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Petersburgs Kirchen und kirchliche Ange- Ange-legenheiten

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Kinder, bleibet bei der Bruderliebe P rufet alles, nur verfolget nicht!

Witschel.

U nter den Kirchen nenne ich zuerft die Festungskirche, weil sie die Sarge der Kaiser und Kaiserinnen umschlietzt, von Peter d. Gr., bis auf Alexander und dessen Mutter. Wenn man an den irdischen Ueberreften eines Peter, einer Katha­

rina, eines Paul und Alexander, in wenigen Augenblicken die lange Reihe ihrer Thaten und Schicksale iibcrschaut, dann regen ssch gar mancherlei Gefuhle. Sie haben doch alle ei- nerlei Eingang in das Leben und gleichen Ausgang*).

Auch gekrdnte Haupter werden Todtenschadel, und steigen vom Weihrauch umnebelten Throne zum dumpfen Sarg hin- ab. Das Flittergold liegt nun zur Seite, eure Schmeichler sind verstummt, Majeftat und Mugik einander gleich. Ein dvppeltes Gericht, der Nachwelt und der Ewigkeit, wagt eure Thaten mit ernster Wage und entscheidet, ob eure Kriege gerecht, ob eure Vblker durch euch glucklich wurden. Nicht kaltcr Marmor, in welchem euer Staub zusammen M t , macht euch unsterblich, nur was ihr Edles wolltet in treuer

*) WeiSh. S a l. 7, 6.

B ruft und Groffes vollbrachtet mit bester Kraft, nur das setzt euch die himmlische Krone auf, wenn der Tod die irdi- sche von eurem Haupte nimmt. — Die Ruhestatte der rus- sischen Kronentrager ist still, durch Wasser und Bastionen gegen die Wuth eines aufgeregten PLbels geschutzt. In v a ­ liden fdhren den Fremden umher, und heden mit Ehrerbie- tung die autzere Decke der SSrge ihrer Herrscher. I n der Kirche hangen viele hundert Turkenfahnen aus den Ia h - ren 1807 und 1810, Rotzschweife, Schluffel von erober- ten Stadten und ein elfenbeinerner Leuchter von Peter

Gr. gedreht. — Beilaufig sieht man in der Festung die Mllnze, deren kunstvolle Maschinen durch Dampfe getrieben werden.

Von hier gehen w ir zur Kirche der Verklarung Christi, gewbhnlich Kirche der preobraschenskischen Garde genannt.

Diese Garde bildete sich Peter nahe bei Moskau als die ersten europLisch organisirten Truppen, durch welche er die furchtbare Macht der Strelitzen stllrzte. Die Kirche ist seit kurzem neu eingerichtet und schbn geschmllckt mit sieben hun­

dert Fahnen, welche vor einigen Iahren den Tllrken bei Varna, Adrianopel, Achalzik, Erzerum, Kars, Rustschuck, Brailow u. a. abgenommen wurden. An allen Fahnen der Tllrken bemerkt man eine blutige Hånd, nicht sorgfaltig ge­

malt, sondern wie es scheint mit blutgetrankten Fingern auf- gedruckt, vermuthlich eine Andeutung, wie selbst in Noth und Tod das Panier nicht aus der Hånd zu laffen. An Festungsschluffeln, Rotzschweifen und Kommandantenbeilen fehlt es auch in dieser Kirche nicht. Die durch O rt und Schmuck sogleich ins Auge saltende Kanzel zeigt, datz der Kaiser die Predigt mehr zu einem Gegenftande des Kultus zu erheben wunscht. Der Kronleuchter, der Baldachin, unter welchem Alexanders Leiche gestanden, die ganze Kirche im I n - nern ist ubermaHig glanzend von Gold und Silber, von au- Hen mit Linden und Eichenalleen umgeben.

