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Zusammenfassung: In dem Beitrag geht es darum, Prävention, Preparedness und Resilienz als Dispositive einer neoliberalen Public Pedagogy (PP) zu verstehen.

Einleitend wird von einer Ratio der Prävention ausgegangen und danach gefragt, warum und wie diese sich etabliert hat. Sodann werden die Begriffe erläutert und zueinander ins Verhältnis gesetzt. Daran anschließend wird diskutiert, inwiefern der Neoliberalismus selbst als eine Public Pedagogy wirkt und inwiefern er sich dezidiert gegen Kinder und Jugendliche richtet. Am Ende wird deutlich, dass das Streben nach Sicherheit, das sich als umfassende Begründungsmatrix zeigt, die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen nicht gewährleistet. Vielmehr trägt diese Strategie qua Individualisierung zur Prekarisierung bei, wie anhand eines empirischen Beispiels skizziert wird.

Abstract: The article understands prevention, preparedness and resilience as dis-positives of a neoliberal public pedagogy. The essay introduces a ratio of preven-tion and asks why and how it has been established. In the following, the terms are explained and put into relation to each other. Subsequently, it will be discussed to what extent neoliberalism itself acts as a public pedagogy and to what extent it is decidedly directed against children and young people. In the end, it becomes clear that the striving for security, which initially shows itself as a comprehensive mat-rix of legitimation, does not guarantee the security of children and young people.

Actually, it contributes itself to precarization by individualising young people, as an empirical case study shows.

Keywords: Prävention, Preparedness, Resilienz, Public Pedagogy, Neoliberalismus.

Warum und wie strebt Pädagogik sowohl für sich als auch für Individuen die Herstellung oder die Gewährleistung innerer Sicherheit an? Bröckling formuliert es so: „Denn nur ein Leben in Sicherheit garantiert auch ein Leben in Freiheit“

(Bröckling 2008, S. 38). Dies sei die Begründung für eine zunehmende „Ratio der Prävention“ in der Gesellschaft im Allgemeinen (ebd.) und damit auch in

der Pädagogik. Tatsächlich hat Prävention seit einigen Jahren im pädagogischen Diskurs Konjunktur – und dies ist durchaus im ökonomischen Sinn zu verstehen, denn Vorsorge sei meistens rentabler als Nachsorge (vgl. Wohlgemuth 2009, S. 89 ff.).

Vorsorgen sei aber nicht nur rentabler, sondern auch sinnvoller als Nachsorgen (ebd.). In einigen Fällen erscheint diese Aussage unmittelbar einzuleuchten: etwa wenn es um Gesundheit oder Unfallprävention geht; grundsätzlich also, um das menschliche Leben vor Gefahren zu schützen. Damit Prävention wirksam sein kann, muss davon ausgegangen werden, dass Menschen darauf Einfluss nehmen können, die Gefahren abzuwenden, indem sie beispielsweise ihr Verhalten ändern oder bestimmte Maßnahmen ergreifen.

In der Risikogesellschaft (Beck 2016) allerdings haben sich Gefahren im Sinne einer omnipräsenten Bedrohungslage manifestiert und somit universalisiert. Dies ergibt sich daraus, dass die Menschheit zu ihrer eigenen existentiellen Bedrohung geworden ist, etwa durch Massenvernichtungswaffen (vgl. Wigger et al. 2016), den Klimawandel (vgl. Rahmstorf/Schellnhuber 2014) sowie ökonomische Krisen (vgl.

Steffens 2013). Wir leben also in unsicheren Zeiten (Soeffner/Kursawe 2010). Vor diesem Hintergrund muss Prävention kollektiv gedacht werden, weil einerseits alle bedroht sind und andererseits nur kollektiv angelegte Maßnahmen sinnvoll erscheinen. Schaut man sich allerdings die Literatur zur (pädagogischen) Präven-tion an, dann zielt diese in der Regel entweder auf Individuen oder bestimmte (als besonders gefährdet eingestufte) Gruppen ab, indem sie bestrebt ist, diese entweder auf Gefahren vorzubereiten (sich zu präparieren) oder dafür gewappnet zu sein, ihnen zu widerstehen (resilient zu sein) (vgl. z. B. Wustmann 2009).

