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Für Gleichberechtigung und gegen Rassendiskriminierung

In document Slægtsforskernes Bibliotek (Sider 114-125)

Schon 1855 hatte Stallo das »eifrige Wirken Jefferson's gegen den Sklavenhandel und gegen die Ausbreitung und den Fortbestand der Sklaverei“ gelobt. Leider sei aber des­

sen Versuch gescheitert68, die Sklaverei69 auch in Virginia dadurch aufzuheben, indem man den noch in Unfreiheit geborenen Schwarzen die Freiheit verlieh. 1801 mit den Stimmen des Südens gewählt, unterzeichnete Jefferson 1808 zwar ein Verbot zur Ein­

fuhr von neuen Sklaven in die USA, wodurch aber keineswegs der inneramerikanische Handel mit Sklaven unterbunden wurde. Stallos Landsmann Böhmer hatte 1834 in Cincinnati noch Sklaven-Auktionen beobachtet, die während seines Aufenthalts of­

fenbar täglich abgehalten wurden. Obwohl seit 1789 in den Nordwest-Territorien das Sklaverei-Verbot galt, wurde es vielerorts und so auch in Cincinnati unterlaufen; auch war die Verschleppung von Geflohenen in den Süden keineswegs beendet.

Viele der - oftmals von christlichen Moralvorstellungen beeinflussten - Abolitio- nisten, die dem 1834 in England erlassenen Verbot der Sklaverei nacheiferten, ver­

suchten sich seit den 1830er Jahren publizistisch an der Enttabuisierung des Themas Sklaverei, dem damals gern verschwiegenen Hauptthem a der amerikanischen Innen­

politik, und an der Bekämpfung bestehender gesetzlicher Bestimmungen. In den Au­

gen der Sklaverei-Gegner war die Unterdrückung der schwarzen Arbeiterbevölkerung die Ursache der Produktions- und Machtsteigerung der Sklavenhalter-Elite. Deshalb beteiligten sich viele aus diesem Personenkreis als Fluchthelfer bei Hilfe-Aktionen für entflohene Sklaven. Diese überschaubare Gruppe, die geflohene Schwarze - meist heimlich und oft über Cincinnati - nach Kanada schleusten70, gerieten noch 1836 und 1841 mit den Sklaverei-Befürwortern der Stadt handgreiflich aneinander. Der sog.

Abolitionisten- oder Neger-„Aufstand“ soll 184171 von der Miliz unter Stallos Freund August M oor beendet worden sein.

68 „(...) der Versuch ist darum nicht minder bezeichnend für seine Gesinnung. Seine vielfachen Aeuße- rungen über die Negersklaverei sind ein ganzes Evangelium des Humanismus, das hoffentlich auch unter den Abkömmlingen seiner eigenen südlichen Landsleute einst eine zahlreiche Jüngerschaft fin­

den wird“ (Reden Nr. 1, S. 16). - Die politische Einstellung von J. zur Sklavenfrage ist nach Piketty (S. 209 f) zwiespältig: „Seine ideale Republik von gleichberechtigten Großgrundbesitzern ist nicht für Farbige gedacht, auf denen ein Großteil der Wirtschaft seines Geburtslandes Virginia basiert.“ - Den Zwiespalt, in dem sich Jefferson befand, hielt Alexis de Tocqueville schon 1835 in „De la democra­

tic en Amérique“ für unauflöslich (deut. Ausgabe von 1985, S. 198-209). T. zeigte sich im Kap. 1.14 (Stellung der schwarzen Rasse in den Vereinigten Staaten) überzeugt: „Die Sklavenfrage war für die Herren im Norden eine Frage von Handel und Gewerbe; im Süden geht es um Leben oder Tod“ (S.

205). Deshalb malte T. schon 30 Jahre vor dem Bürgerkrieg die Zukunft des Zusammenlebens zwi­

schen Schwarz und Weiß in düsteren Farben.

69 Zuerst 1780 in Pennsylvania (ausführlich Osterhammel, S. 203, 994-998, 1199-1202, 1209-1210).

70 Ausführlich dazu Oltmer, S. 34-39. - Diese „underground railroad“ soll 1850-60 über 50 000 Schwarzen zugute gekommen sein (Nagler, Expansion, S. 59).