Von den llbrigen griechischen Kirchen Petersburgs

man giebt ihre Zahl auf achtzig an — nenne ich noch d,e beiden wichtigsten, die kasansche und die Isaakskirche. Dre

Kirche der h. Mutter Gottcs von Kasun an der newskischen Perspektlve ift ein vortreffliches Werk der Baukunft. Einen schbnen Halbkreis dilden die korinthischen Saulen auHerhalb am Eingange. I h r graves lockeres Gestein scheint leider der zerftdrenden Rauhheit des nordischen Himmels wenig Trotz zu bieten, und das junge Gebaude siehr schon recht alt aus.

Desto mehr scheint das Innere des Tempels stir die Ervig- keit berechnet. Das Schiff der Kirche wird von mehr denn funfzig machtigen Smulen getragen. Iede Saule 35 Futz hoch und 34 Futz im Durchmeffer, desteht aus einem einzi- gen polirten Granitblock. Kapitaler und Futze sind von Bronze. Die Porphyrstuffen des Chors und die silberne Gallerie um daffelbe sind Lusierft kostbar. Unter den Ge- malden zeichnen sich wenige aus, bei den meisten erkennt man ihren russischen Ursprung. An dem gewaltigen Pfeiler rechts beim Eingange der Kirche HZngt der Marschallftab von Davoust, die Schluffel von Lllbeck, Hamburg, Achen, Utrecht, Hanau, Kaffel u. a. m. Unter den Fahnen sind viele turkische und franzdsische, auch Adler mit dem kaiser- lichen U. I n Petersborg håbe ich keine preusiische, in Ber­

lin keine russische Troph^en gesehen — ohne Zweifel eine politische Artigkeit. Bisher war die kasansche Kirche die erste des Reichs, kunstig nimmt diesen Platz

die Isaakskirche ein. Das ift nicht die Isaakskirche, welche Peter 1710 zur Feier seines Geburtstages grundete, denn sie schien der Katharina zu klein. Das ift auch nicht die Isaakskirche, welche von 1766 bis 1812 gebaut, mit Granit, Marmor, Jaspis und Porphyr von innen und au- Hen bekleidet, 264 Millionen Nubel gekostet hat. Diese vielgepriesene Isaakskirche liegt in Trummern, und ein Theil ihrer Marmorbldcke ift zur Grundlage der schon erwahnten Alexandersaule gebraucht. Von ihr blieb nur das innere Heiligthum stehen, welches die Nuffen aus Scheu vor dem heilkgen Orte nicht niederreitzen. Ietzt w ill man dem Sumps- boden Petersburgs noch mehr Trotz bieten und wenn er die ungeheuren Lasten nicht tragt, so gehen die Baumeister aus den Zobelfang, und berechnen in sibirischen Mutzestunden

W o l t m a n n , Reist:c. 8

den DruS sokher Massen nebft der erforderlichen Grund­

lage. Unter Leitung des Franzosen Montferrant wird die neue Isaakskirche in Form eines griechischen Kreuzes 334 FuH lang, 288^ FuH breit, und vom Grund des Platzes bis an den Knopf 309 FuH hoch gebaut. Die Hauptkuppel wird mit einem Peristyl ionischer Saulen umgeben, und das Zn- nere des Tempels mit 188 Saulen und Pfeilern korinthischer Ordnung aus finnl^ndischem Marmor geschmuckt. Basen und Kapitaler werden aus Bronze gegossen und reich ver- goldet. Den groHartigstcn Theil des Gebaudes bilden vier Saulenhallen aus der AuHenseite, von denen jede acht Smu­

len in der Fronte und vier zur Seite hat. Diese 48 Gra- nitsaulen der neuen Isaakskirche sind 56 FuH hoch und hal­

