• Ingen resultater fundet

Pktersburgs Palciste und LustschlLsser

In document Digitaliseret af | Digitised by (Sider 115-128)

WLlle finkett, feste Schlofler

Hat die Macht der Seit zerdruckt;

Keine Herrschermacht ist grotzer

AlS die, die daS Volt begluckt.

A r t h u r v o n A o r d s t e r n .

GrotzeS entspringt aus. Kleinem, der schwer bepanzerte Kro- kodill auS kleinem Ei, die Riesenpalaste Petersburgs aus dem hdlzernen Duodezpalaftchen oder dem Hauslein, welches Peter sich am rechken Ufer der Newa unfern der jetzigen Sommer- aartcnbrucke baute. Em kleines H aus, ein grotzer Gelst!

Wie ost lietze sich das W ort in Petersborg wohl umkehren?

Das Haus ift so niedrig, datz der auch von Gestalt grotze Peter beim Eintreten gewitz sich bucken mutzte, und datz die Fluth von 1824 beinahe das Dach erreichte. Der Erhaltung wegen hat man es in eine massive Kapsel gesteckt. I n emem der Zimmer wird das vom Zar eigenhandig gezimmerte Boot gezeigt. Ein darin liegendes Segeltuch nehmen Nelsende ftuct- wcise als Neliquie m it, allein es ift unverganglich nne der Dintensieck aus der W artburg, und der alte Invalide be- hauptet die Aechtheit der Lappen eben so aufrichtlg, wie er demuthig vor die Heiligenbilder tritt, bei denen viele Wachs-kerlen brennen.

Der Wint-rpalast, daS -ig-ntliche kaisnlich- R-fld-n,- schlotz an der N-wa, unt-r Elisabeth gcbant, -in langl.ch-s Pi-«ck, 4LU Futz lang, SRI li- f, 70 hoch, H-- -m

Erdgk-schotz, ein Hauptstockwerk, daruber ein Entresol, und wird von 4000 Menschen bewohnt. Das Gebaude imponirt durch majestatische GrLHe, nur ift es mit Zierrathen und Schndr- keleien uberladen, und macht deshalb keinen besonders gun- ftigen Lindruck. Die Menge der Schornsteine erinncrt an den kalten Norden. Ich zahlte deren von unserm Logis aus 87, aber gewisi eben so viele waren noch im Hintergrunde ver- steckt. M it dem Winterpalast steht die Eremitage durch einen bedeckten Gang in Verbindung, auch sind der Prachtzimmer und Kosibarkeiten so viele, daH ich nach mehrmaligem Be- schauen ganz verwirrt immer nur die Eremitage gesehen zu haben glaubte, obgleich ich auch im Winterpalast gewesen war. Die Eremitage war Erholungsort fkr Katharina I I . , wenn sie die Burde der Negierung in Augenblicken heiterer Mutze vergeffen wollte. Auch Kaiser Nikolaus soll mit ski­

ner Gemahlin gern hier weilen. FLr Rutzlands gekrdnte HHupter mag solch ein Schlotz Eremitage heisien, sonst konnte man es fuglich die kaiserliche Bildergallerke nennen. Sollte es indeffen nur ein Kunsttempel sein, dann ware der Glanz und die storenden Lichter zu tadeln, mehr Ordnung in den Schulen zu wunschen, und das kleine Naturalienkabinet ganz zu entfernen. Viele Gemalde hangen offenbar nicht wie Licht und Schatten, sondern wie gerade ihre Rahmen es verlang- ten. Von dem Gesehenen nenne ich Meniges. Eine reiche Sammlung von OriginalgeiMden des Claude Lorrain, unter denen die vier Tagszeiten. Vernets Tagszeiten und Mond- scheingemalde. Drei grosie Bauerngesellschaften von Tenier.

