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(Im Buchhandel nicht zu baden)

November 1919

Das Ende des Militarismus

Von

Karl Larsen

(6)

Deutsche Rundschau.

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doch wird jede Neuigkeit ihrem vollen Titel nach — unter Äinzufügung der Verlags- firma, des Verlagsortes usw. — nach Eingang in der monatlichen Bibliographie aufgeführt.

HM" Manuskripte bitten wir nur nach vorhergegangener Anfrage

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Das Ende des Militarismus >

Von

Karl Larsen (Kopenhagen)

„Deutschland ist zerschmettert, der,Militarismus^ ist bankerott, und wir bekommen Nordschleswig wieder!"

Anter diesem geistigen Äimmelsbild, kann man sagen, trat Dänemark in das Jahr 1919 ein.

And es ist kein Geheimnis, daß der überwiegende Teil des dänischen Volkes froh war, nicht nur über eine dieser Tatsachen — oder vermuteten Tatsachen — sondern eben über die ganze Konstellation.

Die Bahre des Militarismus erhielt noch einen ganz besonderen Fußtritt.

Gegen Schluß des Zahres 1918 wohnte ich einer Studentenversammlung bei, die von einem allgemein als Kenner Deutschlands geltenden Manne ein­

geleitet wurde. Er schilderte das deutsche Volk als eine Nation, die sich, durch den Sieg über Frankreich im Jahre 1870 ganz trunken gemacht, im Laufe der Jahre bis 1914 immer tiefer und tiefer in ihren Siegesrausch hineingearbeitet habe und nun also dem Delirium verfallen sei. Das deutsche Volk sei von militaristischen Junkern geleitet worden, die selbstverständlich nur fortgesetzte militärische Siege gewünscht hätten, von nationalistischen Geschichts­

schreibern, die den Sinn der deutschen akademischen Jugend auf imperialistische Töne stimmten, schließlich und nicht am wenigsten von den vielen „Alldeutschen"

der öffentlichen Meinung, die es dahin hätten bringen wollen, daß Deutsch­

land die Welt beherrschte — wie die Amerikaner sagen, wobei sie (mehr agi­

tatorisch als sprachlich geschickt) „Deutschland, Deutschland über alles!" just in diesem Geiste übersetzen. Der so entwickelte, immer stärker und stärker werdende deutsche Militarismus habe eine wachsende Drohung gegen den Weltfrieden bedeutet und „eine fürchterliche Gefahr" für die kleinen Staaten, nicht am wenigsten für Deutschlands nächste Nachbarn. Darum sei es — wie der Redner sich ausdrückte — gut gewesen, daß es sich so fügte, daß dieser deutsche Militarismus — der also die innerste Arsache des Weltkriegs war — zerschmettert wurde und unter anderem Nordschleswig aus seinen Krallen freigeben mußte.

Lebhafte Zustimmung!

Vortrag, gehalten im März 1919 vor dem Studentenkorps in Lund (Südschweden) und in Arbeitervereinen in Kopenhagen.

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Karl Larsen (Kopenhagen)

Während der dann folgenden Diskussion trug ein anderer akademischer Redner und Historiker, mit strahlenden Augen und begeisterter Stimme, seine Reiseeindrücke aus dem Deutschland der Revolution vor, wo er in erster Linie mit dem nordschleswigschen Reichstagsabgeordneten und einem hohen Beamten des revolutionären Regimes verkehrt hatte, der übrigens später als spartakistisch kompromittiert von Ebert und Scheidemann in Bann getan wurde.

Zuerst hatte dieser Äerr in Warnemünde Landsturmleute damit beschäftigt gesehen, das Bild des Kaisers aus dem Paßgebäude zu entfernen; als das aus verschiedenen Gründen nicht glücken wollte, sagte einer der Leute: „Ach, laßt ihn hängen, er ist erledigt!" — In Berlin war unser Redner auf der Straße von feldmarschmäßig bepackten Frontsoldaten angehalten worden, die auf eigene Faust losgezogen waren, um den Weg nach dem Bahnhof Friedrichstraße zu finden. „Vier Jahre lang haben wir wie die Tiere im Schützengraben gelebt," sagten sie, „nun wollen wir Menschen sein."