ten 6 FuH im Durchmeffer. Dah jede aus einem Stuck besteht und der Granit polirt w ird, verfteht sich rn der Saulenftadt von selbft. Znnerhalb einer halbcn Stunde wird jede uber 300,000 Pfund schwere Savle von etwa hundcrt Menschen mittelst einfacher Winden aufgerichtet. Die Bldcke werden an Finnlands Kuften gebrochen, aus beson- ders dazu erbauten Schiffen bis zur Jsaaksbrucke gefahren, auf Rollen oder Walzen nach dem Orte ihrer Bestimmung aezogen, und erft nach Lhrcr Aufrichtung polirt. Jede die- ser 48 Smulen kostet dem Staate nicht weniger als 82,000 Ru­

bel. Etwa 15,000 Arbeiter sind fortwahrend an dem Rle- senbau beschaftigt, welchen man mit eigenen Augen sehen muh, um zu stavnen uber die Krafte der Natron. on innen und auhen wird auch die neue Klrche mit Marmo und andern kostbaren Steinen bekleidet. Wahrend memer Anwesenheit wurden mehre jener Saulen aufgerichtet. Un­

ter eine von ihnen legte Kronprinz Oskar neue schwedtsche MSnzen. Gleich dem palmyrenischen Sonnentempel schernen sick diese Saulen der Isaakskirche' zu waffnen gegen dre Stllrm e der Iahrhunderte, aber was war Palmyra, Perse­

polis, Babylon, und was sind sie? Welche Gestal^wn Ruhland haben, wenn einst die jetzige Isaakskirche m -

mer zerfallt, oder welcher Monarch w.rd auch sie meder- reihen, um eine noch prachtigere zu erbauen, ein

Schlcr-?

sal, welches sie im Laufe eines Zahrhunderts zweimal cr- ssahren hat!

Stellen w ir jetzt einige Verglcichungen an. Unge- heuer ift der Aufwand, mit welchem man in Petersborg Gotteshaufer baut, und viellekcht rtihmen spLte Geschlechter der Russen unser Iahrhundert als daS Iahrhundert der Be- harrlichkeit. Aber wie steht es um die Landkirchen Nutz- lands? Die alten Slaven bauten wie die Finnen nur Kir- chen von Host, und so blieb es bei ihren Nachkommen Sitte bis auf den heutigen Tag. Die Germanen konnten sich der Walder bedienen, aber im hohen Norden musite man die Gotterbilder gegen das rauhe Klima schutzen, und doch hat seine zerftorende Kraft jede S pur der alten Heiligthumer vernichtet. Datz eine ganz und gar von Host gebaute Kirche weder grotz noch prachtig sein konne, ift begreiflich. Was jene prachtvollen griechischen Tempel anlangt, so Lst es wahr, sie haben etwas Freundliches, Heiteres, und die hochgewolbte Kuppel ift auHerordentlich schon und erhebend. Ilnter einem milden Himmelsstrich hat sich diese Bauart gebildet, und scheint sur den Opferdienft und das Rauchern der griechi- schen Kirche geekgnet, allein weder Bauart noch Kultus ftimmten mit dem katten ernsten Norden uberein. Unsere alten Denkmaler deutscher Baukunft am Rheine entsprechen dem Boden, auf welchem sie entstanden und dem Volke, welches sie baute. Kuhn und doch mit freundlichem Ernste ftreben die gothischen Pfeiler in die Hohe, und die mancher- lei Verzierungen geben dem Auge einen Haltpunkt, damit es nicht kalt an der Sclule herab gleite. S o fliegt mit Adlerfiugcln die religibst Begeifterung himmelan, nahrt und

erwLrmt den inwendigen Menschen auf der Hdhe des Gkau- bentz. Diest Munster hes Mittelalters sind, wie Hase in seiner Gnosis sagt, die erhabenften Sinnbilder einer Andacht, die sich schmuckt und freut an jeder irdischen Herrlichkeit, und dennoch allein die Augen gen Himmel wendet. Einen ftrasiburger MLnfter gebe ich nicht fur zehn Isaakskirchen hin, und unsere ubrigen S tadt- und Landkirchen sind ohne Frage beffcr als die russischen. Orgel und Musik fehlen

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der griechischen Kirche, und das halte ich fLr einen wesentli- chen Mangel. M an wende nicht ein, datz er durch die grie­

chischen Sangerchbre ersetzt werde, denn es ift nicht wahr.