71 So hatte im September 1841 ein irischer „M ob“ gegen Schwarze getobt und im Oktober hielten die Methodisten einen Antisklaverei-Kongress ab (Ford, S. 92).

114 _ Oldenburgische Gesellschaft für Familienkunde - Jahrbuch 2016

Stallo selbst, der gegen ethnische Abschottung war, ermunterte alle Deutschstäm­

migen, sich von der im Zuge der Einwanderung ebenfalls anwachsenden Anhänger­

schaft der Know-Nothing-Bewegung, der Sabbatarians oder der Temperenzler nicht in eine weitere Feindschaft drängen und sich ihre Lebensleistung als Deutschameri­

kaner in der neuen Heimat schmälern zu lassen; es gelte daher auch, gegen die Skla­

verei und deren Anhänger Front zu machen. Zusammen mit einer kleinen Gruppe wei­

ßer Antisklaverei-Befürworter hatte sich Stallo früh öffentlich zur Gleichberechtigung

‘aller’ Amerikaner bekannt. Schon 1849 soll Stallo eine stufenweise Emanzipation be­

fürwortet und diese Auffassung den Demokraten in Kentucky vorgetragen haben, was den heftigen Widerspruch des 48ers Friedrich Hassaurek hervorrief; dieser hatte sich gerade in Cincinnati niedergelassen und sich vehement für die sofortige und uneinge­

schränkte Sklaven-Befreiung ausgesprochen.72

Um die Eingliederung der neu hinzu gekommen Staaten nicht zu gefährden, hatte der Kongress 185073 allerdings den Kompromiss akzeptiert, wonach die Sklaven-Frage durch die einzelnen Staaten in Eigenregie geregelt werden sollte. Das von Präsident Pierce unterzeichnete Kansas-Nebraska-Gesetz von 1854 entfaltete dann eine enorme Spreng­

kraft. In den beiden neu gegründeten Staaten wurde die Regelung der Sklavenfrage der dortigen weißen Bevölkerung überlassen/4 Dieser Kompromiss sollte die Union retten, zerstörte aber die Whig-Partei: Im Süden gingen die Anhänger zu den Demokraten, im Norden gründeten sie - darunter Lincoln - die Republikanische Partei. Handgreifliche Proteste blieben nicht aus. Die Ausweitung der Sklaverei auf die neuen Territorien der USA wurde von den Sklaverei-Gegnern zum Anlass genommen, ihre Aktivitäten zu ver­

stärken, um diese Frage endlich in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion zu rü­

cken. Radikale Deutschamerikaner verlangten dann in der in Louisville formulierten Pro­

gramm-Plattform praktische Schritte zur Abschaffung der Sklaverei.0 In dieser Zeit und gerade auch wegen dieser Frage begann die zunehmende Distanzierung Stallos von den Demokraten und eine Annäherung an die Ziele, wie sie vom liberal ausgerichteten Flü­

gel der 1856 gegründeten Republikanischen Partei vertreten wurden.

Der 33jährige Anwalt Stallo hatte wiederholt - so 1856 unm ittelbar nach einer Rede in M ilwaukee im Zuge seines Einsatzes für den Präsidentschaftskandidaten Frém ont76 - die ihn enttäuschende Erfahrung machen müssen, dass sogar dessen

72 Efford beruft sich auf eine Notiz in der „Cincinnati Deutsche Republikaner“ vom 16.08.1849 und den Hassaurek-Nachlass. „The confrontation proved only that Forty-Eighter were not the first im­

migrants to oppose slavery“ - so kommentiert Efford (S. 56) die Kontroverse mit JBS. - HAR (Ein­

fluß, S. 151) beharrte 1876 auf der generalisierenden Aussage: „Der Deutsche war vom Anfänge an der Feind der Sklaverei“; gemünzt war die Aussage eigentlich auf die deutschen Quäker von Ger­

mantown 1688.

73 In diesem Jahr vergab die Universität Heidelberg erstmals als Zeichen gegen den „gängigen Rassis­

mus jener Zeit“ eine Ehrendoktorwürde an den Afroamerikaner James W.C. Pennington (Keil, S. 116).