And als unser Gewährsmann nach Äause in sein Äotel kam und in Gesell­

schaft des Direktors die Treppe hinaufstieg, widerfuhr ihm das Allerprächtigste:

er sah Personen in Soldatenkleidung aus verschiedenen Zimmern kommen, mit Säbeln, die sie am Koppel über den Arm gehängt hatten, und mit Browningrevolvern in den Äänden, während der Direktor zu einem älteren Offizier, der im Korridor sichtbar wurde, sagte: „Es ist Besuch bei Ihnen, Äerr Oberst!", „worauf der wehrlose Offizier" — so schloß der Redner mit Wärme — „vor den Soldaten stramm dastand, die sich mit den aus seinen und seiner Kameraden Zimmern gestohlenen Waffen entfernten."

Diese drei kleinen Bilder bezeichneten für den Redner das neue Deutsch­

land, das seine Zukunft auf dem Grabe des Militarismus aufbauen sollte.

In einer der verbreitetsten liberalen Zeitungen Dänemarks sang eine lite­

rarische Größe:

Keil neue Zeit!

Neue Zeit — unsre Zeit.

Wir haben die Kämpfer gerüstet für deinen Streit.

Wir haben dich abgerungen steriler Gewalt.

Dein Schoß gibt Neuem Gestalt.

Du bist weich wie Wachs, wenn der Starke dich an sich reißt.

Du schmilzt vor dem Willen, es formt dich der Geist.

Nun erliegt, was Anrecht schuf.

Geboren wird eine neue Zeit! Wir folgen dem Ruf.

Wenn nun aber die Freude über den Zusammenbruch des deutschen Militarismus so herzlich und das Vertrauen auf die Kräfte, die ihn tatsäch­

lich besiegt haben, so groß war, wie das Angeführte anzeigen könnte, warum kam denn diese Freude hier in Dänemark richtig zum Ausdruck nur in ge­

wissen Versammlungen, in ein paar Pressespalten und bei den Festlichkeiten für die Nordschleswiger?

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Warum folgte man nicht den naiven Einsendern oder sentimentalen Journalisten, welche die Dänen in den Zeitungen zu dankbarem Jubel auf- forderten?

Warum fielen wir einander geistig nicht um den Äals? Warum ge­

lobten wir einander nicht mit lächelndem Munde feierlich, aufrichtig und ver­

trauensvoll, in Gemeinschaft dem kommenden Glück entgegenzuarbeiten?

Das Geheimnis dürfte darin liegen, daß die Sonne der Freude von An­

fang an durch ein Wölkchen des Zweifels verdunkelt wurde, das mit jedem Tage schwärzer und schwärzer wurde.

Nicht, daß Deutschland etwa nicht zerschmettert wäre. Das ist Deutsch­

land gründlicher als irgendein Land es je seit den Tagen Karthagos war, und nur überbedenkliche — oder feinfühlige — Seelen in Dänemark dürften meinen, ihre Freudenausbrüche hierüber zurückhalten zu müssen! Der ver­

wundete Löwe wird sich für einen Eselstritt nicht rächen können, so wenig wie er Sinn für die Teilnahme würdiger Menschen hat; er ist im Rückgrat und Gehirn getroffen und schreit gen Äimmel in Schmerz, Enttäuschung und Grimm, während er mit den Klauen seine eigenen Wunden zerfleischt.

Ob aber der Amstand, daß Deutschland für lange Zeit gelähmt ist, so überaus günstig ist für die Welt und besonders für die kleinen Nationen innerhalb der Welt, diese Frage hat bereits ein wenig zu nagen begonnen.

Waren die Deutschen nicht eigentlich ein recht wettbewerbsfähiges Volk ge­

wesen, dessen Beteiligung erwünscht war bei der Festsetzung der Preise von Rohstoffen, Verbrauchsartikeln, fertigen Waren usf.? War es so gut, daß diese Preise jetzt ohne die Mitwirkung der Deutschen festgesetzt werden würden, in erster Linie unter Berücksichtigung der Interessen der mächtigen Groß­

völker, welche die Germanen besiegt hatten und drückende MonoPole schaffen konnten? Wäre nicht auch ein kaufkräftiges Deutschland für den Export vieler kleiner Länder ein besserer Kunde gewesen als das verarmte Land, mit dem man jetzt lange rechnen mußte?

