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A pril schrieb Stensen an Grifsenfeld:

„D em ü thigst danke ich E w . Excellenz für Ih r e Affection gegen mich und wünsche von Herzen, G o t t möge m ir vergönnen, daß ich einst Ih n e n meine Dankbarkeit und angenehmen Dienste beweisen könne. Ic h vermuthe, daß E w . Excellenz bereits den G r u n d kennen, weßhalb meine A n tw o rt so spät erfolgt. D e n n die B rie fe , welche die O rd re S r . königlichen M a je stä t enthielten, kamen nicht vor dem 3. A p r i l d. nach H o llan d . V o n dort wurden sie m ir gestern den 25. A p r i l eingehändigt. Ic h bitte daher dienstschuldigst, mich bei unserem gnädigsten H erren und K ö n ig entschuldigen zu wollen.

Heute M o r g e n w a r ich beim Großherzoge, um ihm den Befehl S r . könig­

lichen M a je stä t mitzutheilen, und hoffe innerhalb weniger T a g e meinen vollen Abschied zu erhalten. Ic h w ill mich dann m it allem Fleiße beeilen . . . " *

D ie Freunde Stensens w aren tief betrübt über seine Abreise. M ag a - lotti schrieb an O ctav ius F alconieri am 28. J u n i :

„ D ie Gewissensfreiheit raubt u n s S te n o n e , der von seinem K ö n ige zurückberufen ist. S e in e Pension beträgt 400 S c u d i. Doch glau b t er, im heiligen J a h re (1 6 7 5 ) wieder hier zu sein, u m sich einige Z e it bei u n s auf­

zuhalten. M i r m iß fä llt a u s zwei G rü n d e n seine Abreise. D e n n , abgesehen davon, daß ich einen F re u n d , ich kann sagen, einen geistigen V a te r in ihm verliere, bleibt m ir n u r eine sehr langw eilige Beschäftigung übrig. Ic h soll nämlich die Oberaufsicht über das Naturaliencabinet führen, die ich w ohl jetzt übernehmen muß, indem C a r d in a l Leopold m ir dieselbe durch einen Befehl des Großherzogs hat übertragen lassen." ^

Am 3. J u l i tra f Stensen in Kopenhagen ein , wie w ir a u s dem Hauptbuch der Steuerkam m er ersehen*. E r nahm W ohnung bei seiner Schwester. V on dort schrieb er am 20. August 1672 an Schwester M a r ia :

Stensen Professor der Anatomie an der Kopenhagener Universität. 91

i Geheim-Archiv, H aellL vä^v 1eßvel8er 40. kol. 48. n. 141. DaS Akten­

stück ist dänisch.

r Geheim-Archiv, Handschrift N. 93. Der Brief ist französisch abgefaßt, b ölLnni, I. o. x. 134.

* Geheim-Archiv. Hoikuit Lsooläuiu^dox uäi LeLatLammerLt, 5oI. 107.

Ausbezahlt wurden die 400 Reichsthaler

bis

16. September 1674. Idiä.

si

„ E in e E ntschuldigung wegen meines späten Schreibens w ill ich Ih n e n gegen­

über nicht Vorbringen. S i e haben gew iß von A nd ern meine A n ku nft in diesem Land erfahren und ohne Zw eifel von der Lage der kleinen Kirche dieser Lande gehört, wo w ir sowohl an Festtagen a ls an den anderen T a g e n n u r eine Messe haben. Ü b rige n s macht m an u n s keine Schwierigkeiten. W i r müssen abw arten, w a s G o t t thun wird. Ic h wohne bei meiner Schwester; m a n lä ß t mich in Frieden, N ie m a n d spricht gegen mich, da Viele der Ansicht sind, daß Jeder in seiner R e lig io n selig werde, wenn er n u r gu t lebe. Obschon sie mich nicht tadeln, wollen sie doch von keiner anderen R e lig io n etwas hören, wenngleich E in ig e auch gut über u n s sprechen. Ic h wünschte, sie be­

säßen etwas von dem, w a s sich bei den Unserigen findet, aber die Ausschrei­

tungen der schlechten Katholiken haben sich so tief ihrem Geiste eingeprägt, daß sie über die Lehre nicht Nachdenken können oder besser gesagt nicht wollen.