1 Prävention – Preparedness – Resilienz

Vor diesem Hintergrund haben sich drei Dispositive (Foucault 1978) etabliert, die in pädagogischen Diskursen aktuell auf unterschiedlichen Ebenen und in unter-schiedlichen Feldern wirken. Neben dem bereits angesprochenen Begriff Präven-tion sind dies Preparedness (Bereitschaft) und Resilienz (Widerstandsfähigkeit).

Prävention

Der Präventionsbegriff wird in unterschiedlicher Weise ausdifferenziert. Eine verbreitete Praxis ist hier die Unterscheidung zwischen primärer und sekundä-rer Prävention. Primäre Prävention richte sich grundsätzlich an alle Mitglieder einer Gesellschaft (z. B. Kardorff 1995, S. 8). Sie alle werden als potentiell einer

Bedrohung ausgesetzt betrachtet. So laufen etwa alle Mitglieder der Gesellschaft Gefahr, im Laufe ihres Lebens ihre Gesundheit zu verlieren. Oder sie sind der Gefahr einer ‚ungünstigen‘ Entwicklung ausgesetzt, etwa durch (selbst)gefährden-des Verhalten. Bei der Ermittlung von potentiellen Gefahren und Bedrohungen geht es nicht zuletzt um die Vermeidung von Kosten, die entstehen könnten, wenn es zum Eintreffen potentieller Bedrohungen käme. Die Kosten für diese Prävention kommen wiederum allen zugute:

Prävention und Gesundheitsförderung sind lohnenswerte Investitionen in die Zu-kunftssicherung der sozialen Sicherungssysteme und bieten einen nachhaltigen gesamt-gesellschaftlichen und individuellen Nutzen. Die Bundesregierung [hier ist die rot-grüne Regierung gemeint, die 2004 im Amt war, AW] hat die Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung in ihrer Koalitionsvereinbarung ausdrücklich zur gemeinsamen Strategie ihrer Politik erklärt und will diese Bereiche in Deutschland aufwerten und ausbauen. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung trägt durch verschiedene Maßnahmen und Strategien zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung bei, u. a. durch die Arbeiten an einem Präventionsgesetz sowie durch die Gründung des Deutschen Forums Prävention und Gesundheitsförderung. (Apitz/Winter 2004, S. 139)

Im Sinne der Gesundheitsförderung und der Zukunftssicherung wird hier ein be-stimmtes Verhalten gefordert. Für die Pädagogik heißt das, zunächst vor allem über die Gefahren aufzuklären, aber durchaus auch im Sinne einer behavioristischen Perspektive, im Sinne der Prävention angemessenes Verhalten zu bestärken und nicht angemessenes zu sanktionieren (hier sind etwa Tokenprogramme1 zu nennen, z. B. Lohaus und Domsch 2015). Sekundäre Prävention richte sich an besonders gefährdete Individuen oder Gruppen und könne so gezielte Maßnahmen ergreifen (Kardorff 1995, S. 8). In aktuellen Zusammenhängen sind dies etwa muslimische Jugendliche, die Gefahr laufen würden, sich zu radikalisieren (Wedemann 2017).

Doch gerade im Kontext von Radikalisierung wird deutlich, dass es äußerst schwierig ist, die entsprechenden Individuen und Gruppen zu identifizieren. Ent-weder es erfolgt eine Pauschaladressierung qua bestimmter (zugeschriebener) Merkmale – wie eben der Religionszugehörigkeit oder dem Geschlecht. Oder es bedarf einer entsprechenden Beobachtungs- und Überwachungsstrategie, die etwa über staatliche Programme erfolgen kann. Der Bildungsbereich bietet hier eine Möglichkeit für die Etablierung solcher Strategien, da die meisten Kinder und Jugendliche in Europa die Schule besuchen. Ein Beispiel ist das britische PREVENT-Programm, das alle Akteure in Bildungseinrichtungen verpflichtet,

‚auffälliges Verhalten‘ den Sicherheitsbehörden zu melden (Chadderton 2017).