Zhre B ah- und Tenorstimmen klingen auherordentlich rein und schbn, ihr valler Gesang ift namentlich in der kasan-

schen Kirche ein wahrhaft himmlischer, und ich wollte wirk- lich die Orgeltbne entdehren, rvenn nur alle Kirchen kasansche waren. Wie steht es aber um die llbrigen Kirchen des ruk- ftschen Reichs, und wie bde und hohl tbnen die wenigen Stimmen in einem Dorflirchlein! W as die freie Himmels- stimme vermag, das fteht uns Protestanten auch zu Gebote, obgleich w ir in der Wirklichkeit noch weit entfernt sind von guten Chbren und einem vollendeten Kirchengesange der Ge- meinde. Z a , unsere Kirchenmusiken sind meiftens Konzerte, und die Pauken und Trompeten mancher Stadte tbnen wun- derlich und jammerlich genug. DeSwegen aber sind Orgel und Geige, Pauke und Posaune noch keine profane Instru­

ments, auch ift unsere Gemeinde beim Gottcsdienste nicht so durchauS unthatig und ihr Gesang erhebend, wenn's nur an Menschen nicht fehlt und die Schreier sich etwas im Zaume halten Der begeisternde Borttag einer bachschen Fuge und der sanfte entzLckende Gesang der Herrenhuter kbnnen als Einzelnheiten im Vergleich mit der griechischen Kirche kaum aenannt werden. Man sagt zum Lobe dieser Kirche ferner, datz sie gleich der katholischen immer offen das Bedurfnltz der AndLchtigen stets befriedigen kbnne. Was frir ein Be- durfnitz? W illst du einen Seufzer aus tiefer Bruft holen, um, was dich unaussprechlich bewegt, darin zu vereimgen;

willst du einen srommen Vorsatz faffen, ein Gebet zum A l- lerhochsten senden - es ist schlimm, wenn du des Tempels dazu nothwendig bedarfst. Mitten im lebendlgen Gewuhl kannst du allein sein, und wenn das nicht, so geh in dem Kammerlein und schlieh die ThSr hinter dir zu. Doch .ch w ill nicht laugnen, dah es Augenblicke giebt, wo ,ch des Tempels Hallen betreten mochte; allein gehe ich in die grre- chischen und katholischen Kirchen, achte auf alle Eintretende, so steht es in den Zbgen und dem Benehmen der nmsten