Die Zugend unsers Herrn vom Spanier Morillo. Die Kreuzesabnahme von Rembrandt. Die lesende Madonna von Leonardo da Vinci. Von Raphael, Durer und Kranach Meniges, desto mehr von Mengs, Titian, Rubens und Van­

dyk. I n der Gemaldcsammlung aus Malmaison, welche Alexander der Kaiserin Josephine abkaufte, ift mir die be- riihmte Kuh in der undelikaten Stellung nicht zu Gesicht ge- kommen. Endlich erwahne ich noch die Nachahmung der raphaelschen Logen im Vatikan, und den S aal des Winter- palaftes, welcher 360 Portraits russischer Generalc vom

7 *

Englander Dawe enthLlt. Die bbse W elt sagt, Dawe håbe viele Originale im Zn- und Auslande verkauft, und die hier befindlichen seien zum Theil Kopien seiner Schiller. Das grotze B ild Alexanders zu Pferde ift ganz vortreffiich und ohne Zweifcl des Meifters eignes Werk. Neun Zahre hat Dawe mit Anfertigung dieser Gemalde hingebracht. Viele reiche Ruffen beftellten sich Kopien aus dieser Gallerie, alle W elt wollte von Dawe gemalt sein, der Kunstler sammelte ungeheure Schatze und starb in England 1829. Die vor- treffliche Marmorbuste Alexanders giebt ein schbnes Zeugnitz von den Kunsttalenten — nicht der Russen, sondern des Rus­

sen, der sie verfertigte; denn Einzelnes zeugt nur vom Ein- zelnen, sonst mutzten in Kdnigsberg lauter Kante und in Frankfurt lauter Gbthe's geboren werden. Awei grotze Vasen

von schwedischem, zwei von sibirischem Porphyr, alle rdthlich mit weitzen Punkten, letztere grobkdrniger als erftere. Sechs blaugrun geftreifte Iaspissaulen, ungefahr zehn Futz hoch, die grotzten der Welt von unschatzbarem Werthe. Autzer vie­

len kostbaren Vasen eine ovale von sibirischem Marmor, welche kaum von vier Menschen umarmt wird. Die Glas- und Porzellanmanufaktur uberreicht dem Kaiser jahrlich Pro­

ben ihrer Arbeit, unter denen Vasen von vier bis sechs Fuh Hobe, in Nucksicht der Malere! und Schleiferei den besten auslLndischen Arbeiten nicht nachstehen. Die Prlvatbibllo- theken Alcranders, der Katharina, Didcrots, des Abbe Ga- aliani und Voltaire's mit deffen Statue sind ehrenwerthe Reliquien. Unter den Salen des Winterpalastes steht der Georgensaal oben an. Er ift der erfte in Nutzland, denn hier ift der erhabene Kaiserthron, deffen Stuffen leder mrt allen Gefuhlen der Ehrfurcht vor menschlicher Majeftat beruhrt.

Funfzig Millionen Menschen vcrgietzen Schwertz und B lu t fllr den Glanz dieses Thrones, und nennen den Selbstherr- scher aller Neuffen ihren Vater und seine Gemahlin rhr^

Mutter. Ach, das Herz dieses Vaters und dieser Mutter tft groff aenug, die Millionen mit Liebe zu umfassen, wenn nur das Herz der llbrigen Grogen nicht ost so klein ware!

Alexanders kindliche Liebe lietz seiner theuren Mutter mehre

Zimmcr iin neueften Geschmack, unbeschreiblich einfach, ge- diegen und kostbar einrichten. Die geliebte Landesmutkcr hat sie bewohnt, aber nur vier Wochen lang vor ihrer Reise in Nustlands sudliche Gefilde und zu des Himmels friedevoller Heimath. Merkwurdig ist noch der im dritten Stock der Eremitage befindliche groste Garten, mit Buschwerk, Oran- gerie und starken Birken besetzt, dercn Spitzen hoch uber das Dach hinaus ragen. Eintrittskarten fur diesen Doppelpalast sind nicht schwer zu erlangen, und kosten wie alle dergleichen Karten in Petersborg, kein Geld, aber ein sehr fuhlbarer lln - tcrschied ist es, ob man im schlichten Rock mit bloster Karte, oder mit Epaulets, oder gar in Gesellschaft eines hohen Staatsmannes die Sale betritt. I m letzten Fall steht das Heer von Aufpaffern jedes Winks gewartig, alle Schahe und Kostbarkeiten thun sich auf, es offnet sich die reiche Dakty-

liothek und man erhalt uber alles die bereitwilligste und frcundlichste Belehrung. Man braucht nicht Kenner zu sein, um sich von dem unschatzbaren Werthe der geschnittenen Steine zu uberzeugen. Hier fieht man Meisterwerke in Jaspis, Karneol, Blutstein, TopaS, Smaragd, Diam ant, welche aus vielen Sammlungen, namentlich aus den rdmischen Pa- lasten Barberini und Stozzi hieher kamen, der vortrefsiichen neueren Abguffe nicht zu gedenken. Die Grundlage dieser Gcmmensammlung ist die Sammlung des Schwaben Nattcr.