74 Beckert (S. 119) verwies darauf, dass die südlichen Bundesstaaten auf Grund einer in der Verfassung verankerten Garantie im Kongress überrepräsentiert waren und den Einzelregierungen so bis zum Bür­

gerkrieg großer Einfluss zufiel.

75 Andere Deutschamerikaner blieben zurückhaltender: siehe z.B. Lieber (Kap. 4.3., S. 106 Anm. 34) oder auch Esselen in seinen Essays „Welches Heilmittel gibt es gegen das Uebel der Negersklaverei?“

und „Technische Fortschritte gegen schwarze und weisse Sklaverei“ (beide in: Atlantis NF 3, Juli-De­

zember 1855), in denen er die Sklaven- und Rassenfrage getrennt wissen wollte: E. trat zwar für die verfassungsmäßigen Rechte der Afroamerikaner ein, nicht jedoch für deren soziale Gleichstellung. - Dazu Bergquist, forty-eighters, S. 116 fund Keil, S. 115.

76 Erwähnt in: Reden Nr. 18.3, S. 390 (1876).

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U nterstützer im industrialisierten N orden der Sklavenbefreiung im Süden keine vor­

rangige Bedeutung beim aßen.77 Auch in der Stadt Cincinnati und in deren deutscher com m unity zeigten viele offen ihre Vorurteile gegen Schwarze, in denen man - wie in vielen schnell wachsenden Städten der USA - Konkurrenten um Arbeitsplätze und Wohnungen sah; auch Arbeiter wollten Schwarze nicht in ihren Gewerkschaften dulden.

W ährend viele protestantisch orientierte Bürger pauschal alle Katholiken in die geistige Nähe der Sklavenhalter des Südens rückten, gab es mit Bischof Henni gleich­

zeitig eine innerkatholische Opposition gegen Sklaverei-Verfechter, die sogar die Ab­

kehr von der Demokratischen Partei propagierte; Sklaverei hielt dieser Personenkreis nicht nur für ein moralisches, sondern auch für ein soziales Übel. Nicht wenige Ka­

tholiken jedoch dachten wie die Mehrheit der weißen Bevölkerung des Nordens: M an stellte politische Partizipation und nationale Integration an die erste Stelle der politi­

schen Agenda; die Beendigung des Elends der schwarzen Bevölkerung und deren recht­

liche Gleichstellung blieben eher theoretische Anliegen.

Seit 1850 hatte der Kongress die konsequente Anwendung des „Fugitive Slave Act“

zur Ergreifung, Auslieferung und zum Rücktransport solcher Personen in den Süden erlaubt, was nicht selten zu grausamen, gewaltsamen Rückführungen unter den Au­

gen der Bevölkerung führte. Stallo war in einer Gruppe von Anti-Sklaverei-Anhängern, die unter der Leitung des Quäkers und Aktivisten Coffin gegen die drohende Gefäng­

nisstrafe für Connelly wegen Fluchthilfe anging; der Journalist des „Daily Commer­

cial“ hatte entflohene schwarze Sklaven versteckt. Connellys Entlassung aus dem Ge­

fängnis am 11. Juni 1858 sah auch Stallo an der Spitze des Fackelzuges der Turner.

Zusammen mit dem Entlassenen traten neben Stallo auch die Journalisten Becker und Hassaurek an das Rednerpult in der Turnhalle, um die Position eines in dieser Frage einigen Bündnisses der deutschamerikanischen Vormärzler und Achtundvierziger in Cincinnati gegen die Sklaverei zu manifestieren. Dieses Beispiel von „interethnic fra­

ternity“ 78 wurde landesweit in der Presse und vor allem in den Anti-Sklaverei-Zirkeln zustimmend registriert.

Anfang Dezember 1859 fand eine gemeinsame Festveranstaltung von Arbeitern, Freimännern und Turnern statt. Neben Willich79 sprach auch der schwarze Lehrer Peter Clark zur W ürdigung von John Brown, der in Virginia zum Aufruhr und zur Sklavenbefreiung aufgerufen hatte und deswegen erhängt worden war.