rmwiderleglich geschrieben, datz sie die Sache als oxus oxe- rainvi betreibcn, ja in Bamberg und anderwarts kommen sie mit Tragkorben, mit Sack und Pack in die Kirche, wer- fen die Burde ab, beten einige Ave Maria, ein paar Vater- unser, nehmen die Laft wiedcr auf den Nucken und marschi- ren ab, des andern noch graulicheren Unfuges nicht zu^ge- -enken. Des Tempels Hallen allein wecken hochftens einige unbeftimmte Gefuhle, aber das Chriftenthum ift und w ill mehr als Gefuhl, w ill lichtvollen Glauben, grundliche Bessc- rung und Sinnesanderung wirken, und dazu ift erforderlich, datz der ganze geiftige Mensch angesprochen werde. Dies kann aber nicht gerade immer dann geschehen, wenn und wie lange es der Einzelne wunscht, sondcrn es ift natkr- licher, datz sich der Einzelne nach dem Ganzen richte und das kann er, wenn er Tag und Stunde weitz, wo sich des Tempels Hallen der Gemeinde dffnen. Das immer wie- derkehrende Kreuzschlagen, Kniebeugen, Beruhren des Bodens mit Mund und S tirn , das ewige Hospodin ponnllu (Herr, crbarm dich unser) ift wenigftens langweilig und geschmack- los. Datz in der griechischen Kirche der Unterschied zwischen Furft und Bettler durchaus wegfallt, indem alle durch einan- der stehen, das finde ich lobenswcrth, zumal wenn ich an die leeren Stuhle unserer Senatoren denke, oder an Guts- besitzer, wclche durch ein eigenes Treppchen von autzen zu ihrem von der Gemeinde wohl gesonderten Kirchenftuhl ge- langen, oder wenn ich gar hbre, wie ein proteftantischer Geiftlicher es Lber sich gewinnen kann, den Altar zu verlaffen, um das geweihte Brod und den Kelch im Abendmahl den adeligen Stiftsdamen und hochst dero Kammerzofen auf ihren Stuhl zu bringen. Wer nicht begriffen hat, datz vor Gott der Herr Senator oder der Herr Professor wahrhaftig nicht mehr gilt als der gemeinfte Schuhflicker, und die altadelige Stiftsdame nichr mehr als die Bauerdirne, der war im Gotteshause noch nie recht andachtig. Zu Petersburg steht im buchftablichen Sinne der Kaiser und der Bettler in der Kirche neben einandcr. Sie stehen, denn es ift weder Bank noch S tuhl vorhanden, und das geht in der griechischen

Kirche an, denn wenn der Grieche seine Andacht unterbre- chen w ill, — und sie ift unterbrochen, sobald der Korper das Stehen nicht mehr ertr^gt — dann kann er ohne sremde Stdrung jeden Augenblick die Kirche verlaffen. Zndem ader die kraftige Anregung des Erkenntnitz-, Gefuhls- und W il- lcnsvermogens nach unserer Ansicht einen andern Gottesdienst und longere Zeit erfordert, so muffen w ir uns setzen kdn- nen, und suchen sur die gesammte Gemeinde gern jede S to ­ rung zu vermeidcn. Nicht ohne tiefen Schmerz gedenken w ir indessen des larmenden Unfugs, welchen die Schlaffhett der Geistlichen oder die Nachlassigkeit der Polizei, bei einigen unserer Stadtkirchen duldet, wohin auch zu rechnen, datz an manchen Orten die Soldaten fast in die Kirche hineinge- trompetet werden, wahrend ein stilles Haustein drinnen daS heilige Abendmahl seiert. Das anhaltende Stehen wurde

die Erbauung der Gesundesten leicht unterbrechen, fur das weibliche Geschlecht zumal beschwerlich sein, und so hat man sich in Petersburg bequemt, der Kaiserin in der Kapelle des Winterpalastes einen Sitz einzuraumen, „w e il sie

schwach-lich sei." _ Das innerste Heiligtbum der rusjischen Kirchen darf kein Frauenzimmer betreten, was an die asiatische Ver- achtung und Unterwurfigkeit des weiblichen Geschlechts er- jnnert. — Endlich bedient man sich bcim griechischen Got- tesdienste einer dem Volke ziemlich unverstandlichen Sprache, der altslavonischen. Die UmgangLsprache ist aus slavonischen und russischen Wdrtern gemischt, die Dichtkunst und gute Prosa eignet stch nur den russischen Antheil zu, und le a - slavonische Sprache wird nur von der Geistlichkert studlrt

>nd verstanden.