Dieser Wiederhersteller seiner Kunst hielt sich lange in Italien, Frankreich, England auf und ftarb 1763 in Petersborg, wo auch der zweite Theil feines Werks uber Steinschneidekunst handschriftlich bewahrt wird, deffen ersten Theil er in Lon­

don heraus gab, das Exemplar mit zwei Guineen verkaufte und als er nicht Absatz genug fand, die meisten Exemplars

verbrannte.

Von dem Marmorpalaste weist ich nur, dast Katharina ihn dem Fursten Orlow erbauen liest, das untere Stockwerk von Gramt, die obern von dunkelfarbigem Marmor sind, und im Innern sich durchaus kein Holz finden soll. Das kleine Marmorpalais zu Potsdam ift mit diesem grostcn und austcrst kostbaren Gcbaude kaum zu vergleichcn, allcin jenes

sieht wenigstens freundlicher aus als dieses. Das Innere des Palastes håbe ich nicht gesehen, entweder weil sein damaliger Besitzer Grosifurst Konstantin, ihn verschloffen hielt, oder weil das dustere Gebaude mich nicht anlockte, oder weil ich mich vor dem Beschauen der Palaste furchte und herzlich froh bin, wenn's uberstanden ist. Warum ich mich davor furchte? — W eil man hier wie bei den Tafeln der Reichen felten ohne Ermudung und Uebersattigung davon kommt. Es gehdrt Ge- wohnhcit und lange Uebung dazu, bis man sich durch glan- zende Nebendinge nicht mehr storen latzt im Genutz des Ein- zelnen und Vortrefflichen. Erlangten die Grotzen nicht fruh- zeitig diese Uebung, so mSHten ste vor lauter Pracht und Fulle nothwendig untergehen. Manches Furstenkind und mancher arme Schlucker hat stch auch wirklich den Magen daran verdorben.

Das alte michailowscke Palais bekommt durch seine Groben, Zugbrukken und Schiesslbcher im Kellergeschoss das Ansehen einer Festung. Paul lietz das Gebaude nach vierzig Zahre lang erlittenem Druck und bei verfinstertem GemLth in aller Schnelligkeit auffuhren. Der ungluckliche, bald j6h- zornige, bald autzerst milde und liebenswLrdige Monarch fond hier 1801 seinen Tod, wie man sagt von der Hånd mehrer Suboff. Auf dem Vorplatze des Schloffes steht das untcr Elisabeth 1744 gegoffene kolossale Standbild Peters des Grotzen zu Pferde, mit der Jnschrift: dem Aeltervater der Enkel 1800.

Ein wahres Gegenftuck zu dem vorigen ist der neue michailowsche Palast, seit wenigcn Fahren erst vollendet und vom Grotzfursten Michael bewohnt, der Bauart nach der schonste unter allen Palasten Petersburgs. Durch eine Reihe korinthischer Saulen, geschmackvolle Basreliefs, zwei eben- matzig sich anschmiegende Seitengebaude und durch die Schdn- heit aller einzelnen Verhaltnisse bekommt der Palast ein rei-

ches, prachtvolles, wahrhaft kaiserliches Ansehn.

Der taurische Palast hat seinen Namen von dem Fur­

sten Potemkin, dem Taurier. Dieser Mann, wctcher, um ein Ordensbånd zu bekommen, cinen bluligen Turkcnkrieg anfing,

und auf eine abschlagige Slntwort Friedrichs des GroHen we- gen vdlliger Theilung des unglsicklichen Polen hohnlachelnd sagte: Nie hatte ich geglaubt, dasi Kdnig Friedrich romanti- fcher Ideen fahig sei, — dieser allmachtige Gunstling Katha­

