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Zweites Kapitet

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Ron?, den 4. Januar.

Guteu Tag Schreiberhaus!

Es ist ja unter braven, danischen Genossen eine gnte Sitte seine Eindriicke von hier, von „den heiligen Hallen der Kunst" nach Hause zu schreiben. Da Du mich nnn ganz besonders dazu aufgefordert hast, und es geråde ein ganz niedertrachtiges Wetter ist, und ich heute wirklich zu eiuer friedlicheu Be-schaftignng aufgelegt bin, ergreife ich das mir etwas ungewohnte Werkzeug — das eine Feder genannt wird — um Deinem Wnnsche nachzukommen.

Ubrigens warst Du ja auch aufrichtig genug, Dir

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jeden lyrischen Ansbrnch von Kunst- und Natnrbe-geisteruug zu verbitteu, wahreud Du dagegen „zu-verlassige Schilderuugen nber Personen und Ver-haltnisse wnnschst, die Du bei Gelegeuheit benntzen kannst."

Sehr gut! Jch verstehe Dich, Du alter Luchs!

Haue uur zu? Du hattest Dir aber, — was Dich doch uicht ebeu zu wnndern brancht, — die Mnhe dieses Vorbehalts sparen konnen. Eigentlich lassen sich meine Knnsteindriicke von hier in die Worte zu-sammen fassen, die neulich einem ehrlichen Schweden im Vatieau entsuhreu. Er sagte uamlich, als er vor einer Renaissaneegruppe, drei uackteu Franen-zimniern, stand, — anstandshalber Bachantinnen ge-nannt, — „nxis zum Tensel siud das fur Scharteken!"

Jch hatte die grotzte Lnst den Mann zu umarmen. Mit diesem Ansruf offeubarte er mir eine wahrere und frischere Auschauuug als alle Laien des Schouheits-kultus zusammen. Es thut Einem doch ordentlich wohl, einmal die Stimme der Wahrheit zu

ver-nehmen, wenn sie auch von einem rotnasigen Schweden komnit.

Denn wo man hintritt, watet man in Ab-gotterei! Nenlich fiel mir ein, welche Vorstelluug wohl die Nachwelt von uusereu Vorfahren erhalten wurde, wenn es eines Tages plotzlich dem Herrgott eiusiele, alle Produkte des menschlichen Geistes, autzer der Kunst, wegzueskamotieren, so datz es nnr moglich ivare sich dnrch die tanzenden Gottiunen, badenden Nympheu, koketten V^adonnen und nackten Iunglinge, — Diskuswerfer — und ahnliches, das von jeher Gegenstaud hysterischer Anbetnng gewesen, eine vorstellnng zu bilden. Hier kann man hunderte von Salen dnrchwaudeln, ohne em einziges Zeug-nis vom Leben und Leiden der breiteren Schichten, oder vom Freiheitskampfe des menschlichen Geistes, mit anderen Morten, von der Beweguug der Massen, die das Weltrad im Rollen halten, und seine ur-spruugliche Triebkrast sind, zu finden. Wenn es hoch kommt, wird nns irgend ein Hirten-Jdyll aus

Pontoppidan. Nachtwacb«. ^

dem bnrgerlichen ^eben oder eine Wirtvhausseeue vorgesuhrt. sonst nur lauter Ammeumarcheu und himmlische Ofsenbarnngen, Natureutzuckungeu und liederliche Tranmereien. Nur ein paar der

aller-altesten, christlichen Maler haben in ihren unbe-holfenen Darstellungen aus der Leidensgeschichte Christi echte Indignation uber die Verknmmernng der Wahrheit anf Erden ansgedruckt, und die Kunst dadurch geheiligt, sie mit vollem Bewuhtsein agita-torisch zu benntzen, ganz wie es hent zu Tage unsere heranbrechende sociale Kuust thut.