And war schließlich dieser fürchterliche Lindwurm des Militarismus, der über den materiellen und geistigen Schätzen der Völker gebrütet haben sollte, wirklich dadurch getötet, daß deutsches Militär der Äbermacht anderen Militärs erlag, vor allem weil der militärische Geist innerhalb seiner eigenen Front und der Äeimatfront zerbrach, während der der Gegner standhielt?

War der Militarismus überhaupt ein besonderes deutsches Erzeugnis, das mit dem wachsenden Einfluß des „Antimilitarismus" innerhalb des deutschen Staatswesens aus dem Dasein verschwinden würde? Konnte es mit diesem verflirten Militarismus nicht ebenso gehen wie mit dem Kobold, der in die Tonne hinabsprang und in eine andere Wohnung mit hinüberzog, zum Beispiel auf die andere Seite der Vogesen?

And war letzten Endes der Militarismus überhaupt etwas so Entsetz­

liches im Äinblick auf die Gesellschaftsordnung, die jetzt über die Leiche des Militarismus weg von der ganzen Welt Besitz zu ergreifen trachtete, von

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Karl Larsen (Kopenhagen)

Nußland über Deutschland und weiter, mit Hilfe ganz des gleichen Eisens und Blutes, das eins der Kennzeichen des Militarismus gewesen war?

E i n e s d e r K e n n z e i c h e n d e s M i l i t a r i s m u s ? U n t e r a n d e r e n ? A n d welchen?

Was bedeutete in seinem innersten Kern dieser Militarismus, der gerade infolge der Niederlage Deutschlands — und nicht der der anderen krieg«

führenden Mächte — so jämmerlich Bankerott gemacht haben sollte?

I I

Will man versuchen, diese flackernden Fragen zu entwirren, so ist es viel­

leicht am besten, zuerst einmal einiges von dem festzustellen, was Militaris­

mus nicht ist.

Militarismus ist nicht gleichbedeutend mit Militär Wesen, Kriegs­

bereitschaft, Heer- und Flottenmacht. Ein Land kann ein gewaltiges Militär­

wesen haben, ohne daß man es militaristisch im modernen Sinne nennen könnte. Das jedenfalls bis zum Weltkriege unbedingt nicht „militaristische"

englische Volk hatte zum Beispiel das quantitativ bedeutendste und kost­

spieligste Militärwesen der Welt, dessen Kriegsschiffe auf allen Meeren schwammen, und das ein Netz von Militärstationen und Militärbesatzungen über die ganze Erde hin spann.

Militarismus hängt auch nicht damit zusammen, ob ein Volk im­

perialistische Machtpolitik treibt oder nicht, denn — um bei Groß­

britannien zu bleiben — das nichtmilitaristische England ist das führende Land imperialistischer Machtpolitik auf der Erde. Seine Politik von der Königin Elisabeth an bis in die neuere Zeit hat die Seemächte Spanien, Holland, Frankreich niedergekämpft, Dänemarks Flotte geraubt und zahllose Kolonialkriege geführt, so daß Kiplings Tommy Atkins singt: „Bringt mich nach jenseits von Suez, wo die zehn Gebote nicht gelten"; Großbritannien hat sich bis in die allerjüngsten Tage praktisch zu einer imperialistischen Macht­

politik mit Eisen und Blut bekannt, deren Gewalt nicht zu brechen war von den englischen Moralisten, Dichtern, Politikern, praktischen Geschäftsleuten, die Periodenweise gegen sie redeten und schrieben. Es hieße, die Henne vom Ei lernen zu lassen, wenn man — was übrigens während der hysterischen Agitation des Weltkrieges versucht worden ist — behaupten wollte, die eng­

lische Weltpolitik der neuesten Zeit stehe unter dem Einfluß des Geistes Bis­

marcks, Treitschkes und Bernhardts.

Selbst derjenige, der von der Ausdrucksform Abstand nimmt, muß den Gedankengang in den Worten des russischen Kommunisten Bucharin über die Hauptmotive zum Weltkrieg unterschreiben, worin er die Weltpolitik sämtlicher großer imperialistischer Staaten folgendermaßen schildert: „In allererster Linie haben die kleinen Völker in den Kolonien zu leiden, schwache, manchmal wilde Stämme, die von den großen Räuberstaaten nach und nach vernichtet werden.