rina I I . gab in diesem Palaste seiner Gebieterin fo glanzende Feste, und bezahlte die Zurustungen zu denselben so schlecht, dag die Kaufieute sich fur verloren hielten, sobald ihnen Po- temkin Waaren zu liefern befahl. Katharina kaufte ihm den Palast ab, Paul verwandelte ihn in eine Kaserne, Alexander stellte seinen vorigen Glanz wieder her, und bewohnte ihn selbst kurze Zeit. Hier weilte einst auch Louise, Preutzens unvergetzliche Landesmutter. Vom taurischen Palast aus hielt unlangst Chosrew Mirza seine orientalisch glSnzenden Auf- zuge, und die Dienerschaft der persischen Hoheit soll die Aim- mer des Palaftes auf gut persisch beschmutzt verlaffen haben.

A uf einem B all in Moskau wunderte sich der Prinz sehr uber die unverschleierten Frauenzkmmer. Von den jungen Damen gefielen ihm besonders zwei megen ihrer Schdnheit, und er erklarte, diese beiden wolle er kaufen, die eine fur sich, die andere seinem Vater zum Geschenk. Als der Gouver- neur ihm durch Dollmetscher antworten lietz, er kbnne mit den Damen tanzen und sich unterhalten, aber nur nicht ste kaufen, hielt es schwer, in den persischen Kops europaische Ansichten zu bringen. Ein edler Gast, Kronprinz Oskar von Schweden, bewohnte wahrend meiner Anwesenheit in Peters­

borg den taurischen Palast. Wegen der Seltenheit schwe- discher Schiffe in Kronstadt, und aufgemuntert durch Schwe­

den aus der Umgebung des Kronprinzen, wollte ich diesen um Erlaubnitz bitten, auf seiner Fregatte Eurydice mit nach Schweden hinsiber zu fahren, allein trotz aller auswendig gelernten russischen Redensarten war es mir unmdglich, durch das Heer von Rusten bis zu der kbniglichen Hoheit zu gelangen.

Von den Lustschloffern autzerhalb Petersborg ist Peter- hof schon genannt. Unsere Zemtschicks aus Narwa hatten sich nach russischer A rt in der Hauptftadt als Lohnkutscher ctwas zu vcrdiencn gewuht, und fuhren uns cincs Tages

nach Zarskoje--Sel<! und Pawlowsk. Links nahe an der Stratze dahin liegt Tschesme, ehemals Kekerekexino (Frosch- sitz) genannt, in einer sumpfigep Waldpartke. Das Schldtz- chen ift klein, von Backfteinen im gothischen Geschmack, in Form eines Dreiecks mit drei Thurmen erbaut. Den Namen Tschesme erhielt es zum Andenken an den Seesieg der Rus­

sen iiber die turkische Flotte bei Tschesme, der fruhere Name ift noch immer paffend. AuHer dem GerLusch der nahen Stratze und den TLnen einiger Sumpfmusikanten herrscht tiefe S tille rund umher, kurz, wer es nicht sieht, entbehrt sehr wenig.

Pawlowsk, vier Meilen von der Hauptftadt, Lieblings- ort Pauls und seiner Gemahlin, und gleichsam Wittwensitz der edeln Kaiserin. Zn dem Schloffe viel Pracht und in einem der Zimmer, welche Alexander bewohnte, wenn er seine theure Mutter besuchte, ift das durch sprechende Aehnlichkeit aller KLpfe sich auszeichnende Gemcllde der Familie Pauls von Kkgelgen. SchLner als die Prunkzimmer, ThronsUe, Tempel, Obelisken, Saulenhallen und Vogelhauser ift die schdne N atur, die waldigen Hugel und anmuthigen Thaler, die rauschenden Flutzchen und Wafferfalle, deren zauberischer Wechsel Pawlowsk zu einem der lieblichften kaiserlichen Land- sitze macht.

Zarskoje-Selo (Zarendorf) mit den prachtvollsten Schlos- sern und riesenhaftesten Anlagen in einer fur Petersborg schonen Natur an den duderhofschen Bergen, entstand unter Peter, der hier seine alte hollandische Bauerin ost besuchte.