Noch 1857 hatte der Oberste Gerichtshof sanktioniert, dass Neger als Eigentum zu betrachten seien und demzufolge nicht den Status als US-Bürger und kein Anrecht auf Klage geltend machen könnten; auch durch die Flucht in einen freien Staat könne daher ein geflüchteter Neger die Freiheit nicht erlangen. Die deswegen nicht ver­

stummende Kritik an der Entscheidung des Supreme C ourt sollte 1860 die Wahl des Sklaverei-Gegners Lincoln und den Ausbruch des Bürgerkrieges befördern. Lincoln 77 Der Anteil der Schwarzen im Süden an der Gesamtbevölkerung betrug zu dieser Zeit etwa 40% , im

Norden ca. 22% (Osterhammel, S. 536, 1199). Adams (S. 57) spricht von etwa 14% der US-Bevöl- kerung. In den 1830er Jahren geht man von 1 Mio Sklaven aus, d.h. jeder 13. im Staat war schwarz (Beckert, S. 117). Um 1840 rechnet man mit 2,5 Mio und um 1860 mit über 4 Mio schwarzen Sklaven.

78 Honeck, S. 80. - Dazu auch Hochgeschwender, S. 366 ff.

79 W., seit einem Jahr Redakteur des gewerkschaftsnahen „Cincinnati Republikaner“, wurde deswegen im „Volksfreund“ als „Negerverehrer“ (Honeck, abolitionists, S. 180) tituliert. - Gegen den main­

stream gerichtet war auch das Gedicht von Philipp Haimbuch „Ein Hoch dem Recht - Der Sklave­

rei den Tod. Zur Erinnerung an die New Yorker Volksversammlung der Deutsch-Amerikaner am 15.

Oktober 1858“ (Heinrici, S. 407 f).

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gehörte der gerade gegründeten Republikanischen Partei an, die „free soil“ und „free labour“ propagierte.

Am 30. August 1861 hatte General Frémont für Missouri alle Sklaven für frei er­

klärt - zum Entsetzen der um ihren Wohlstand fürchtenden britischen Finanziers der Südstaaten-W irtschaft und der Baumwoll-Händler an den Ostküste.80 Für dieses ei­

genmächtige Vorgehen wurde er allerdings am 2. November von Präsident Lincoln ent­

lassen, der ein Abdriften der in der Union verbliebenen Sklavenstaaten Missouri, Ken­

tucky, M aryland und Delaware befürchtete; zugleich wurde auch Frémonts Order wie­

der aufgehoben. Im November 1861 hielt man unter aktiver Teilnahme von Stallo und des erklärten Abolitionisten Conway in Cincinnatis Turnhalle eine Kundgebung ab - für Fremont; damit standen sie erneut in Opposition zur Mehrheitsmeinung.

Wie sehr Stallo den Freiheitsbegriff Jeffersons verinnerlicht hatte, zeigt auch eine Episode aus dem Jahr 1862.81 Stallo hatte den Vorsitz einer Veranstaltung in Pike’s Opera House angenommen, auf der der bekennende Antisklaverei-Verfechter und Be­

fürworter eines Frauen-Wahlrechts Wendell Phillips sprechen sollte. Dort soll Stallo - im übrigen zusammen mit seiner resolut auftretenden Frau und einigen Turnern - den Redner gegen handfeste Übergriffe aus dem Publikum und dessen Recht auf Mei­

nungsäußerung verteidigt haben, obwohl er die Position des Redners keineswegs in allen Punkten teilte. Auch aus dem Zeitungsecho zum Tumult wurde deutlich, dass ein beträchtlicher Teil von Cincinnatis Bevölkerung weiterhin die Sklaverei duldete.