Jch merke aber, datz ich doch dazu gekommen bin. frei von der Leber zu sprecheu. Also Punktum!

und zur Sache! — Um mit dem Anfang zu be-ginnen: man sagt, dah ungewohnlich viele Skandi-navier diesen Winter im „Wnnderlande" sind. Ein Zeichen der Zeit, - verstehst Du! Die Karawane hier in Rom besteht aus dreihig wohl dressierteu Tieren, die sich zwei Mal taglich in einem Wirts-hans, bitte tausend Mal um Verzeihung, „Trattoria ^

absnttern lassen, in den Ruinen der Bader Diokletians, ein widerliches altes Geriimpel, das ehrfurchtsvoll wie ein Heiligtum erhalten wird.

obwohl es einen nngeheneren Ranm mitten in der Stadt wegnimmt, wo ein freier Platz oder eine andere nntzliche biirgerliche Eiurichtung das Natur-lichste ware. In diesem alten Rattennest halt ein gewisser Signor Franzesko eine schmutzige Schenke, halb Pserdestall, halb Kellergewolbe, sie ist in einem der alten Baderaume etablirt und hat Mauern drei Mal so dick wie die eines Backosens. Natiirlich haben geråde dieser malerischen Ausstattung wegen,

„die gemiitlichen Seehunde", wie die Gesellschast sich mit riihinlicher Selbsterkenntnis getaust hat, diesen Ort sur ihre Versammlungen gewahlt; nach alter Romsahrerart begeben sie sich hier in „kunst-lerischer Freiheit und Lebenssreude" mitten nnter das Volk.

llbrigens besteht die Menagerie dieses Jahr uberwiegend aus danischen Exemplaren, so wie auch

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die Nolle des Lowen einem Landsmanne zugefallen ist, dem Obergerichtsrat Hoskjar namlich, der mit einer aufgeblasenen Affin zusammen, die er seine Frau nennt, in feierlichen Momenten sein Weib, den Mittelpunkt der skandinavischen Gesellschaft bildet. Selbiger Gerichtsrat ist ein truffelgemasteter Gemutsmensch von 250 Pfnnd, mit einer dem entsprechenden vergnugten Lebensanschannng. Er behauptet immer mit uuvergleichlicher Selbstgefallig-keit, ein Feind aller Unznfriedenheit zu sein und fur sein Leben die Norgler nicht ausstehen zu konnen.

Er steht auf der Steuerliste mit einem Einkommen von 30,000 Kronen und kann es nicht in seinen vierec^i^en Ko^>f !rieZen, Marnm in aller ^elt fich die Menschen beklagen, und halt es mit seinem Fettwamst fur seine Aufgabe uberall als ledender Protest gegen das Reformfieber und die krankhafte Unzufriedenheit uuserer Zeit aufzutreten. Es wundert mich deshalb nicht. dah er wahrend der letzten Zeit

„der Mann der Situation" geworden ist, denn von

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allen Seiten schreien sie ja, und immer nachdruck-licher, nach uberlegeueu, idealveranlagten Mannem, deren sie so sehr bedurseu.

Hier in Rom wird schon davon geslustert, da^

man an allerhochster Stelle ans seine Qualisi kationen aufmerksam geworden ist. Nnn, warnm nicht gar?

Jetzt wird doch allen „gemutlichen Seehnnden" die goldene Zeit bluhen, nnd kunstig werden die Quali-sikatioueu uur noch uach dem Fett gemessen! Bravo!

Dann ist auch uoch sur den dicken Backermeister

„Darum" Hossnung!

Die ubrige Gesellschast besteht wie gewohulich aus einem bunten Gemisch enthusiastischer Herren und Damen, die hierher gekommen sind, nm ihre Ideale uuter dem blaueu Himmel des Sudens zu luften. In erster Reihe kommen selbstverstandlich die Reprasentanten der schonen Kunste, die sich hier sur kultusmiuisterielleu Mammon aushalteu. um

„die grosze Kunst" wieder zu gebaren. Jch uenne nur Adonis-Petersen <^der vorlausig, was seiu

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Auheres betrifft, ein ganzer Rafael geworden ist) Ludwig Hegger und deu grohen Norweger, den Bild-hauer Karl Christian Honorins Krack, der mich schon drei Mal mit seinen Entrustnngsblicken ver-nichtet, und offen ausgesprochen hat, dah ich Rom durch meine Anwesenheit entheilige. Datz Dein Kollege, der Dichter Folehave auch hier ist, weiht Du gewih. Er sindet sturmischen Veifall, besonders nnter den Damen, weil er ihnen bei der geringsten Veranlassnng rotgebnndene Exemplare seines „Ahas-verus," „Richard Lowenherz." „Robesperre" und wie sie alle heihen, uberreicht, diese geschickt be-arbeiteten Anszuge aus Kofods Weltgeschichte. die ihn zum erklarten Dichterhelden des Tages gemacht haben.