Peters Gemahlin trug dem Baumeifter Fbrfter auf, in Ab- wesenheit des Kaisers ein Landhaus zu bauen, und Fbrfter fuhrte aus Versehen ein Schlotz auf. Diese ersten Anlagen wurdcn unter Katharina, Alexander und Nikolaus sehr er- weitert, und die Umgegend giebt kiinftigen Kaisern noch grotzen Spielraum. Alexander verlebte hier die letzten Iahre des Trubsinns in einsiedlerischer Zuruckgezogenheit. Welche Menfchenzunge konnte allen Schmcrz und Gram aussprechen, den Alexander hier cmpfunden. Wenn ein russischer Kaiser nach langer Regicrung am Leben und bei Verftande bleibt,

so danke er Gott fur fem gutes Gluck. V oll warmer Men- schenliebe war Alexanders Herz beim Antritt seiner Regie­

rung. Den Millionen Sklaven seines Reichs Freiheit, Necht, Bildung, Gluck zu bringen, das waren die sutzen Gedanken, in denen sein Herz schwelgte. Er schaffte die Folter ab, mil- derte die Sibirienftrafe, wollte die Geitzel der Zwingherren auf rechtlichem Wege zerbrechen, die ungemeffene Gewalt der Statthalter zugeln, den Polen eine Conftitution geben, die ganze Politik zu einer chriftlkchen machen. Ja, es ist vieles unter ihm beffer geworden, aber wie oft hat er es auch er- leben muffen, datz die heilsamsten Gesetze zum heillosesten Frevel mitzbraucht, die edelsten Gedanken bei ihrer Ausfuh- rung so arg verdreht, oft gerade ins Gegentheil verkehrt, und seine liebften Wunsche auf die schnodeste Art zertrummcrt wurden. Dazu denke man sich die vielen taufend unschuldig Verfolgten und Untcrdruckten, die durch Erfahrung mehr und mehr kennen gelernte Fruchtlosigkeit neuer Gesetze, die Unzu- friedenheit der Grotzen, endlich das Wiffen des Kaisers um dieses Alles, aber zugleich auch das Gefuhl seiner Ohnmacbt

— und wer wundert sich noch, datz diese schbne Seele mit Trubsinn, dieses edle Herz mit Menschenhatz endete. „Jch mochte zuweilen mit dem Kopfe gegen die Wand rennen,"

sagte er einst zu seiner M utter, „wenn ich mich von lauter crbarmlichen Egoisten umgeben sehe, die das Wohl des Staats vernachlasstgen, weil sie einzig und allein ihre Glucksjagerei im Sinne haben." — I n den Wohnzimmern des Kaisers zu Zarskoje-Selo wird seine Uniform nebst drei- mal geflicktcn Stiefeln und allem, wie er eS verlietz, aufbe- wahrt. Das altere Schlotz hat in jedem Stockwerk neun und siebzig Fenster neben einander. Die Prachtzimmer håbe ich glucklicher Weise nur im Galopp gesehen, denn Kronprinz Oskar war eben im Schlotz angekommen, und der Kaiser wurde sogleich erwartet. Die Pracht ubersteigt alle Beschrei- bung. Unter den Zimmern ist eins, deffen Wande mit Bern- fteinplatten getafelt sind, und das Zimmer ist so grotz, datz man es in einem Privathause fuglich einen Saal nennen Ein anderrs ist mit Perlmuttcr ausgclegt. Die

'i 5

schwarzlakirten Wande eines dritten sind mit goldenen chine- sischen Figuren, die eines vierten mit chinesischem Porzellan, ondere mit schdnen GemLlden, alle mit den koftbarsten Kunst- werken, Prachtstucken und Sehenswllrdigkeiten aller Art ge- fullt. Gerade die kleinsten und einfachsten Zimmer werden von der kaiserlichen Familie bewohnt. Ueberhaupt scheinen viele Monarchen, nachdem sie alle Kunfte und Schatze ihrer Lander auf Ausschmuckung der PalLste verwandt haben, zu

der Erkenntnitz zu kommen, dasi Prunksale weniger als recht eknfache Aimmerchcn zu einem hauslich glucklichen Leben ge- eignet sind. D ie Schlosikapelle ift prachtig im Innern, und ihr Dach mit fllnf start vergoldeten Kuppeln geziert. W u n -derbar schbn ist der grosiartige, mit Busten und Statuen aeschmuckte SLulengang des Schloffes, von welchem man eme reizende Aussicht auf die Umgegend und des Gartens Uebliche Gruppirungen geniesit. Ein Deutscher, Namens Busch, hat den Garten angelegt. Zn demselben steht das clunesische Dorfchen mit seiner Pagode und funfzehn Hausern, dcren sich die Sutte des Karsers bedient, wenn sie im untern Stock des Schloffes nicht Naum genug sindet. M an weisi in der That nicht, ob man hieher zuerst die Schritte wenden soll, oder zu den riesenartigen Treibhausern, oder zu den Tempeln, Ruinen,

