Pennsylvania zum Postminister durch Präsident Pierce aus (Knobel, S. 107).

Johann Bernard Stallo (1823-1900) _ 153

Doch auch die 1854 sich formierenden und als Reform-Partei anpreisenden Re­

publikaner - ein Sammelbecken aus heimatlos gewordenen Whigs, abgesprungenen Demokraten und ehemaligen Anhängern der „Free-Soil-Party“ - wusste den Wähler­

umschwung langfristig nicht zu nutzen, weil man es nicht verstand, eine angemessene Antwort auf die wachsenden sozialen Spannungen zu finden. Zuviel hatten die beiden großen Parteien bei den gerade die Minderheiten bedrängenden Fragen übersehen oder übergangen.

So wenig wie es jedoch den Deutschen gelang, eine eigene Partei zu etablieren26, genauso wenig gelang es den Nativisten, sich als „American party “ im parlam enta­

rischen System festzusetzen; deshalb suchten sie nach Verbündeten innerhalb und außerhalb der etablierten Parteien. Der anhaltend aggressive Ton dieser Bewegung gegen eine angeblich korrupte Landesregierung und vor allem gegen Ausländer und Katholiken verschreckte gerade die deutschen und irischen Wahlbürger. Ge­

genwind bekam die „W eiß-Nichts“-Bewegung durch entschlossener auftretende

„Sag-Nichts“-Befürworter. In dieser Zeit der Bedrängung ruhten sogar zeitweise die nie ausgeräum ten Spannungen innerhalb der deutschen community. Auf dem H ö ­ hepunkt der - nach 1835-37 und 1842-44 - nunm ehr dritten „K now -N othing“- Welle27 kam es vor allem in St. Louis, Baltimore und Louisville und 1855 auch wie­

der in Cincinnati zu bewaffneten Kämpfen zwischen Deutschen, darunter Turner und bewaffnete Angehörige der Schützenvereine, und Anhängern jener Gruppierung, die sich selber als „amerikanische R epublikaner“ bezeichneten. Die radikalen Aktivis­

ten und die Know-Nothing-Sympathisanten hatten indes nicht dam it gerechnet, dass viele von den blutigen Ereignissen abgeschreckt wurden und sich von Rowdies dis­

tanzierten.

Als sich im April 1855 die Waage wieder den Demokraten zuneigte, kam es am 4. April im Viertel „Over the Rhine“ zu Zusammenstößen zwischen Deutschen und Nativisten; am Wahltag, dem 10. April, zerstörten Nativisten die Wahlurnen in zwei Stimmbezirken mit mehrheitlich deutscher Wohnbevölkerung. In den sich anschlie­

ßenden Unruhen mit Barrikadenbau und Bewaffneten auf beiden Seiten waren Todesopfer zu beklagen. Die Auseinandersetzungen griffen auch im Herbst auf die Nachbargemeinden Covington und Newport/Kentucky über; Turner aus diesen Städ­

ten hatten sich mit Gleichgesinnten aus Cincinnati zu einem festlichen Treffen am Pfingstmontag in Covington getroffen. Die Zurückkehrenden wurden von fremden­

feindlichen Gruppierungen angegriffen und verteidigten sich daraufhin; in Louisville soll es dabei 22 Opfer gegeben haben. Angeblich glich Cincinnati in diesen M onaten mit seinen verbarrikadierten Brücken, Straßen und Plätzen zeitweise der Situation, wie sie die jetzt in den USA lebenden Teilnehmer der 1848er Revolution in deutschen Städ­

ten erlebt hatten.28

26 Das hier 1854 verabschiedete Programm der „Union der freien Deutschen“ soll die antideutsche Stim­

mung weiter angeheizt haben; diese von radikalen 48ern gegründete rein deutsche Partei als Sam­

melbecken für alle Deutschamerikaner fiel schnell auseinander (Cronau, S. 305 f). - Dass man sich gegen europäische Monarchien ausgesprochen hatte, war genehm; es missfielen aber Vorbehalte oder gar Widerstand gegen rassenideologische Ansätze (Knobel, S. 126).

27 Zum Höhepunkt der „Yankee xenophobia“ von 1854-56: Jones, S. 159 ff.

28 Faust (II, S. 392 f) referiert ausführlich einen „Hermannschlacht“ benannten vergleichbaren Vorfall von 1843. - Siehe oben Kap. 2.7. (S. 76).

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Die 31 verhafteten und mit hohen Kautionen belegten Turner ließen sich von Stallo vor Gericht in einem langwierigen Verfahren vertreten. Dieser argumentierte, dass die Betroffenen nur sich selbst verteidigt hatten, nachdem die Polizei nicht zu Gunsten der angefeindeten M inderheiten eingegriffen und den Schutz durch den demokratischen Staat für die Angegriffenen nicht sichergestellt hatte. Für alle Angeklagten endete dieser politisch brisante Prozess schließlich mit einem Freispruch.

Die Auseinandersetzungen tangierten auch die Nachbargemeinden und veranlass- ten hunderte deutscher Familien in die nördlichen Nachbarstaaten umzusiedeln; die Behörden registrierten vorübergehend einen deutlichen Rückgang der bereits auf sehr hohem Niveau liegenden deutschen Einwanderung. Treffen der Turner und der Sän­

ger in Cincinnati wurden so im Mai 1856 zu Demonstrationsveranstaltungen, die den Zusammenhalt unter den sonst durchaus nicht immer einigen Deutschstämmigen stär­

ken sollten, aber auch Ausschreitungen während dieser Veranstaltungen hervorriefen.

Know-Nothing-Anhänger, die sich mit der Mäßigkeitsbewegung der „Sabbatarians“

noch einig waren und in der Demokratischen Partei Anklang fanden, kämpften weiter unentwegt für strengere Einwanderungsgesetze, Lesetests; nur bereits in den USA Ge­

borene sollten zu Ämtern Zugang haben. Erst nach einer intensiven Naturalisierungs­

prozedur sollte Zuwanderern ab dem 21.Lebensjahr das aktive Wahlrecht in den USA verliehen werden.29 Immer wieder gab es Versuche, Zugewanderte an der Stimmabgabe zu hindern. Fremdenfeindlich Eingestellte machten sogar Front gegen den Homestead Act von 1862; in diesen Kreisen galt er als „land robbery bill“, die auf Drängen von einflussreichen Eingewanderten in Lincolns Umgebung erlassen worden sei.

Das ausländerfeindliche Klima hielt auch bis über die 1857 hereinbrechende erste große wirtschaftliche Depression30 und den Bürgerkrieg3’ hinaus an. 1876 nahm Hayes sogar den Know-Nothing-Aktivisten Richard Wigginton Thompson als Fi­

nanzminister in sein Kabinett. Noch 1885 sah sich Cleveland nach der Entsendung des Senators aus Louisiana Edward White in den Supreme Court Vorwürfen ausgesetzt;

Kritiker sahen in der Ernennung eine Ohrfeige für seine nativistischen Wähler. Selbst wenn die ausländerfeindliche Bewegung an Dynamik und Einfluss verlor, so ver­

schwand sie nie ganz und zeigte sich in Form einer immer wieder aufflammenden „in­

terethnic suspicion“ .32

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