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Zwischen diesen entsteht ein Kampf um die Verteilung der ,freien« Länder, die noch von keinem der .zivilisierten' Staaten gestohlen sind. Dann folgt der Kampf um das, was bereits früher gestohlen worden ist. Es leuchtet ein, daß dieser ewige Kampf um eine Verteilung der Kolonien die Welt blutrot färbt und mit Haß erfüllt. Hier wird der Krieg zwischen Riesen geführt, zwischen den größten Reichen der Welt, bewaffnet mit den vollkommensten,"

todbringenden Maschinen. — Der Weltkrieg ist der erste Krieg, der um eine endgültige Verteilung der Welt unter die .zivilisierten' Räuber geführt wird.

Der Weltkrieg riß die vier gigantischen Hauptrivalen, England, Deutschland, Amerika und Japan mit in den Todestanz. And der Kampf wurde nur ge­

führt, um eine endgültige Entscheidung darüber herbeizuführen, welche der vier Räuberbanden ihre blutige Ferse auf den Nacken der Welt setzen und die anderen eisern in den Staub treten wird."

Staaten können ein Militärwesen haben und Eroberungspolitik treiben, mit Feuer, Eisen und Blut vorgehen — wie England gegenüber Spaniern, Holländern, Franzosen, Dänen, Indern, afrikanischen Negervölkern, Buren;

oder wie Nordamerika gegenüber Indianern, Mexikanern, Spaniern — und sich doch, mit Recht, in begrifflichem Gegensatz fühlen zu einem Militarismus wie dem modernen deutschen.

Das logisch Richtige hierin erkennt man leicht, wenn man die beiden Haupt­

angriffslinien versolgt, denen die Entente in ihrem Kampf gegen den deutschen Militarismus gefolgt ist.

Der erste Stoß richtete sich dagegen, daß die Außenpolitik des deutschen Reiches nicht von parlamentarisch erwählten und vom Parlament abhängigen Zivilpolitikern geleitet wurde, sondern vom Militärkabinett und Generalstab mit dem obersten Kriegsherrn — dem Kaiser — an der Spitze.

Man wollte nicht leugnen, daß, wenn das deutsche Reich durch eine Reihe von Eroberungskriegen entstanden war, es sich auf dem gleichen Boden aufbaute wie alle anderen Staaten der Welt, England, Rußland, Frank- reich, Japan, Schweden, Dänemark, nur mit dem Unterschiede, daß die einen in ihrer Eroberungspolitik tüchtiger und erfolgreicher waren als die anderen, und daß sie bei einigen Staaten zeitlich weiter zurücklag als bei anderen.

Uber — abgesehen von den Staaten, die nach und nach so klein geworden waren, daß sie nicht mehr bis an den großen Speisetisch der Außenpolitik hinaufreichen konnten -- befanden sich unter den wirklich Plazierten ein paar ältere Stammgäste, die sich, vorläufig wenigstens, sattgegessen hatten, oder deren Appetit in einem bedächtigeren Tempo befriedigt werden konnte; während andere — und unter ihnen in erster Linie Deutschland erst kurze Zeit an den großen Schüsseln gesessen hatten und darum mit einem gewaltigen Appetit ausgerüstet waren, zumal da sie sich in jeder Hinsicht in den Wachstums- lahren befanden. Hieraus ergab sich eine Gefahr der Uneinigkeit, ja der Schlägerei zwischen allen Tischgästen; und, wie Lord Curzon während des Krieges im Oberhause erklärte, man kann nicht verlangen, daß ein großer

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Karl Larsen (Kopenhagen!

Staat mit gewaltigen Wirtschafts- und Prestigeinteressen auf dem ganzen Erdball sich auf die Dauer darein finden soll, daß alle diese Interessen nur

„geduldet" sind und von den Beherrschern der Meere in jedem beliebigen Augenblick ausgeschaltet werden können, was ja gerade im Weltkriege geschah.