Ubrigens das muh ich zugeben, er ift durch das Gliick nicht ubermutig geworden. Niemals in meinem Le^en halie ich etwas weniger Heraus-forderndes gesehen, als diese scheue Erscheinung. die von dem ewigen Katzenbnckeln beinahe einen

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krummen Rncken behalten hat; vor Angst anzu-stohen, wagt er kaum durch das Zimmer zu gehen, lispelt fortwahrend: „Bitte nm Verzeihnng!"' —

„Tausend Dank!" — „Um Gottes Willen, meinet-lvegen keine Umstande!" — kurz — besitzt jene

fordernde Bengsamkeit und nicht abzuschnttelnde Hoflichkeit, die von jeher znr Anfnahme in unsern dainschen Parnay geråde so erforderlich, wie Talent und Charakter gewesen ist.

Aber was soll ich Dir noch erzahlen? — Der Weihnachtsabend wnrde natnrlich im „Verein" nach gut alt — nordischer Sitte gefeiert, mit dickem Reis und fettem Braten. Nachher ein gemntliches Tcinz-chen um den Reisigbesen, den wir mit dem Namen Weihnachtsbanm verherrlichen- spater Psalmengesang und Sodamasser! Schlichlich holte sich der Oberge-richtsrat eine verrenkte Zehe, als er vor lauter Weih-nachtssrende auf der Treppe stolperte. U brigens ist es mir uumoglich, Dir eingehender von den Thaten uuserer Landslente hier zu berichten, denn

wie Du Dir schou denken kannst, treffe ich sie nur ganz ausuahmsweise, und lvenn es geschieht, wunsche ich sie gewohnlich in's Pfefferland.

Doch darfst Du und andere Gleichgesinnte hieraus uicht schliehen, datz ich den brumnienden Baren spiele. Nein, das wunsche ich auch uicht alls eiuem bestimmten Grunde und aus Rucksicht auf eiue bestimmte Person — Du verstehst? Gewitz vermisse ich oft meiue Arbeit, und kann uber die mir aufgezwuugene Ruhe mituuter ganz verdriehlich werden. Andererseits habe ich aber doch die Eut-deckung gemacht, datz es keiue absolute Luge ist, weun man die Ehe als eine ganz vortreffliche Institution lobt. Vielleicht ist sie die einzige, die geschont werden muH, wenn mal das grohe Rasirmesser in Thatigkeit gesetzt wird. Die losen Verhaltnisse taugen doch nichts — sie ver-pfuschen den Charakter, und man verbummelt seiue Zeit und seine Kraft durch das ewige Rennen und Jagen auf den Strahen und in den Nachtkasfees

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uach neueu Vogelu. Schreibe Dir dies hinter die Ohren, Du alter Kueipen- und Variete-Sklave! In mehr als einer Bedeutnng ist dem Manne sein Heim „kis — Das nuch nian eben selbst

erfahren.

Uber die Verhaltnisse dahenn, mag ich nicht sprechen. Sobald ich nur etwas davon hore oder die Zeitungen lese, werde ich ganz rasend. Meine jetzige Unthatigkeit, die auch bald ein Ende haben soll, — hier fluche ich — kommt mir dann doppelt peinlich vor. Ehe Jhr Ench's oerseht bin ich wieder da. Potztausend! Man mu^ doch etwas thnn konnen, um den Absall und andere Niedertrachtig-keiten daheim aufzuhalten. Selbst ein halbtotes Schwein kann man zum Schreien bringen!

