• Ingen resultater fundet

Wissenschaften, Kunste und Industrie in Petersburg

In document Digitaliseret af | Digitised by (Sider 142-147)

Frer das Wort, frer der Gedanke! Wackre Schrffer sind es schrer!

W ill nicht aus dem Meer die Sonne, segeln sre entgegen

ih r !

B ald dann flammt die Morgenrothe, und eS klingt in

ihrem Schein

Mehr als eine Memnonssaule hell durchs Land, und

v o ll, und rein !

Spazkergange eines W ien er poeten.

§ L r Leuchtthtirme an der Ostsee hat die Regierung treffiich gesorgt, und man weitz es ihr Dank, wenn man in schwarzer Sturmnacht auf den Wogen tanzt. Ob es um das geiftige Licht im Lande eben so gut stehe, zweifle ich. Man spricht daruber in Petersborg sehr wenig, viele wagen es nicht, den Mund recht aufzuthun, einkge malen das Bild aus Patrkotis- muS gar zu schbn, andere aus bitterm Widerwillen gegen alles Russische gar zu grell. Die Akademie der Wiffenschaf- ten soll thatig sein f2r Sprache und Erforschung des innern ' Ruhlands. Zhre Bibliothek belauft sich auf 300,000 Bande, doch schlLgt man die Bkchersummen hier wie ubcrall in Bausch und Bogen an, der Eine spricht und schreibt dem Andern nach, und niemand hat die Bande gezahlt. An orientalischen Handschriften besitzt die Bibliothek autzerordentlichen Reich- thum, doch håbe ich von den tangutischen, chinesischen und

mongolischen Buchern, deren Anzahl man auf 11,000 schatzt, glLicklicher Weise nichts gesehen. Von allem Sehen wird man am Ende doch schon vekwirrt genug. Chosrew Mirza uberbrachte dem Kaiser die schonsten persischen Handschriften zum Geschenk, und aus Erzerum und Bajazed sind viele der- gleichen Schatze nach Petersburg gekommen. Vor wenigen Monaten kamen noch 150 arabische Handschriften als ein Vermachtnitz des Nitters Ztalinski aus Nom an. S o ver- mehren sich die Kostbarkeiten von ^»ahr zu ^»ahr, sur den Orientaliften ift Petersburg ein wichtiger O rt, auch håbe ich nicht gehort, datz diese Sorte von Buchern der Censur unter- worfen ware, denn die Censoren verstehen sie nicht, und vom

Orient her sind liberale Grundsatze nicht zu frirchten.

Die petersburger Universitat soll 1819 gestiftet sein, allem sie ist keine u v i v e r s L i s s H w rsrnvi, denn es wer- den nicht a l l e Wiffenschaften gelehrt, sondern nur Medicin.

Die Zahl sammtlicher Studirenden belauft sich (im Sommer 1830) auf 177, sage ein hundert sieben und stebenzig. Welche Frequenz! Man hat das Institut am norddstlichsten Ende der Stadt angelegt, und seine uniformirten ZLglinge, S tu ­

denten genannt, dllrfen keine andere Bucher lesen und be- sihen als die aus ihre Studien bezuglichen, durfen die Stadt

nicht ohne schriftliche Erlaubnitz verlaffen, drlrfen nicht fur sich allein botanisiren, nicht Theater und Maskenballe besu- chen, und uber ihren Wandel wie uber die Vortrage der Lehrer herrscht die strengste Aufsicht. Ob man in Iena, Er- langen, Marburg oder anderwartS wohl Lust hat, sich daran

ein Exempel zu nehmen?

Um den Buchhandel steht es nicht besonders. Dre Ver­

faster von Brichern musten, statt Honorar zu empfangen, meistens einen Theil der Druckkosten selbst kragen. Wer aus- landische Werke ha*,en w ill, mutz lange warten, und den Buchhandlern einen willkrirlich angesetzten Preis bezahlen.

Schon in Kurland machen die Buchhandler ihre Rechnung nach Belieben. Man thut daher beffer, wenn man sich dirckt an eine deutsche Handlung wendet, wo man dann ftemch auch fur die Censur sorgen mutz. Viele Bucher sind

verbo-ten, und wenn sich einzclne Exemplare z. B . des Conver- sationslexicons, Stunden der Andacht u. a. m. einzuschlei- chen wiffen, so hindert doch das Verbot die allgemeine Ver- breitung. Ei n e russlsche Buchhandlung håbe ich absichtlich und nkcht ohne Muhe aufgesucht, sonft ift mir innerhalb funf Wochen keine zweite zufallig zu Gesicht gekommen, woraus zu schliesien, dasi Lhre Zahl nicht sehr grotz ift. I m grosien Kaufhofe finden sich unter mancherlei Buden auch russische Antiquare, welche ohne Kenntnitz von dem Werthe ihrer Waare nur nach dem Augenschein ein- und verkaufen.