B itte n S i e G o t t zunächst für mich, daß er m ir nach dem M a ß e seines hei­

ligsten W o h lge falle n s die heilige Beharrlichkeit und W achsthum im geistlichen Leben verleihe. Beten S i e aber auch, daß G o t t Barmherzigkeit übe an diesen Ländern des N o rd e n s und so vielen geistig todten Seelen das Leben zurück­

gebe; vor A lle m aber bitte ich, empfehlen S i e G o t t den kleinen Prinzen (Friedrich I V . , 1699— 1730). E s ist m ir der Gedanke gekommen, für jene Seelen zu G o t t beten zu lassen, die er vor andern a u s diesen Finsternissen befreien w ill. W e n n S i e daher vor dem A ltä re knieen und I h r inbrünstiges Gebet verrichten, senden S i e in dieser M e in u n g einige Seufzer zu G o t t e m p o r . . . " *

I n Kopenhagen machte sich die Anwesenheit S tensens bald fühlbar.

M it ihm schienen fü r das „anatomische T heater" die goldenen Zeiten S im o n P a u lli's und T hom as B a rth o lin s zurückgekehrt zu sein. I n seiner A ntrittsrede bekannte er sich offen in ebenso schönen a ls beredten W orten a ls gewissenhaften und christlichen Forscher

Nachdem er im E in g ä n g e derselben C h ristian V . für das ihm bewiesene W o h lw o lle n gedankt hat, fordert er seine Zu höre r auf, sie möchten ihre A u f ­ merksamkeit nicht auf das W o r t und die H a n d des Lehrers, sondern auf die W u n d e r richten, welche er ihnen in G otte s Werken zeigen würde. D e r A n a to m müsse auf die in der N a t u r verborgenen Wunderwerke G otte s in ähnlicher Weise Hinweisen, wie ein Führer, welcher den Beschauern die Schätze eines M u s e u m s zeigt. A u f den ersten Blick scheine zw ar oft die N a t u r w enig Anziehendes, ja wie z. B . ein Leichnam n u r Abstoßendes zu bieten, doch solle m an nicht beim Ä u ß e rn stehen bleiben, sondern in die inneren Schönheiten einzudringen suchen.

„ W e r eine W iese in der schönsten Jahreszeit a u s der Ferne betrachtet, empfängt in F olge der M isc h u n g der herrlichsten Farben einen g a r lieblichen 9 2 Stensen Professor der Anatomie an der Kopenhagens Universität.

1 NLQQl, 1. e. x. 136—140.

2 Mitgetheilt in Hakn. vol. II. x. 359—366.

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Eindruck. Lä ßt er sich aber auf der Wiese selbst zu den einzelnen Pflanzen herab, um ihre B lä tte r und B lu m e n genauer zu betrachten, so entfaltet sich vor seinen A u g e n eine solche M a n n ig fa ltig k e it und Schönheit von Gebilden und Farben, daß er sich genöthigt sieht, auszurufen: A u s der Ferne erscheint dieß alles schön, doch viel schöner noch ist es in der N ä h e ! G e h t er aber noch weiter und betrachtet etwas näher auch n u r in einer Pflanze die innere Zusammensetzung der Theilchen, den L a u f wie die B e w e gu n g aller Flüssigkeiten und die Reihe von Veränderungen, welche da vor sich gehen, indem a u s dem S a m e n die Pflanze , a u s dieser hinwiederum neuer S a m e n hervorgeht, so w ird er, obschon er von allen diesen V o rgä n ge n n u r sehr w enig und selbst dieses wie im Nebel schaut, doch so viel einsehen, daß jenes Vergnügen, welches er a u s dem E rkannten schöpft, in keinem Vergleich zu dem steht, das er haben würde, wenn er alle Geheimnisse erkennen könnte.

W i r haben Vernunft. S i e beurtheilt das S in n lic h e und öffnet u n s durch das Sin n lich e einen sichtbaren W e g zum Übersinnlichen. F ern sei es also, daß w ir die menschliche W ü rd e ablegen und u n s unter die Thiere setzen.

Vielm ehr wollen w ir häufig folgende durchaus sichere W ah rh e it betrachten und erwägen, dam it w ir so vom Nichtwissen zum Wissen, vom Unvollkommenen zum Vollkommenen emporsteigen. D a n n werden w ir über die wahre W ü rd e des Menschen unser w ürdige Gedanken in u n s anregen. D i e W ahrhe it lautet: W e n n bereits ein winziger T heil des menschlichen Antlitzes so schön ist und den Beschauer so sehr fesselt, welche Schönheiten würden w ir erst sehen, welches V ergnü ge n empfinden, wenn w ir den ganzen W un d e rb a u des Körpers, wenn w ir die Seele, der so viele und zugleich so künstliche I n s t r u ­ mente unterthan sind, wenn w ir die Abhängigkeit aller dieser Theile von jener Ursache, die da alles w eiß, w a s w ir nicht wissen, vollständig durch­

schauen könnten! S c h ö n ist, w a s m a n sieht, schöner, w a s m a n w eiß, doch bei weitem das Schönste ist unserem W issen entzogen*.