Darum bestand offenbar die Gefahr, daß das Deutschland, das nach Er­

reichung seiner kontinentalen Machtstellung Erzeugnisse und Menschen über die Meere gesandt und zu kolonisieren begonnen hatte, zu Lande und zur See einen militärischen Vorstoß unternehmen wollte, um seine Herrschaft i n d e r W e l t z u v e r m e h r e n ( a g i t a t o r i s c h n a n n t e m a n e s e i n e H e r r s c h a f t ü b e r die ganze Welt, eine „Weltherrschaft"). Hierdurch konnte Llnruhe, Krieg und Not über die Menschheit gebracht werden, und diese Menschheit — also mit Ausnahme der 68 Millionen Deutscher — war angeblich im großen und ganzen zufrieden mit der gegenwärtigen politischen Verteilung auf der Erde, besonders außerhalb Europas, und ihrer natürlichen Tendenz, demjenigen, der viel hatte, noch mehr zu geben.

Der von militärischen Idealen und militärischem Ehrgeiz erfüllte deutsche Offizierskaiser und seine Generäle waren, wie man annahm, besonders geneigt und, kraft der deutschen „Autokratie", besonders geeignet, ein solches Kriegs- unglück über die Welt zu bringen.

And diese Gefahr wurde durch die zweite Eigentümlichkeit des deutschen Militarismus gesteigert, durch die militärische Denkweise, die sich im ganzen deutschen Volke dank der Erziehung durch die allgemeine Wehrpflicht ein­

gebürgert hatte.

Mit all der Übertreibung der Kriegserregung hat man Deutschland als den einzigen militärisch aggressiven Staat der Gegenwart bezeichnet, dessen Bevölkerung in rein militärischem Geiste großgezogen wurde, und dessen Leitung obendrein kraft seinem autokratischen Prinzip in die Hand eines einzelnen Mannes gelegt war, ohne daß eine andere Person oder Institution innerhalb des Volkes mitverantwortlich gewesen wäre. Von hier aus ge­

langte man denn auch konsequent zu dem Gedanken, Kaiser Wilhelm als den verantwortlichen Arheber des Weltkrieges vor ein Gericht zu stellen, wie man einen Privatmann verurteilen würde, der plötzlich in einer friedlichen Gesell- schaft das Messer zöge und über die Anwesenden herfiele, um sie ihrer Ringe

zu berauben. .

Die Ursachen nationaler Kriege und ganz besonders eines Krieges, der so große Nationen und so gewaltige Interessen wie der letzte umfaßt, sind un- zweifelhaft so vielgestaltig, daß die Verantwortung niemals einem größeren oder kleineren Kreise von Männern auferlegt werden kann, geschweige denn einem einzelnen Manne, soviel entscheidende Macht auch in seine -^and gelegt zu sein scheint. Sie oder er können höchstens einen Entschluß über den Zeitpunkt für den Ausbruch des Krieges fassen, wobei sie dann nach bestem Ermessen handeln werden und, was Gesinnung und Klughett bewsst, vor dem — im übrigen recht launenhaften — Gericht der Geschichte die ^>er-

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antwortung tragen müssen. Die wirklichen Arheber solch großer nationaler Kriege sind geschichtliche Verhältnisse, wirtschaftlicher Wettbewerb, verschiedenartige soziale Auffassung und vieles andere, das innerhalb der einzelnen Staaten die Herrschenden mit den Beherrschten in gegenseitiger Abhängigkeit vereinigt.

And wenn Marschall Foch vor einiger Zeit erklärt hat: „Demokratien wie die unsere greifen niemals an, sie wünschen, in Frieden zu leben und in Frieden zu wachsen!" so dürften solche Demokratien so gut wie militärische Autokratien durch den Kaiser, der Volksstimmung heißt, und seine Organe in der Presse und den politischen Vertretungen den Weg sowohl zum Ver- teidigungs- wie zum Angriffskriege finden, wenn die Amstände die Lage haben reifen lassen. Man erinnere sich der Haltung der demokratischen amerikanischen Freistaaten gegenüber Spanien mit Kuba und den Philippinen und — was bei dem Gedanken an Marschall Fochs Behauptung besonders naheliegt — der Kriegsgeschichte der dritten französischen Republik, die beweist, daß nicht einmal die weit besser übersehbaren, reinen Kolonialkriege durch eine auto­

kratische Militärherrschaft herbeigeführt zu werden brauchen. Denn es läßt sich wohl kaum behaupten, daß in Tonkin, Madagaskar und Marokko die un­

schuldige französische Demokratie angegriffen wurde.