Datz Sahlmann am Neujahrstage Ritter ge-worden ist, habe ich gelesen. Er verdient es der feige grotzsprecherische Hund! Jedesmal wenn ich an ihn und die iibrigen Uberlaufer deuke, habe ich die groHte Lust ihnen mit der Faust ius Gesicht zu

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schlagen. Jetzt ist's aber genug! Du bist gewiH auch meines ewigen Geschreibsels mude. Gri'He mir den „5)alt's Maul" und sage ihm - Dank fur seinen Brief, auch Rasmus und die ubngen Treuen des „Klumpens . . . Wenn sie nach mir fragen dann sage ihnen — wie schon erwahnt — da^ ich bald zuruckkehre. Dah Drehling hier uuten erwischt wnrde. weiht Du doch? Ubrigeus habe ich ihu uoch nicht gesprochen, da er fchon ein paar Tage nach meiner Anknnft abreiste, aber er sah mir so komisch mottenfratzig ans. Ich furchte, die Romantik hat auch ihn angesteckt! Ich werde ihn ernstlich vor-nehmen, wenn er zuruckkommt.

Halt! — Noch eins! Hinter dem Schrank in meiner alten Klanse, steht nnter anderem mein Bild

— das Fabrikmadcheu, das von einem Polizisten zur Wache geschleppt wird, wahrend ihr zwei Patent-affen mit lackierten Schnabelschuhen auf dem Trottoir nachgrinsen. Konntest Du es schnell einrahmen und an irgend einen liberalen Bnttergrossisten zu

verkaufeu suchen? Sonst stelle es bei Bleisett in der Groben Stråle aus. Geld — nimm soviel Du uur kriegen kannst; schicke die Halfte der Manrer-strike-Kasse, den Rest hebe ans bis ich kounne.

Handschlag.

Dein Jorgen Hallager.

Das neue Jahr sing trube an. Wahrend des ganzen Januars verhiillte die ewige Stadt — gleich einer tranernden Witwe — ihre Schonheiten in einen Schleier von Nebel und Regen — ja eines Tages wurden sogar die enttauschteu Nordlander durch einen Schneesturiu uberrascht, was sie um so mehr iirgerte, als ihnen von Danemark aus ge-schrieben wnrde^ dasz man sich dort eines unlden, sruhlingsahulicheu Wetters erfreute. Erst Nufaug Februar kam die Sonne in ihrer vollen Pracht lvieder znm Vorschein, und da es gleichzeitig Boll-mond war, verabredeteu die Skandinavier eines Tages beim Fruhstuck bei Siguor Franzesko —

Abends nach Ponte Molle zn wallfahrten, nm in einer der so oft besungenen Kunstler-Trattorien in den dortigen Garten nach alter Tradition den Fruhling durch ein Symposion unter freiem Himmel zu feiern. Es wurde sofort zu allen abwesenden

„Seehunden" geschickt, und der Etatsrat Branth, der mit Eifer jede Gelegenheit ergriff, seine Tochter zu besnchen — bot sich sofort an, die Jungver-heirateten in der Bia Purisikatione zur Theilnahme aufzufordern.

Die Glocken lauteten geråde vier Nhr, als er mit angstlich klopfenden Herzen die vielen Treppen hinaufstieg, um die kleine Wohnung unter dem Dach zu erreichen, wo er auf seiu von der kleinen Anunciata eingelassen wurde. Als ein Blick auf den Kleid erstand er im Corridor ihm zeigte, das;

Jorgen nicht zu Hause war, erhellte sich sein Gesicht und mit vergnngtem Lacheln trat er in das Zimmer, wo Ursula mit einer Stickerei in ihrem Lehnsessel am Fenster sa^. Der Etatsrat stellte seinen

Seiden-— 7? Seiden-—

hut auf den Tisch, warf seine Handschnhe hinein, trat zu der Tochter und kuhte sie auf die Stirne.

„Und hier hockt die Gnadige zwischen den vier Wanden bei so schonem Wetter! Jst der Herr Gemahl nicht zu Hanse?"

„Nein — ich erwarte ihn aber jeden Augen-blick. Setz dich doch lieber Papa!"