D ie ß ist der wahre (höhere) Zweck der A natom ie, den Zuschauer durch den staunenswerthen W un derbau des K ö rp e rs zur W ü rd e der Seele und schließlich durch die W u n d e r beider zur Ke n n tn iß und Liebe des Schöp fers emporzuleiten. D e n n , wer könnte das W underwerk des menschlichen O r g a ­ n is m u s betrachten, ohne nach dessen Urheber zu fra ge n ? Über ihn erfährt er u m so mehr, je demüthiger und vorurtheilsfreier er jenen ungeheuren W a ld von Versuchen (e x p s r is n tia r u m ) durchwandert. F r ä g t m an schon beim B e ­ trachten einer S t a t u e , eines G em äldes u. s. w. nach dem M e iste r, um wie viel mehr müssen w ir dieß thun beim Betrachten des B a u e s des menschlichen K ö rp e rs! J a , so hat es nun einm al die göttliche Vorsehung w underbar ge­

fü g t: zuerst erfüllt G o t t die m it Reflexionsvermögen begabten Geschöpfe m it Stensen Professor der Anatomie an der Kopenhagens Universität. 9 3

t kuledra. 8unt, YUL6 viäentur, xulodriorL) HULS 3oiuntur, lonxe puleker- rima, HUL6 iAnorantur. Göthe benützte diesen Ausspruch im 3. Heft des I. Bandes

„Zur Morphologie", veränderte ihn aber zu: „?uledra 3unt, gune viäeinu3, yuas

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oimu

3

xulodriora, lonxs pulekerrirnL gune LxnorLmu3". S . Göthe's Werke (Ausg. v. Hempel) X X X III. 505.

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tausendfacher Freude über ihre einzelnen W ahrn ehm un gen, hierauf weckt er in ihnen das V e rla n ge n , nach der wahren Ursache dieser Freude zu forschen.

I s t diese endlich gefunden, so veranlaßt er sie nach Erkenntniß des Gebers a u s seinen G a b e n , a ll ihre Liebe von den G a b e n auf den Geber zu über­

tragen. E it e l und unter der W ü rd e dieser Wissenschaft sind daher die B e ­ m ühungen jener Menschen, welche die A natom ie n u r zu einer M a g d machen, dam it sie den Krankheiten vorbeuge oder sie h e ile . . . D i e wahre Anatom ie dagegen ist jene, durch welche u n s G o t t an der H a n d des Anatom en zuerst zur K e n n tn iß des thierischen K ö rp e rs , darau f aber zu seiner K e n ntniß führt.

D e ß h a lb darf der A n a to m seine Entdeckungen oder Beweise nicht sich selbst zuschreiben, er führt n u r das W erk G o tte s a u s und das am Werke Gottes, der ihm nicht n u r zuschaut, sondern auch hilft. O h n e G o t t kann er sich daher, w ill er aufrichtig sein, nichts zuschreiben, es sei denn seine eigenen Fehlgriffe und Jrrth ü m er. S o llt e t ihr etwas eurer E rw a r tu n g W ü rd ig e s sehen, so möchte ich euch A lle gebeten haben, m it m ir die göttliche G ü te zu loben, dagegen alle meine Fehler, sowohl die der Z u n ge a ls der Hände, meiner Ungeduld oder verdecktem S to lz e zuzuschreiben . . . " *

B e re its im O c to b e r n ah m S te n se n öffentliche D isse ction en vor, deren R e s u lt a t die ^ e t a L a k n i e n L i a kurz mittheilen, w e il er selbst später die­

selben a u sfü h rlich e r veröffentlichen wollte. S o verehrte G riffe n fe ld dem I k o a t r u m ein P a a r R en nthiere, der französische Gesandte T e r lo n einen B ä r e n 2. Auch beschäftigte er sich viel m it der E in b a ls a m ir u n g v o n Leichen, die B a r t h o lin bei W eitem jener v o n B i t s vorzog

A lle in nicht la n ge sollte die K o p e n h a ge n e r U n iv e rsitä t d a s G lü ck haben, ihre jungen M e d ic in e r u m den Lehrstuhl S te n se n s zu versam m eln.