Jedenfalls hat ja Deutschland selbst bereits nach der ersten — bürger­

lichen — Revolution im Oktober 1918 das parlamentarische System durch­

geführt, dem Kaiser das Recht genommen, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, die Heeresleitung dem parlamentarischen Minister unterstellt usw., kurz in allem wesentlichen den deutschen Militarismus abgeschafft, den die Völker der Entente und viele Neutrale mit ihnen als eine die ganze Welt bedrohende Form für die politische Leitung einer Großmacht betrachteten.

Lind gleichzeitig geißelte ein politisches, literarisches und völkisches Deutsch­

l a n d m i t w a h r e r F l a g e l l a n t e n r a s e r e i s e i n e n s ü n d i g e n L e i b a u c h u m d e s Militarismus willen, der etwas ganz anderes und in nationaler und sozialer Hinsicht unendlich Interessanteres war; des Militarismus nämlich, der be­

deutete, daß die ganze Nation von militärischer Erziehung, militärischem Geist und Sinn durchdrungen war auf Grund der preußischen Entwicklung des Systems der allgemeinen Wehrpflicht.

Der zweiten deutschen Revolution von 1918 — der sozialistisch-bolsche­

wistischen November-Revolution — war es vorbehalten, sehr schnell die logische Schlußfolgerung aus dieser vor In- und Ausland energisch demonstrierenden Bußaktion zu ziehen.

Anter der Führerschaft der „Arbeiter- und Soldatenräte" wurde auch dieser Militarismus in Trümmer gelegt.

Kraft welcher Momente?

And zu wessen Gunsten?

Die Beantwortung dieser Fragen in Gemeinschaft mit einer Untersuchung über die geschichtliche Entwicklung des deutschen Militarismus führt zu dem Allertiefsten im sozial-ethischen Wesen dieses merkwürdigen Kulturphänomens.

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Karl Larsen (Kopenhagen)

lll

Wer einen wirklich persönlichen Eindruck von den verschiedenen deutschen Volksstämmen gewonnen hat und Deutschlands Geschichte im Wechsel der Zeiten einigermaßen kennt, weiß, daß die Deutschen im Innersten leidenschaft­

lich, sentimental und romantisch, lyrisch, musikalisch und spekulativ, mit sich selber beschäftigt und eigenwillig sind, und daß daher ihr politisches Dasein vom Mittelalter bis weit in das neunzehnte Jahrhundert hinein unter heftig m Stimmungsschwingungen verlaufen ist, in gegenseitigem Äader und Kampf, wodurch eine Zersplitterung herbeigeführt wurde, die sich nur schwach und vorübergehend unter nationalen Gesichtspunkten ausgleichen ließ.

Das Römische Reich deutscher Nation glitt im Lauf der Jahrhunderte in einen Sumpf konkurrierender Sonderbewegungen, aus dem sich die breitere Bevölkerung der modernen Zeit geistig in ein recht arbeitsames, gemüt­

liches Philistertum hinüberrettete, während die Äöherbegabten und T esser­

erzogenen auf die Zinnen des Dichtens und Denkens, der Musik und des Mystizismus flüchteten, wo, im Vorbeigehn bemerkt, ein in materieller Hin­

sicht oft überaus rauher Wind wehte.

Ein deutscher Forscher hat treffend bemerkt, daß man von den großen Vätern der modernen deutschen Geisteskultur sagen könne: Ihr Reich war nicht von dieser Welt! Ja er hat nachgewiesen, daß die größten Männer des goldenen Zeitalters der deutschen Kultur sich deutlich gegen die Gnaden­

geschenke einer politischen Welt ausgesprochen haben. Friedrich Schlegel er­

mahnte: „Nicht in die politische Welt verschleudere du Glauben und Liebe, aber in der göttlichen Welt der Wissenschaft und der Kunst opfere dein Innerstes in den heiligen Feuerstrom ewiger Bildung!" Goethe schreibt im Jahre 1799 an Professor Äottinger in Zürich: „Für den, der sich über seine Zeit erheben kann, ist das Vaterland nirgends und überall." Schiller hat er­

klärt: „Deutsches Reich und deutsche Nation sind zweierlei Dinge. Die Majestät des Deutschen ruhte nie auf dem Äaupt seiner Fürsten. Ab­

gesondert von dem Politischen, hat der Deutsche sich einen eigenen Wert ge­

gründet; und wenn auch das Imperium zurückginge, so bliebe die deutsche Würde unangefochten." Ja sogar Fichte fragt noch 1805: „Welches ist denn das Vaterland des wahrhaft ausgebildeten christlichen Europäers?" And er antwortet: „Im allgemeinen ist es Europa, insbesondere in jedem Zeitalter derjenige Staat in Europa, der auf der Äöhe der Kultur steht."