Denkmalern, Felsen, Brucken, Wafferfallcn, Teichen, Znseln und deren Schnabelsaulen, zu der Nymphe mit dem zerbro- chenen Kruge, zu den Alleen, Baumgruppen und Waldpar- tien, oder endlich zu den imposantesten Pyramiden am Ein- oange mit den agyptischen Figuren in Eisenguh. M an >1 rings von Schonheiten umlagert, eine verdrangt dre andere,

und man ftiegt nur an allen vorliber. Prinz Heinrick von Preutzen, Bruder des grosien Friedrich, gab auf dre Frage, wie ihm das Lastschlosi gefalle, zur Antwoct: „es hat emen

^-ehler — dasi es kein Futteral hat."

Ehe wir von Zarskoje-Sel6 Abschied nehmen, erwahne ich noch eines neuen grosien Schatzes, der Christusftatue von

Danncckcr. Dies Meisterwerk sah ich kurz vor seiner Voll-cndung in der Werkftatt des Kunstlcrs zu S tuttgart, und begrusite es zum zweiten Male hier in einer unst i )

Nuine. I n einem Gotteshause die Statue aufzustellen, ist den Gesetzen des griechischen Kultus zuwider. Vielleicht aus demselben Grunde mag ihr der Kaiser keinen Saal seiner Schldffer einr<!umen. Aber Christus und Christenthum soll doch in Nusiland nicht in Ruinen liegen. Laffen w ir das und wenden uns zum Kunstwerke selbst. Einen Apoll von Belvedere, ekne mediceische Venus und andere profane Gott- heiten dargeftellt zu sehen, sind w ir gewohnt, und ertragen das leicht, denn w ir freuen uns der schbnen Gestalten und betrachten sie nicht als Gegenftande reiner Verehrung, hel­

liger Anbetung. Philosophen und Gesetzgeber stellt man als Kops und Brust dar, weil es der Geist und das Herz ist, was w ir an diesen Mannern verehren. Aber den grosicn Einen, deffen Leben und Wirken ein heiliges und gottliches war, in ganzer Figur, nicht blos dem Auge sichtbar, sondern fnhlbar, tastbar darzustellen, das ist ein neuer Versuch. Der Kunstler studirte alle Srellcn des neuen Testaments, welche die ausiere Gestalt des Herrn anzudeuten schienen, besonders aber solgte er dem innern Bilde, welches er einst in einer Art von Entzuckung gesehen zu haben behauptet. Zwar sagt die Schrift: Christus ward gleich wie ein anderer Mensch und an Geberden wie ein Mensch erfunden; zwar verehren wir in ihm die vollendete, gottliche Menschheit, und es scheint also, dasi man das Recht der Kunst nicht bestreiten durfe, ihn menschlich darzustellen. Nichts desto weniger w ill es uns dunken, als laffe unser inneres Bild von dem gdttlichen Er- loser keine ausiere plastische Darftellung zu. Mag die vollen­

dete kllnstlerische Darstellung Kunstler und Kunstfreunde an- ziehen, das glaubkge Gemiith wird sich mehr zuruck gestosien als angezogen fuhlen. Die kolossale, nicht zerdruckte, nicht zerknickte, der Sllnde nicht verwandte Gestalt, die himmelan weisende, Linke des M ittlers, die aus die Brust zeigende Rechte, und die heitere, hochgewdlbte, nicht von Erdensorgen durch- furchte S tirn , giebt dem Christus nicht die volle, gottliche Hoheit zuruck. Zch gehdre nicht zu denen, welche alles Heil lcdiglich im Gesuhl suchen, ich ehre das Werk des grosien Deutschcn, und håbe es, wenn ich die fur den Grosiherzog

In document Digitaliseret af | Digitised by (Sider 115-128)