M a n c h e ärgerte es nicht w en ig,, d a ß ein K a th o lik , dazu noch ein früherer Lu th e ran e r, ungestört in K o p e n h a g e n eine so wichtige P ro fe ssu r inne hatte. S i e fanden einen W o r tfü h r e r in J o h a n n e s B r u n s m a n n , R e c to r der höheren S c h u le in H e r lu f s h o lm , der im J a h r e 1 6 7 3 gegen Stensen zur Feder g r if f* . W i r werden später a u f diese Kontroverse zurückkommen.

W a r es dieser S t r e it , welcher Ste n se n den A u fe n th a lt in D ä n e m a rk 9 4 Stensen Professor der Anatomie an der Kopenhagens Universität.

* Echt bezeichnend für den Charakter Stensens sind die Schlußworte: „In erroridus aliorum rekutanäis xareior ero, memor äioti a viro non minus xio Huam saxiente: OoAnitio veritatis, alt, omnia falsa, si modo xrokerantur, etiam yuas xrius Lnauciita erant, st äi^uäieare et sudvertere Läonea ost."

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^.eta Hain. vol. I. x. 274—278. n. 135. Am 6. November nahm Stensen die Dissection einer Bilchmaus (xlis) vor. Idlä. vol. III. x. 34.

2 1^. o. vol. III. x. 9. 10: „eontinere me non xotui, yuin Ltenonianam artsm et inäustriam Lilsianae xraeterrem".

* Joh. Drunsmann, geb. 1637, ward 1669 Rector der Schule von Herlufs­

holm bei Nästved auf Seeland; 1679 erhielt er die Ordination als Prediger in Kopenhagen, -j- 1708. Über ihn und seine zahlreichen, größtentheils theologischen

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Stensen Professor der Anatomie an der Kopenhagener Universität. 9 5

verleidete*, schreckten ihn die geringen Aussichten, welche sich ihm a ls Katholiken eröffneten, zog ihn seine Sehnsucht wieder nach seiner neuen Heimath Ita lie n , oder band ihn ein früheres Versprechen, die Erziehung des älteren S oh nes Cosimo's I I I . zu leiten, — Thatsache ist, dah er be­

reits im M a i 1674 um seine Entlassung bat. Am 26. M a i schrieb er an Griffenfeld:

„ A l s E w . Excellenz m ir nach Florenz den Befehl des K ö n ig s sandte, hatte S e . durchlauchtigste Hoheit von T o sk a n a m ir bereits I h r e Absicht mit- getheilt, Ih r e m So h n e , dem Prinzen, durch mich die Naturphilosophie vortragen zu lassen. D e ß h a lb versprach ich bei meiner Abreise von diesem Hofe, einm al dorthin zurückzukehren, vorausgesetzt, daß mein H e rr und K ö n ig m ir diese G u n s t bewilligte. D a ich nun durch B riefe die wiederholte Versicherung erhalten habe, es werde S r . Hoheit sehr angenehm sein, wenn ich jetzt zurück­

kehren könnte, nahe ich mich E w . Excellenz m it der demüthigsten Bitte , m ir bei S r . M a je stä t die E rla u b n iß zu erwirken, zu diesem Fürsten zu gehen, um ihm einen B e w e is meiner Erkenntlichkeit fü r die von ihm empfangenen Gunstbezeugungen zu geben. Diese Reise dürfte mich auch noch mehr fü r den D ien st S r . M aje stät befähigen, wenn sie mich zurückkehren heißt. Ic h hoffe auch, dort gerade nicht a ls m üßiger Unterthan für meinen H e rrn und K ö n ig zu leben. S o könnte ich ja, wenn sich die Gelegenheit böte, die E i n ­ fahrt in den H afen von Livorn o unseren Landsleuten erleichtern, die in den dortigen Gewässern H andelsfahrten anstellen wollen nach dem Beispiele der H olländer und H am bu rger, welche alljährlich den H afen von Livorno berühren.

Dieses zweite J a h r ist verstrichen, ohne daß ich dem allgemeinen Besten dienen konnte, a u s M a n g e l an anatomischen Objecten fü r das Theater. Nichtsdesto­

weniger hoffe ich, daß E w . Excellenz m ir gütigst auch fü r dieses J a h r die huldvoll bewilligte P e n sio n , wie einen P a ß erwirken werden, der so noth- wendig ist, wenn m an in Kriegszeiten r e i s t . . . " *