„Hm! Danke, nein danke! ich habe hente keine Zeit, ich wollte nnr auf einen Angen-blick vorkommen," sagte er, und griff wieder uach seinem Hut. „Eigentlich mu^ ich sofort gehen. Ich habe heute wirklich eiue ganze Menge zu besorgen. Dein Mann ist wahkscheinlich seine Cigarre raucheu gegaugen?"

„Nein, er ist schon seit heute Morgen mit seinem Malkasteu fort!"

Der Etatsrat drehte sich wieder zu Ursula um und sah sie mit grotzen Angen an.

„Dein Mann? — ansgegangen um zu malen?"

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„Ja, warum denn nicht? Das Wetter ist doch heute so schon!"

Der Ausdruck des kleinen Herrn war einen Angenblick wie versteinert — „bah", sagte er dann zu sich selber, indem er seinen eigenen Gedanken-gang unterbrach: lvahrscheinlich ein interessanter Dungerhansen, den er ansgestobert hat, oder ein versosfener Dienstmann oder vielleicht ein Fleischer-laden!

„Jch vergesse aber ganz, warum ich gekornmen bin," fnhr er lånt fort, „also wir haben verabredet hente Abend nach Ponte Molle zu fahren, es ist Vollmond... und Du erinnerst Dich vielleicht, dah ich Dir von der hnbschen Sitte erzahlt habe, welche die Kunstler seiner Zeit hier einsnhrten? Es sind jetzt schon dreihig Jahre her, als ich mit Ernst Meyer, Constantin Hansen und — aber nein, das wird heute zu weitlaufig. zu erzahlen.

Also, ich wollte nur fragen, ob Jhr auch mit dabei seid?"

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„Oh, das ware herrlich! Wo treffen wir uus?"

„Bei Franzesko so gegeu acht Uhr, und von dort fahreu wir in Droschken hinaus. Wurde es Ench passen?"

„Jch denke doch! Aber willst Du nicht warten bis Jorgeu kommt, dann kvnnen wir gleich fest ver-abreden. Er nuch sofort hier sein!"

„Nein, ich mntz jetzt fort, habe gar keine Minnte zn verlieren. Ndien, mein Kind," sagte er, fatzte sie zartlich nm das Kinn und hob ihren Kopf in die Hohe. „Geht's Dir auch ganz gut? — bist auch recht oerguugt? Mir scheint, inan sieht in der letzten Zeit etwas gedruckt aus?"

„Nicht, dcch ich es wuhte," autwortete Ursala und errotete. „Bielleicht kommt es dnrch den schlimmen Siroeco, den wir jetzt so lange gehabt haben. Jch fiihle mich ganz wohl."

„Ja ja, der liebe Gott sei mit Dir, mein liebes Kind!"

Er knhte sie wieder ganz bewegt auf die Stim, strich uber ihr Ha ar, und giug still davon.

Ursula begleitete ihu bis zu der Treppe, wo sie, wie gewvhulich, uber das Gelander gelehnt steheu blieb, um ihm wahrend des Himlntersteigens zuzunicken. Sie hatte bemerkt, dasz diese Auf-nierksamkeit ihm wohl that, und dah es ihni form-lich nahe ging, wenn sie es einmal uuterlieh.

„Ad i en, adieu!" ries sie hiuuuter, als er einen Augenblick auf eiuem Abjatz steheu blieb, und ihr einen Handkuh zuwars.

Als sie wieder iu's Zimmer trat, sah sie, das;

er seine Handschuhe auf dem Tische liegeu gelasseu hatte.

„Ach, der liebe Papa!" sagte sie ganz laut und schuttelte traurig den Kops. „Jorgen hat wirklich Recht, er fangt in der That an alt zu werden.

Neulich vergatz er seiueu Stock, vorgestern sein Taschentnch, und jetzt — ach wie soll das enden?"