Zn Rutzland sind 11 Erzbischofe, 19 Dlschofe, 12,500 -farrkirchen und 425 KlLster. An der Spitze der Geistlich-

eit steht der heilige dirigirende Synod zu S t. Petersburg.

e-r wurde von Peter gestiftet und dadurch der Priefterherr- chaft dergestalt ein Ende gcmacht, daH mit ihrer letzttn Dpur auch die edle Krast und Wurde im Aerhaltnist zu k velilichcn M-cht gewichcn ist. Su i-hnuMstig, um nnr von fern dem allmachtigen Adel ein kleines Gegengewicht zu

hal-ten, zu unwifsend, mn die Kultur des Volks im Stillen fsr- dern zu konnen, steht die russische Geistlichkeit ohne alle po- litische Bedeutung da. Den Primat des Papstes hat die griechische Kirche verworfen, wie die Lehre vom Ablatz und Fegfeuer, und wenn w ir noch hinzu fugen, datz nach ihrer Lehre der heil. Geist nur vom Vater ausgeht, datz beim Abendmahl nur gesauertes Brod und gemischter Wein ver- mittelst eines geweihten Ldffels genossen w ird, datz man bei der Taufe das Kind vdllig untertaucht, auch die Konfirma­

tion nach der Taufe fur uberflusfig halt, so haben w ir die Hauptunterschiede des griechischen und katholischen Lehrbegriffs angegcben. Datz die Griechen weder geschnitzte, noch gegos- sene, noch gehauene Bilder in den Gotteshausern dulden, ift schon angedeutet; erlaubt und sehr gebrauchlich ist es aber, den Kopf eines Heiligenbildes mit S ilber, Gold und Edelsteinen zu umgeben, unter welchen der Heilige sonder- bar genug heraus guckt. MLnche und Kloster werden immer feltener. Die Archimandriten sind zum Colibat verpflichtet, die Weltpriester verhcirathen fich, aber nur einmal, nach der eigenthumlichen Auslegung der Schriftstelle: ein Bischof soll ei nes Weibcs Mann sein. Auch durfen sie keine Wittwen heirathen und als Wittwer die Pfarramter nicht behalten.

S o stehen die russischen Geistlichen nicht wie die katholischen einsam in der W elt, ihre Ehen sind in der Negel autzerst zartlich, und durch dieselben dem burgerlichen Leben befreun- det, sind sie wahre Vater des Volks. Zhr Kleidung ift ein runder Hut oder ein sammtenes Baret, blaue, grune, braune, bis auf die Fersen herunter hangende Gewander, welche nach allgemeiner Sitte unten weit, obcn enger an- schlietzen, und ein recht ehrwurdiges Ansehen geben; ein langer Nohrstock ihre Stutze; ein schoner, uber die Brust wallender Bart und ein fiatterndes, rbthliches Haupthaar ihre grohe Zierde. Priesterstolz und faule Bauche werden bei dem sparlichen Einkommen unmbglich. Wollte man ih- nen erzahlen, datz in einem deutschen Freistaat ein Dorf- paftor nicht im vollen Ornat bei der Weihe seines Sohncs in der Stadt zugegen sein soll, so wsirdcn sich die einMigcn

Popen dartiber HLchlich wundern und es mindestens als un-- chriftlich verwerfen. Grohe Gelehrsamkeit ift eben so wenig als jesuitische Schlauheit unter den Geiftlichen zu finden.

Wenn ihre Bildung mittelmatzig und schwach zu nennen ist, so solgt das aus dem Zustande ihrer Bildungsanstalten, der Seminarien und KlLster, wie aus dem Zustande des ganzen Reichs. Theologische Streitigkeiten sind vLllig unbe- kannt, Gesprache uber Religion und kirchliche Dinge nir- gends feltener als in Petersborg. Das Zusammentreffen der verschiedensten VLlker und Religionen — es wird zu Peters­

borg in 15 Sprachen und nach 11 verschiedenen Glaubens- bekenntnisten Gottesdienst gehalten — hot die grogte Dukd- samkeit herbei gefuhrt. Duldung ist jedoch ein allgemeiner Charakterzug des slavischen VLlkerstammes. Die Slaven