So war es nicht weiter verwunderlich, dass den Schwarzen in Cincinnati verwehrt wurde, bei Kriegsausbruch im April 1861 ein eigenes Regiment zu gründen; ihr Re­

krutierungsbüro wurde geschlossen, die US-Flagge eingeholt. Erst im Herbst 1862, als sich konföderierte Truppen Süd-Ohio näherten und die Einberufung aller verfügba­

ren M änner betrieben wurde, erinnerte man sich der ehemaligen Sklaven. Die Schwar­

zen - verständlicherweise inzwischen zögerlich - wurden in besonderen Verbänden un­

ter dem Kommando weißer Offiziere akzeptiert und für Verteidigungsmaßnahmen ein­

gesetzt. Im Nachhinein lobte Stallo die Rolle Stantons, der als Sklaverei-Gegner und strenger Unionist in den Grenzstaaten nach 1862 die Werbung für schwarze Regi­

menter durchgesetzt hatte.82 Damit schien der Status der Schwarzen als US-Bürger un­

termauert. Doch sobald sich die Lage entspannt hatte, wurde die Brigade der „free blacks“ aus Cincinnati wieder aufgelöst.

Noch im Juli 1862, als der Wirtschaftsabschwung auch die Stadt erreichte und kon­

föderierte Truppen in Richtung Cincinnati marschierten, revoltierten - nicht zum ersten Mal - dann sogar mehrheitlich irisch- und norddeutsch-stämmige Dockarbei­

ter gegen die Anwerbung schwarzer Arbeiter. Die wenigsten waren in den Krieg ge­

zogen, um die schwarzen Sklaven im Süden zu befreien und den schwarzen Nachbarn Freiheit und dazu den gleichen Lebensstandard einzuräumen, wie ihn die meisten Weißen besaßen. Die wenigsten dachten daran, nach einer geglückten Befreiung, die

Schwar-80 Die USA waren im Verlauf des 19. Jh „die dominierende Macht auf den Baumwollmärkten“ geworden und hatten sich „einen militärisch-baumwollwirtschaftlichen Komplex geschaffen“ (Beckert, S. 114 f).

81 Bei McCormack (S. 279, allerdings ohne Quellenangabe): „Stallo, telling the story several years af­

terward“. - Honeck verlegt den Besuch in den März 1862 (S. 101 f). Ford nennt den 25.03. (S. 104).

82 „In einem Staate, wo nur einige Dutzend Sklaven Musketen tragen, stirbt die Sklaverei den Tod des Schreckens. Das begriff der Grobian im Kriegsministerium. Darum wird auch der Name Edwin M.

Stanton, wenn auch in grober, unverschnörkelter so doch in flammender Fraktur im Buch der Ge­

schichte stehen“ (1865, Reden Nr. 10, S. 225 Anm.).

Johann Bernard Stallo (1823-1900) _ 117

zen in die Gesellschaft zu integrieren; man wollte vorrangig die Rebellion der Skla­

venhalter gegen die Union beenden.83

Zw ar war durch Lincolns Emanzipationserklärung für die vier Millionen schwar­

zen Sklaven vom 22. September 1862 und durch den unter seiner Präsidentschaft im Dezember 1865 erlassenen 13. Zusatz zur Verfassung der Sklavenstatus der Schwar­

zen aufgehoben und die Sklaverei auf dem Territorium der USA für abgeschafft er­

klärt.84 Das war für die Schwarzen ein Wendepunkt - auf dem Papier; denn sie waren jetzt zwar die „neuen“ Staatsbürger, aber sie blieben doch Bürger zweiter Klasse, de­

nen die wirkliche Teilhabe am politischen und vor allem am sozialen und wirtschaft­

lichen Leben versagt blieb. Bezeichnenderweise hatte auch für Präsident Lincoln w äh­

rend seiner ganzen Amtszeit der Erhalt der Union in der Prioritätenliste unzweifelhaft ganz oben gestanden; der Bürgerkrieg war erst in zweiter Linie ein Befreiungskrieg für vier Millionen Schwarze.

Für viele Deutschstämmige blieb der Kampf gegen die - für illegal erklärte, aber nur formal überwundene - Sklaverei im Süden nach dem Bürgerkrieg aber ein zentrales Anliegen, das gerade in den Reihen der öffentlichkeitsbewußten Achtundvierziger mit ihren Erfahrungen aus den europäischen Revolutionen vorrangig blieb. Auch Stallo beteiligte sich an der Diskussion. Er ließ im September 1865 seine Stellungnahme un­

ter dem Titel „Votum über die Negerstimmrechts-Frage. Aus einem Briefe an Dr. S.“

in die Deutsch-Amerikanischen Monatshefte einrücken.8d Es war die Antwort auf ei­

nen Aufsatz in Caspar Butz’ Zeitschrift, den Wilhelm Schmöle eingesandt und in dem er gegen das Stimmrecht für die Schwarzen Stellung bezog hatte.