Dabei ist allerdings nur die Überwachung selbst tatsächlich präventiv, nicht aber die gegebenenfalls erfolgende Intervention, denn diese folgt erst als Reaktion z. B. auf deviantes oder verdächtiges Verhalten, es sei denn, man versteht die

Maßnahmen von Sicherheitsbehörden gegen bestimmte Personen, die einer An-zeige im Rahmen des Programms folgen, als Prävention im Sinne eines Schutzes Dritter, die zum Opfer der verdächtigen Person hätten werden können. In jedem Fall richtet sich Prävention an (oder gegen) jene, die Gefahr laufen selbst zu einer Gefahr zu werden – sei es für sich selbst oder andere oder beides.

Preparedness (Bereitschaft)

Der Begriff Preparedness wird im englischsprachigen Kontext vor allem in Bezug auf Katastrophenerziehung (desaster-education) verwendet (vgl. Kitagawa et al.

2016). Dabei bezieht er sich in der Regel – so wie auch die primäre Prävention – auf alle, nämlich auf die Bevölkerung (eines bestimmten Staates oder einer Region).

Preparedness wird durch die Weltgesundheitsorganisation definiert als „[t]he capacities and knowledge developed by governments, professional response orga-nisations, communities and individuals to anticipate and respond effectively to the impact of likely, imminent or current hazard events or conditions“ (WHO 2009).

Preparedness bezeichnet also einen Zustand, in den Menschen versetzt werden sollen, oder besser, in den sie sich selbst versetzen sollen angesichts drohender Katastrophen. Dies können sowohl Naturkatastrophen sein als auch Krieg oder Terroranschläge oder das Versagen kritischer Infrastruktur (vgl. Murray/Grubesic 2007). Darüber hinaus lässt sich im Anschluss an Kleins (2016) Ausführungen zur Schockstrategie des Neoliberalismus davon ausgehen, dass Krisen als konstitutives Moment unseres globalen Wirtschaftssystems verstanden werden müssen. Vor diesem Hintergrund gilt es dann auch, permanent darauf gefasst zu sein, nicht nur seinen Job zu verlieren, sondern alle materiellen Güter, beispielsweise durch eine sich in einer Rezession einstellende Hyperinflation.

Der Begriff sowie die Idee der Notwendigkeit einer ‚preparedness education‘

(Preston 2012) hat sich im Verlauf des so genannten Kalten Kriegs vor allem in den USA etabliert. Dabei ging es darum die Bevölkerung auf einen möglichen Angriff mit nuklearen Waffen vorzubereiten, also in Bereitschaft zu versetzen.

Während dort und in Großbritannien, aber auch in Japan, die Thematik in öf-fentlichen Debatten sehr präsent war und ist, ebenso wie in Lehrplänen, ist dies in Deutschland nicht der Fall. Chadderton (2015) erklärt dies anhand sich unter-scheidender Sicherheitsnarrative in den jeweiligen Nationen. In Deutschland, so argumentiert sie, gebe es eine Tendenz, vor allem den Staat in der Pflicht zu sehen, Sicherheit zu garantieren. „A main feature of disaster education in Germany is that security is emphasised above risk.“ (Ebd., S. 595) Chadderton macht eine Dichotomisierung des schützenden Staates einerseits und einer zu schützenden

Bevölkerung andererseits aus, die sich manifestiert in der Institutionalisierung und Professionalisierung von Preparedness in Organisationen wie dem THW oder der (freiwilligen) Feuerwehr. Preparedness ist auf den ersten Blick nicht Teil pädagogischer Praxis, weil sie delegiert wird, etwa an die Polizei. Auf den zweiten Blick jedoch sind Elemente der Preparedness durchaus Teil pädagogischer Praktiken und Diskurse. Dies zeigt sich besonders mit Blick auf den zunehmend verbreiteten Diskurs über Resilienz.