Mit einen Seufzer setzte sie sich in ihren Sessel

Mreeht und sing an ^u stic^eu. Vald oersiel sie wieder in die lichten Trauuiereien, aus welchen sie des Vaters Kommen geweckt hatte. Wahrend sie mit mechanischer Regelmafzigkeit die Nadel dnrch den Stramin steckte, lvaren ihre Gedanken in emsiger, rastloser Bewegung, ganz wie ein kleiner Vogel, der in dem Banme. wo er nistet, fortwahrend von Zweig zn Zweig hupst. Als sie an des Vaters Er-stannen dachte, wie sie ihm erzahlte, datz Jorgen auvgegangen war nm zn malen, nmspielte ein Lacheln ihre Lippen. Ja, sa, Du guter Papa, warte nur^ Du wirst Ersatz haben fur all die Sorgen und Angst, die Du meinetwegen aus-gestaudeu hast, nnr noch ein bischen Geduld!

Wi'chte sie nnr, wo Jorgen hingegangen war!

Wme er doch aus den Palatin gegangen, in die grotzen Kaiserburgruiuen, wo man ein so seierlich beangstigendes Gesnhl hatte, als ob man

„zwischen den oden Resten einer Werkstelle eines Gottes wandere" - wie Thorkild Drehling einmal

Pontovpidan, Nachtwache. g

dort oben gesagt hatte. Ja, was Groyes, was Ungewohnliches mnhte es sein, das ihn begeistern konute, er, der selbst so grch und uilgewohulich in allem Ivar — so machtig in seinen Leideuschafteu!!

— Oh. Du mein starker wilder Adler! Wie machtig.

wie stolz wird Dein Flug sein. wenn ^u erst die rechte Luft unter den Flugelu hast! Wie hoch — hoch — hoch, wirst Du steigen! weit nber alle Zann-schtupfer und Spatzen daheim, die sich hubsch auf den Dachern und warmen Misthansen anshalten! ?lch, wenn Du dann nnr nicht droben Dein kleines Haus-kuckeu vergiht, das hier im Neste sitzt und wartet und hofft, und Dir nicht folgen kann!

„Ob sie anch recht vergniigt sei?" Wie merk-wurdig der Uater das gesagt! Sollte mau lhr wirklich etwas ansehen konnen? Es war aber anch zu abscheulich mit dem ewigeu Regen und Nebel, der alles so trube machte! Sie konnte es doch gar-nicht Jiirgen verdenken, wenn er nngeduldig wurde, und sich nach Hause sehnte - er, der nicht einen

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Augenblick nnthatig sein konnte! Jetzt waren aber die bosen Tage vornber! Jetzt war sie glncklich, ganz, ganz glucklich!

Sie warf ihre Stickerei von sich und stand auf

— sie konnte vor Unrnhe und Sehnsncht nicht langer still sitzen. Jetzt mchte Jorgen doch bald da sein! Die Sonne war schon nntergegangen.

Nom Fenster ans sah sie den westlichen Himmel wie einen Weltbrand flammen, und dort unten lag die Stadt schon halb verhnllt in den riitlichen Abendwolken. Und sieh — drantzen uber der Campagna stieg langsam der Mond auf! — Nuu, es wird dir wohl schwer aus den Federn zu kommen, du alter Fanlpelz! Sieh mal zu, da§ du dich beeilen kannst! Und gieb dir rechte Muhe heut Abend hubsch und fein fur uns zu leuchten!

Sie stchr zusammeu — es klingelte drauhen im Corridor. Argerlich wandte sie sich nach der Thm. Da^ anch geråde jetzt Besuch kommen mchte! Wer es wohl sein konnte? Des Vaters

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Klingeln war es uicht. — Ah, nichts anderes, nur die Post!

Aununciata reichte ein kleines Packet durch die Thure.

„Die dummen Zeitungen!"

Sie steckte das Packet unter einige Bucher auf dem Schreibtisch. Heute durste nichts ihr Fest storen. Wie war es nnr? Nach Ponte Molle hatte der Vater gesagt! Ja, ja, herrlich, prachtig sollte das werden! Denn heute wiirde Jorgen gewiH mitsahren. Sie brauchteu ja auch uicht

Sie steckte das Packet unter einige Bucher auf dem Schreibtisch. Heute durste nichts ihr Fest storen. Wie war es nnr? Nach Ponte Molle hatte der Vater gesagt! Ja, ja, herrlich, prachtig sollte das werden! Denn heute wiirde Jorgen gewiH mitsahren. Sie brauchteu ja auch uicht

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