Stallo wies sowohl auf die Brisanz sowie auf die Aktualität dieser Frage86 hin; zu­

dem betonte er in der Einleitung selbstironisch seine Nichtzuständigkeit.87 Und doch wollte er sich dieser Frage ausführlich, tiefschürfend, engagiert widmen; das geschah denn mitunter in launigem Ton. Zur Erklärung seines Standpunktes gedachte er weder das Staatsrecht noch die Menschenrechte heranzuziehen und zu untersuchen; Stallo wollte statt dessen die Frage nach der Macht stellen, die aus seiner Sicht in Staat und Gesellschaft die Weichen stellt. Für ihn stand fest: Die vier Millionen Neger, die in eini­

gen Staaten des Südens die Mehrheit stellten, waren ein Teil von Staat und Gesellschaft.

83 „Dabei machte sich in vielen Staaten innerhalb der republikanischen Partei der Unfug der Temperenz­

lerei, des Sonntagszwanges u.s.w. breit. So kam es denn, daß die Bedeutung der Sklavenfrage einem gro­

ßen Theil des Volks gar nicht zum eigentlichen Bewußtsein kam“ (1876, Reden Nr. 18.3, S. 389).

84 Ingersoll hatte 1864 in seiner Abhandlung „Progress“ (Bd. 4, S. 423-476) die USA als „the greatest slave­

holding power in the civilized world“ (S. 469) bezeichnet und geurteilt: „slavery either of body or mind is barbarism“ (S. 474). I. war der Meinung, dass die Regierung in ihren Anstrengungen unbedingt wei­

ter gehen musste „to give liberty to all“. 1867 rief I. in seiner „Address to the colored people“ (Bd. 9, S. 5-17) dazu auf, die erlangte Freiheit zum Nutzen ihrer Rasse und der Union einzusetzen.

85 Reden Nr. 10, S. 211-231.

86 „(...) über die in jeder Zeitung, auf jeder Tribüne, an jedem Biertisch im höchsten Paroxysmus der Parteileidenschaft verhandelt wird, und die gar keine wissenschaftliche, sondern einfach - eine Le­

bensfrage ist“ (S. 213).

87 „Ich verstehe mich nicht auf die Staatsweisheit und übe keine Staatskunst. (...) Mir fehlt zur Beant­

wortung Ihrer Frage alle Kompetenz. Abgesehen jedoch von diesem Mangel an Befugniß, habe ich einen großen Schrecken vor der mir zugemutheten Erörterung. Die Negerstimmrechts-Frage ist eine sogenannte brennende Frage. Brennende Fragen aber sind allen ächten und ehrlichen Deutschen ein Greuel. (...) Ein so potenzirter Germane kann sich unmöglich für das interessiren, was ihn selbst und die Angelegenheiten der Gegenwart betrifft“ (S. 211 f). - Als eigentlich zuständig für derartige „po­

litische Dinge“ verwies JBS auf Personen wie Becker, Preetorius, Raster, Schurz und am Ende des Briefs noch auf Butz, Hering, Kapp und Tiedemann.

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Als undurchführbar und gegen die Naturgesetze gerichtet verwarf Stallo eingangs eine im Gouverneurswahlkampf seines Heimatstaates vom republikanischen Kandi­

daten Cox geäußerte Überlegung; dieser hatte noch vor einer Einführung des Stimm­

rechts für die Schwarzen „von Staatswegen eine gewaltsame und künstliche Trennung der Rassen“ vorgeschlagen, um Staaten mit ganz weißer oder farbiger Bevölkerung zu bekommen.