Resilienz

Der Begriff Resilienz wird in einer Reihe von Disziplinen angewendet. Er kommt ursprünglich aus den Naturwissenschaften und der Psychologie, konnte sich aber inzwischen auch in den Sozialwissenschaften etablieren (Martin-Breen/Anderies 2011). Resilienz bezeichnet vor allem die Widerstandsfähigkeit von Personen und Gruppen bzw. Gemeinschaften, aber auch von Orten, Organisationen, Infrastruk-turen, Wirtschafts- und Sozialsystemen (MacKinnon/Derickson 2012). In angel-sächsischen Diskursen ist Resilienz unterdessen zu einer „imaginären Lösung für praktisch alle politischen Probleme“ avanciert (Chandler 2013) und ist fast immer positiv konnotiert (Bourbeau 2013). Psychologen und Pädagogen beschäftigen sich in diesem Zusammenhang vor allem mit ‚gefährdeten Kindern und Jugendlichen‘, die etwa als arm, misshandelt oder traumatisiert gelten, und wie diese Kinder dabei unterstützt werden können „unter widrigen Umständen zu gedeihen“ (Welter-En-derlin/Hildenbrand 2016). Kritisiert wird am Resilienzbegriff, dass er dazu neigt, sich auf einzelne, als autonom angesehene, Individuen zu fokussieren, die nur mehr (re)aktiviert (befähigt) werden müssen, um ihre Probleme letztlich allein lösen zu können. Ungerechte soziale Bedingungen, Machtverhältnisse und Mechanis-men der Diskriminierung werden entweder nicht thematisiert oder dezidiert als unveränderlich betrachtet. Gerade deshalb erscheint das Konzept der Resilienz für Praktiker*innen attraktiv, da es die Möglichkeit suggeriert, die Situation des/

der Einzelnen trotz der strukturellen Situation, die aus ihrer Sicht nicht verändert werden kann, zu verbessern. Vor diesem Hintergrund bestehen Forscher*innen darauf, die inhärente Komplexität und Ambivalenz des Resilienzkonzepts zu be-rücksichtigen (Opp et al. 2008).

Die Strategien zur Stärkung der Resilienz von Individuen und Gemeinschaften in Deutschland sind vielfältig und variieren stark zwischen den Kontexten. Für ‚ge-fährdete‘ Kinder und Jugendliche gibt es beispielsweise verschiedene Programme und Initiativen in den Bereichen Schule (Ramseger/Wagener 2008; Seifert 2011), frühkindliche Bildung (Wyrobnik 2016) und Sozialarbeit (Ungar 2011). Es gibt

auch eine Reihe von Studien, die sich mit der Entwicklung von Resilienzen aus biographischer Sicht befassen (Felden 2009). Hier werden die Lebensgeschichten von Menschen, die aufgrund ihrer statistisch identifizierten Prekarität als beson-ders gefährdet gelten, schlecht performen (in Bezug auf Schule und Arbeit) oder ausgeschlossen werden, und die es trotzdem geschafft haben, analysiert, um die Schutzfaktoren in ihrem Leben aufzuspüren. In der Sozialarbeit und im therapeu-tischen Umfeld wird der Ansatz der biographischen Arbeit genutzt, um problema-tische Lebenssituationen zu reflektieren und Strategien zu deren Bewältigung zu entwickeln. In politischen Diskursen taucht der Resilienzbegriff – im Gegensatz zum Präventionsbegriff – (noch) selten auf. Einige bildungspolitische Initiativen lassen jedoch darauf schließen, dass sie einer Strategie folgen, die darauf abzielt, Personen und Gemeinschaften resilient(er) werden zu lassen. Ein Beispiel sind Initiativen der Bundesregierung zur Verbesserung der lokalen Bildungsorganisa-tion, verstanden als so genannte Bildungslandschaften (vgl. Wischmann 2014) wie

„Lernen vor Ort“2. Diese Initiativen zielen auf eine noch höhere Teilnahmequote an allen Bildungsformen (von der frühen Kindheit bis zur Berufsausbildung) ab, welche, so die Annahme, zu mehr individuellem Bildungserfolg führt und damit wiederum zu weniger sozialer und wirtschaftlicher Verwundbarkeit. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass eine Teilnahme an Bildungsangeboten, zu größerer sozialer Sicherheit führt, was de facto jedoch nur für einen Teil der Bevölkerung gilt, nämlich jene, die zumeist impliziten Bildungserwartungen ent-sprechen (Wischmann 2010).