Hat ein Buch unglucklicher Weise Titelkupfer, hubsches Papier yder guten Einband, so ift es ohne Frage sehr theuer. Den- noch ist das uutrimeutum 8p!ritu8, wie die Berliner Biblio- theksinschrift die Bsicher nennt, in Petersborg reichlich vor- handen, es fehlt nicht an grosien dffentlichen und Privat- bibliotheken, ihr Gebrauch aber if t , wie bei den herrlichen Kunstsammlungen, mit grosien Schwierigkeiten vcrbunden, und deshalb ihr wahrer Nutzen unbedeutend. Bucher, Geld und Gut finden sich in Rutzland ftets nur in Maffe bei­

sammen, der kkstliche Mittelftand fehlt, und das ist ein ubles Ding. I n dem unermesilichcn Neiche werden jahrlkch etwa dreihundert russische Bucher gedruckt, unter welchen viele Uebersetzungen. I n der russischen Literatur zeichnet sich Ka- ramsin als Geschichtschreiber aus, Glinka als Lyriker, Pusch- kin als dramatischer Dichter, Dmitrieff als Volksdichter, Kriloff als Fabeldichter. Schukoffski ift der russlsche Hdlty, Batjuschkoff ihr Tibull und Wiasemski ihr M artial. Um die russische Prosa soll es traurig stehen, doch wird Bulgarin sehr gelobt. Homers Ilia s ist neulich von Gneditsch metrisch ubersetzt.

Aecht wissenschaftlicher S inn kann da nicht zu Hause sein, wo die Erzkehung der hbhern Stande nur militairisch, und jcde hohe Stelle im Staate dem Epaulet zuganglich ist. Unterweisung der Iugend in nicht militairischen Dingen ift Nebensache, und die klassischen Sprachen des Alterthums werden schlecht kultivirt. Desto grosicre Sorgfalt wendet man aus Erlernung der franzdsischen, deutschen und englischcn

Sprache. DaS Gewerbe eines Hauslehrers, Utschitel genannt, wurde den Ruffen sehr verachtlich, weil fruher alleFranzosen und Deutsche, welche zu weiter nichts tauglich waren, ver- dorbene Kdche, Fechtmeifter und Friseure das Amt eines Ut- schitel langst bekleiden zu kbnnen glaubten. Nach einer mur­

ren Verordnung muffen diese Leute zuvor gepruft werden.

Meinen jungen Landsleuten mbchte ich Nusiland nicht gerade- zu alS eine Goldgrube empfehlen, obgleich ste dort im gluck- lichen Falle, besonders durch Musik und neuere Sprachen, in kurzer Zeit viel erwerben kbnnen. Dumme Auslcknder und grotze Gelehrte kommen in Rusiland glekch wenig fo rt; wer das 8nvoir vivrs besiht, und mit Gelehrsamkeit zu klimpern weitz, steht sich am besten. Vielen Deutsche« geht es in Rusi- land ausierlich sehr gut, sie haben sich in geistiger Beziehung ziemlich acclimatisirt, theure Verbindungen geknSpft, d»e Sehnsucht nach dem Vaterlande anfangs nicht gefllhlt, aber in spateren Iahren, wenn sie nun haben, wonach derIung- ling ringt, Amt und Ehre, Haus und Hos, Weib und Kind, dann erwacht doch nicht felten ein stilles Heimweh, aber nun ifts zu spat, sie konnen nicht von dannen zu uns herLber kommen.

Drum prufe, wer sich ewig bindet.

Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang'. —

Die kaiserlichcn Kadetteninstitute in Petersborg kenne ich nicht. Die deutschen Bllrgerschulen werden gelobt, die hbhern Bildungsanftalten sllr das weibliche Geschlecht dage­

gen sehr getadelt. I n den Pensionsanstalten blldet man dre jungen MLdchen zu Modedamen, denn die Lehrer wurden vergeblich gegen den Strom schwimmen. Das Tochterchen wird im elterlichen Hause mit Liebkosungen Lberhauft, aber lange kann man sie hier nicht behalten, sie musi, gern oder ungern, bald mbglichft in die Pension zuruck. Eme uncr- mlldliche Sorgfalt wandte die Kaiserin Mutter (Gemahlm PaulS) auf die Versorgung verlaffener Kinder. I n jeder Woche besuchte sie alle Institute, welche die Menschenl.ebe m Petersburg grundete, und wenn man nur das eme erfayrt,

datz die Kaiserin mit eigener Hånd Findelkinder auS scheutz- lich beschmuhten Windeln zog und wusch, so wrrd man

uver-zeugt fem, dasi ihre Wohlthatigkeit in etwas mehr als in vornehmer Prahlerei bestand. Ein schutzender Engel ist ste fSr Tausende geworden, welche ohne sie unfehlbar zu Grunde gingen. Allen Landesmssttern hat sie durch ihr Vorbild schwere Pflichten auferlegt. Die jeHkge Kaiserin tritt in die Futzstapfen der Selkgen, und unter ihrem Schutze bildete sich ein patriotischer Damenverein, welcher bis jetzt acht Schulen gestiftet und 164 arme Kinder darin aufgenom- men hat. Dem Verein bleibt vieles zu thun ubrkg, beson- ders aber ist bei der VerZnderlichkeit der russischen Grosien zu wSnschen, dasi die Barmherzigkeit nicht vorllber gchen- der Modeartikel und aus dem Exerzierplatz nicht ein Parade- platz werde.

Zu dem Departement der VolksauMrung zog mkch Name und Neugierde hin, aber die Strasie war durch Bau- gerllste gesperrt, man schien Ferien zu haben. Der nahe H of

des Irrenhauses war zwar osten, aber der Oberarzt nicht zu Hause. Aus dem Gebiete der Medicin ist mir nur ein Fall vorgekommen. Ein altlicher Mann befand sich nicht wohl, ging die Treppe hinauf zu ekner Apotheke, fiel auf der Treppe um und schien todt. Der Apotheker HLtte M ittel anwenden mdgen, auch waren zufallig Doktoren in der N<!he, allein das Gesetz befiehlt den Physikus zu holen, doch ehe dieser kam, war der Mann wirklich und auf immer todt. Der botanische Garten ift ganz im petersburger Zuschnitt d. h.

riesengrotz angelegt. Wenn man sich anderwLrts begnllgt, einer Species ein Beet einzuraumen, so sind hier statt deS einen zehn Beete neben einander, und in gleicher Flllle sindet man ost dieselbe Pstanze an mchren Orten des Gartens. Es scheint, als wolle man alle Apotheken Rusilands durch diesen Garten versorgen, und håbe deshalb Schonheit und wissen- schaftliches Interesse dem Nutzcn untergeordnet. Wegen des vorzugswcisen Anbaues der offizinellen Pflanzen wird er all- gemein nicht der botanische, sondern der Apothekergarten ge- nannt. Viele hohe B<iume schutzen den ausierordentlich uppigen Pflanzenwuchs gegen kalte Winde. Eine unendliche Menge

W o l t ma n n, Reise ic. 9

verschiedener Georginen und das vortrefstiche Farbenspiel deS gefSllten Mohns als Aierpfianzen auf den Rabatten fielen

^ ir auf. Die Treibhauser sind hier eben so entsetzlich groft wie bei den kaiserlichen Luftschlbssern. Alexander von Hum- boldt soll auf die Frage des Kaisers, was ihm in Peters­

borg besonders gefalle, unter drei Dingen den botanischen Garten als das zweite genannt habcn, und ein tkchtiger Botaniker hak mir spater versichert, dasi jcner Garten wirklich Vorzsgliches auch f6r die WiffenschafL keiste. Unangenehm ift, dasi, wo Natur und Wiffenschaft den Wanderer an- ziehen, uberall militLrische GrknrLcke aufgepfianzt sind.

Einer von ihnen fuhr mich auf gut russtsch an, und als ich ihm ruhig zu verftehen gab, dasi ich seiner Rede S inn nicht vernahme, so sprang er pldtzlich in eine grosie Zartlichkeit uder, reichte mir eine Blume und spekulirte

ohne Zweifcl auf ein Trinkgeld. 0 K v8, qnavSo is

In document Digitaliseret af | Digitised by (Sider 142-147)