Die große Zahl der Schwarzen weiter im Stand der Sklaverei und Rechtlosigkeit zu belassen88, war jedoch in Stallos Augen ebenso abwegig wie das Bestreben, sie wegen angeblich fehlender Intelligenz oder vorenthaltener Bildung vom Wahlrecht ausschlie­

ßen, weiter entmündigt und von politischer Betätigung fern halten zu wollen. Insofern war für ihn das Wahlrecht89 für alle, unabhängig von Hautfarbe, Religion, Bildungs­

stand oder Herkunft, ein Gebot „des inneren sozialen und politischen Friedens“ in den gesamten USA. N ur durch Abstimmung als „Ausdruck des Willens, der die Macht hin­

ter sich h a t“, ließ sich eine durchsetzungsfähige Mehrheitsposition herstellen.

Ein halbes Jahr nach dem Ende des Bürgerkrieges war Stallo überzeugt, dass die Sklavenhalter90, denen „die absolute Rechtlosigkeit des Negers heiliges Dogma ist“, die Sklaverei - selbst wenn sie sie anders nennen müssten - wieder einführen würden, sobald in ihren Staaten die Besatzung endete. Freiheit jedoch war seiner Auffassung nach unteilbar.91 Dies ergab sich schon aus der Verpflichtung für die vielen Toten, die im gerade zu Ende gegangenen Krieg für diese Freiheit mit ihrem Leben bezahlt hat­

ten. Daher seien nicht die permanente militärische Besetzung, sondern „eine Reorga­

nisation der Südstaaten a u f breitester Volksbasis, also mit Einschluss aller Bürger, ohne Unterschied der Farbe“ vordringlich, um das Gleichgewicht im Gesamtstaat zu stabi­

lisieren. Das erfordere eine Rückkehr zur Selbstregierung; die sei jedoch ohne die Ver­

leihung des Stimmrechts auch an die Schwarzen nicht erreichbar.

Von seinem Briefpartner verabschiedete sich Stallo in der Überzeugung, Schmöle nicht überzeugt und anders argumentierende Deutschamerikaner mit seinem Stand­

punkt enttäuscht zu haben.92 Stallo lud ihn in einer launigen Schlussvolte ein, in

sei-88 „Es ist Wahnsinn, die Sklaverei aufzuhehen und dem Freigelassenen die gewöhnlichen Rechte eines Bür­

gers vorzuenthalten; ein sogenanntes soziales Recht ohne die Garantie einer entsprechenden, politischen Macht ist (...) ein scheußliches, weder von Göttern noch Menschen zu fassendes Unding“ (S. 222).

89 „Unsere Wahl und Entscheidung liegt nicht zwischen dem Stimmrecht der Weißen und dem der Ne­

ger ; die Alternative liegt zwischen der Ausübung des Negerstimmrechts, entweder mit dem Stimm­

zettel. oder mit dem Dolch und der Brandfackel“ (S. 221).

90 „Der südliche Sklavenkodex ist ein Denkmal des praktischen Verstandes der Sklavenhalter; die Ver­

bote aller Erziehung und Entwicklung der Intelligenz bei den Sklaven (...) waren unerläßliche Ga­

rantien des Fortbestandes der Sklaverei“ (S. 223).

91 „Es giebt keine dauernde halbe Freiheit. Die halbe Freiheit verwandelt sich vor unseren Augen in die ganze Sklaverei. Es giebt Leute, sogar im Norden, welche einsichtig und freimüthig genug sind, die eben gezogenen Konsequenzen einer bleibenden Entmündigung der Neger anzuerkennen, und trotz­

dem eine solche Entmündigung befürworten. Ich habe keine Lust, mich mit diesen Leuten darüber zu streiten, ob ein solch’ perfides, hinterlistiges Wiedereinschmuggeln eines Instituts, für dessen Ab­

schaffung wir soeben den Preis einer Million Menschenleben und der zur Abtragung der dabei kon- trahirten Schuld zu verausgabenden halben Arbeit vielleicht zweier Generationen gezahlt haben, sich von ethischen und politischen Standpunkten aus rechtfertigen lasse“ (S. 224).

92 „Daraus, daß der Neger ein (etwas dunkel ausgefallenes, wie es bei Photographien wohl vorkommt) ,Ebenbild Gottes’ ist, oder aus dem Prinzip der allgemeinen ,Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit’

mögen sich vielerlei Rechte für ihn ableiten lassen; ich habe mit derlei Deduktionen nie zurecht

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