Die Konzepte der Prävention, Preparedness und Resilienz zielen gleicher-maßen darauf ab, Individuen oder Gemeinschaften in die Lage zu versetzen, angesichts bestehender oder wahrscheinlicher Gefahren das Risiko für sich zu ver-mindern, Schaden zu nehmen und unter Umständen mit unkalkulierbaren Kosten konfrontiert zu sein. Doch das ist erst der zweite Schritt. Der erste ist es, Gefahren in Risiken zu transformieren (vgl. Bröckling 2008, S. 40). Dazu ein Beispiel: So besteht etwa die Gefahr, dass mein Grundstück bei einem Hochwasser überflutet wird. Das Risiko ist, dass das Wasser in mein Haus eindringt und es beschädigt und schlimmstenfalls, dass ich verletzt werde oder gar umkomme. Dieses Risiko kann ich (versuchen zu) minimieren, indem ich Sandsäcke aufschichte. Die Gefahr des Hochwassers besteht weiterhin. Letztlich geht es also um den Umgang damit, das Aushalten von Gefahren, darum, ihnen (richtig vorbereitet) zu widerstehen.

Das Ausräumen von Gefahren ist entweder nicht möglich oder nicht gewünscht – vielleicht auch nicht wünschenswert (im Falle des Hochwassers könnte etwa eine Umleitung des Flusses in Erwägung gezogen werden, welche aber unabsehbare Folgen für das Ökosystem haben könnte). Es manifestiert sich in diesen Konzepten also eine bestimmte Sinnstruktur (Oevermann 2001) und mit ihr, so möchte ich im Folgenden zeigen, eine spezifische pädagogische Strategie.

2 Public Pedagogy

Unter public pedagogy (PP) werden öffentliche Pädagogiken verstanden, die außer-halb der Schule verortetet werden (Burdick et al. 2013). Zu Pädagogiken werden hier Praktiken und Diskurse gezählt, die – implizit oder explizit – Einfluss auf Menschen nehmen wollen im Sinne einer jeweils zu rekonstruierenden Agenda.

Diese kann sowohl kritisch-emanzipatorisch als auch affirmativ oder gar repressiv angelegt sein. Das Öffentliche der PP bildet den spezifischen Kontext oder Rahmen der als pädagogisch zu identifizierenden Praxis:

[P]ublic is the framing device used to qualify the pedagogical. By framing the peda-gogical, the public maps the terrain through which pedagogical forces are claimed to be operating. […] It is through this act of framing that a particular public is evoked, and this

‘evoked public’ is that which is ostensibly educated. (Savage 2013, S. 80)

Wie anhand der einschlägigen Überblickswerke schnell deutlich wird, handelt es sich um ein breites und schwer zu systematisierendes Forschungsfeld (Kitagawa 2016). Gleichwohl bietet das Dach public pedagogy eine Klammer für erziehungs-wissenschaftliche Forschung, die sich kritisch mit Einflussnahmen im öffentlichen Raum auseinandersetzt und dabei den Fokus nicht auf lernende oder sich bildende Subjekte verengt und auch nicht auf didaktische oder politische Strategien, son-dern den Anspruch hat, die Interrelationen ebenso zu untersuchen wie die Ziele.

Da PP sich öffentlich vollzieht, ist sie nicht zu trennen vom Politischen, wobei die Stoßrichtungen sich unterscheiden (Biesta 2012). Biesta differenziert zwischen pedagogy for the public, of the public and in the interest of publicness. Die Inter-essenlagen sind allerdings weder immer offensichtlich noch in sich homogen. Der Neoliberalismus kann Giroux zufolge selbst als eine PP verstanden werden, wobei er gleichermaßen als eine Pädagogik für die Öffentlichkeit als auch der Öffentlich-keit verstanden werden kann, nicht jedoch als eine Pädagogik im Interesse der Öffentlichkeit, denn (die) Öffentlichkeit (selbst) werde durch den Neoliberalismus zerstört (Giroux 2010).

Within neoliberalism’s market driven discourse, corporate power marks the space of a new kind of public pedagogy, one in which the production, dissemination, and circulation of ideas emerges from the educational force of the larger culture. Public pedagogy in this sense refers to a powerful ensemble of ideological and institutional forces whose aim is to produce competitive, self-interested individuals vying for their own material and ideologi-cal gain. The culture of corporate public pedagogy largely cancels out or devalues gender, class-specific, and racial injustices of the existing social order within narrow economic relations. Corporate public pedagogy has become an all-encompassing cultural horizon for producing market identities, values, and practices. (Giroux 2010, S. 486)