maren das jungste, der aus Asten nach dem Norden von Europa ziehenden VLlker, und ihre Religion am wenigften ausgebildet; deshalb drangten sie den finnischen Stamm nicht zuruck, sondern schmiegten sich ihm an, und empfingen von ihm mancherlei Sitten frir das augere Leben, wie einen grogen Theil des Gottesdienstes. An der newskischen Per- spektive zu Petersborg steht die kasansche Kirche nebst einigen griechischen Kapellen, und nicht weit davon eine katholische, eine proteftantische, eine armenische Kirche und ein mahom- medanischeS Bethaus. Welche Stadt in Europa hat eine

ahnliche Toleranzftrahe aufzuweisen? Trotz des feierlichen Fluches, welcher noch jetzt von den Rusten an jedem Palm- sonntage uber alle Nichtgriechen und Vaterlandsverrather ausgesprochen wird, laden verschiedene Glaubensbekenner ein- ander h^iufig zu Hochzeiten und Kindtaufen als Zeugen ein.

Bei schwacher religioser Bildung hat der Aberglaube freies Feld. Die Taube als Symbol des heil. Geistes steht hoch in Ehren. Krahen und Elstern werden nicht verscheucht, und verdanken vielleicht diesen Schutz ihrem geheimnigvollen Kakeln. I n Schweden findet die Elster dieselbe gastfreund- liche Aufnahme. Selbst in den hdhern Standen zu Peters­

borg wird aus allerlei Vorzeichcn geachtet und geforscht, ob sie Gluck oder Ungluck bringen. I n den Zimmern oder

dem Hause, worin ein naher Verwandter gestorben ift, glaubt niemand wohnen zu kdnnen. Den ersten Kaufer des M or­

gens lafit der russische Kaufmann nicht leicht gehen, auch wenn er noch so schlecht geboten HLtte. W ir branchen in­

vesten, um dergleichen Aberglauben zu finden, nicht erft nach Rutzland zu gehen. Am ersten Ofterfeiertage begrutzt jeder Ruffe^ nach altchriftlicher Sitte die ihm begegnenden Bekann- ten mit den Worten: Christos woskres (Christus ift auf- erstanden, 6 worauf der Andere erwiedert:

woiftinno woskres (er ist wahrhaftig auferftanden,

dann folgen die Kfiffe, und nun geht jeder sei- ner Strafie. Auch sind Eier als Ostergeschenke ublich, und man macht deren sogar von Porzellan mit Bandern und dem Ostergruste als Inschrift.

B ri Leichenbegangnisten geht es, wie man mir erzahlt hat, wunderlich her. I m Trauerhause stnd Wande, Fenster, Spkegel schwarz behangen und die Gaste ruhig, still, betrubt.

Der Leichenzug setzt fich in Bewegung. Die Entfernung bis zum Gottesacker betragt ost uber eine Meile. Nach der Beerdigung kehren alle in das Lrauerhaus zuriick, aus wel- chem Lnzwischen ein Freudenhaus geworden ift. Es wird getrunken, gespeift, Karte gespielt, gesungen, getanzt und die Leidtragenden find mitten im frdhlichen W irrw arr. Wer zu solchem Gelage in seiner Wohnung nicht Naum hat, giebt das Fest aus dem Gottesacker, wo der Todtengraber ein schbnes Haus mit grotzen Salen befitzt und fur die Kuche sorgt, je nachdem die Beftellungen gemacht werden.

Man kann jedoch Kuche und Bedienung selbft ubernehmen, und miethet dann nur den Saal. — Dafi ein Volk seiner geliebten Todten jahrlich gedenkt und einen besondern Erin- nerungstag festlich begeht, ist eben so naturlich als zweck- mahig. Auch in Sachsen und Preufien feiert man jahrlich ein Todtenfest, und die Herrenhuter besuchen fleifiig ihre freundlichen Friedhdfe. Das smolenskische Todtenfest in Pe- tersburg, desten Frier ich beiwohnte, ift eine lacherliche Kar- rikatur davon. Am 28. J u li strbmt das Volk nach dem

smolenskischen Gottesacker, wo der Nusse die Graber seiner

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