In diesem Sinn kann die neoliberale PP als eine destruktive Strategie verstanden werden, denn sie zerstört und verunmöglicht ein solidarisches Miteinander und Anerkennungsmodi außerhalb einer ökonomistischen Matrix. Paradoxerweise spielen in ihr Techniken der (inneren) Sicherheit und der Securitization (Opitz 2017) eine zentrale Rolle, während sie gleichzeitig zur Prekarisierung von Individuen und Gemeinschaften beiträgt. Zu sichern ist innerhalb dieser paradoxen Wirk-weise die Strategie der Pädagogik selbst, denn es geht darum, zuwiderlaufende Entwicklungen zu unterbinden und widerständige Subjekte zu unterdrücken und in die Spur zu bringen – am besten, bevor sie die bestehende Ordnung sowie deren weitere Neoliberalisierung stören (können).

3 Prävention – Preparedness – Resilienz. Strategien einer neoliberalen Public Pedagogy

In diesem Sinne können die dargestellten Dispositive der Pädagogik (innerer) Sicherheit als Teil einer neoliberalen PP verstanden werden, die weit über genuin als pädagogisch geltende Kontexte hinausweist und die in sich paradox wirkt, in-dem sie gleichsam zerstört und (ver)sichert bzw. den Modus der Zerstörung sichert.

Die Ratio der Prävention, die im deutschsprachigen Diskurs und vor allem auch in der pädagogischen Praxis am geläufigsten ist, ist nahezu omnipräsent. Das Ziel ist dabei, dass die Subjekte nicht nur vor Gefahren bewahrt werden, sondern eben in die Lage versetzt werden, sich selbst zu bewahren. Und damit korrespondiert Prävention mit Preparedness und Resilienz, und dies in den unterschiedlichsten Felden.

Doch was heißt das konkret? Grossberg (2001) sowie Giroux (2013) argumen-tieren, dass die PP des Neoliberalismus einen Krieg gegen die Jugend (in den USA) führe, weil sie Kinder und Jugendliche auf ihre Funktion als Konsumenten respek-tive Produzenten reduziere, was je nach geografischer und sozialer Positionierung unterschiedliche Konsequenzen hat. Zudem hat diese Reduzierung auf spezifische gesellschaftliche Positionen Einfluss auf das Soziale und das Politische, auf das Öffentliche und das Private (Giroux 2008). Darüber hinaus werden die Kinder und Jugendlichen, die aufgrund ihrer sozio-ökonomischen und rassialisierten Position benachteiligt sind, verdächtigt, überwacht und kriminalisiert – nicht zuletzt in und durch Bildungsinstitutionen. Gleichzeitig werden offensichtlich sozial induzierte Problemlagen individualisiert. Kinder und Jugendliche gehören – unabhängig von Migrationshintergrund und Geschlecht – zur am meisten von Armut betroffenen und bedrohten Gruppe, auch in Deutschland (vgl. Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands 2019). Hier setzt die Logik von Prävention, Preparedness und Resilienz ein, die es nun an die Kinder oder Jugendlichen delegiert, für sich

zu sorgen. Um zu verdeutlichen, wie sich diese public pedagogy auswirken kann, möchte ich an dieser Stelle auf einen Fall rekurrieren, genauer ein Interview, das im Rahmen einer Studie zu Neuzugewanderten im deutschen Bildungssystem entstanden ist (vgl. Wischmann und Liesner 2020).

Janis: So, mein Vater kommt aus Hamburg hier [I: aha.] aber war mit 13 Jahre alt in Griechenland. Er hat meine Mutter kennen gelernt so und wir hatten schon vorher die Familie von meine Vater hierher [I: mhm]. Und die haben zu uns gesagt: komm lieber hier, is besser wegen, we-gen Arbeit und so. Weil mein Vater von seiner Arbeit her kriegt nich so viel Geld er arbeitet als Busfahrer.

Janis: So, mein Vater kommt aus Hamburg hier [I: aha.] aber war mit 13 Jahre alt in Griechenland. Er hat meine Mutter kennen gelernt so und wir hatten schon vorher die Familie von meine Vater hierher [I: mhm]. Und die haben zu uns gesagt: komm lieber hier, is besser wegen, we-gen Arbeit und so. Weil mein Vater von seiner Arbeit her kriegt nich so viel Geld er arbeitet als Busfahrer.