Nur in einem der deutschen Länder hatte sich im Laufe von ein paar Jahrhunderten innerhalb gewisser Bevölkerungsschichten ein anderer Geist entwickelt. Das geschah in demjenigen der deutschen Staaten, den man Deutschlands Amerika nennen kann, wo Pioniere und Kolonisten, Kriege'', Landleute, Kaufleute aus allen deutschen Landen und auch Flüchtlinge aus außerdeutschen Neichen, slawischen Völkern ihr Land in ähnlicher Weise ent­

wunden hatten, wie die Amerikaner den Indianern die Prärien fortnahmen.

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Diese Bahnbrecher der verschiedenen deutschen Stämme in Deutschlands kar east — mit nach und nach bedeutender werdendem jüdischen Einschlag — hatten unter harten Entbehrungen das deutsche Preußen geschaffen; dem Namen nach ursprünglich die Bezeichnung für slawisches Land; sie hatten Wohnungen gebaut, den Acker bestellt, Geschäfte gemacht, überhaupt dieses Amland, das fern von den alten deutschen Ländern im Süden und Westen lag, kultiviert. And mit Waffengewalt hatten sie einen Widerstand von viel ernsterer Art zu besiegen gehabt, als er den Kolonisten einer modernen Zeit auf der anderen Seite des Atlantischen Ozeans begegnete.

Die Preußen, wie sie mit einem Sammelnamen genannt wurden, mußten Krieger werden, militärische Eroberer, die gelernt hatten, geübten Kriegs­

häuptlingen zu gehorchen, und über Untergebene befehlen konnten; sie mußten als Herren neue Landerwerbungen zu verwalten verstehen, die militärisch dagegen zu sichern waren, daß sie wieder verloren gingen, sie wurden Landhändler und sonstige nüchterne Kaufleute.

And die Nachkommen der ältesten und älteren Pioniere konnten keinen Augenblick auf ihren Lorbeeren ausruhen. Ihr Land war eben ein durch Kriegs­

glück und Äandelsmöglichkeit gestaltetes Kolonialland, das nicht in ruhigem Gleichgewicht in natürlichen Grenzen dalag und eine nach Ursprung und Ent­

wicklung national gleichartige Bevölkerung beherbergte. Am einen Kriegsherrn und eine Kriegsfahne mußten sich die Preußen in natürlicher Weise sammeln.

Der preußische Staat, den ihre Geschichte in einer Zeit, die ihnen allen im Bewußtsein war, geschaffen hatte, mußte eine Art zeitlicher Gottheit werden, der das Pioniervolk diente in dem gemeinschaftlichen Willen, dieses Staats­

gebäude wirtschaftlich und kulturell zu erhalten und zu entwickeln, das all­

mählich zusammengezimmert worden war, wie Blockhäuser im jungfräulichen Walde, der um sie herum mehr und mehr ausgerodet wird.

Preußens Geschichte von den Kreuzzügen des Mittelalters gegen die Slawen über die Eroberung Schlesiens und der polnischen Länder durch Friedrich den Großen bis zu den Zeiten Wilhelms des Ersten ist eine immer weiter um sich greifende Ausbreitung der preußischen „Farben". In treffender Weise heißt es in dem bekannten preußischen Nationallied: „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben?" Meine Farben, nicht meine Sprache, mein Land, mein Volk, sondern mein kriegerisches Wahrzeichen, die Kokarde, das Symbol der organisierten Staatsmacht meiner Gemeinschaft.

Aber hebt die preußische Geschichte so dauernd das Preußisch-staatliche h e r v o r , s o i s t s i e d a n e b e n i n e n t s c h e i d e n d e n F ä l l e n v o n n a t i o n a l e r D e u t s c h - färbung gewesen, von dem Siege Friedrichs des Großen bei Roßbach über die Soldaten Ludwigs des Fünfzehnten, durch die Freiheitskriege von 1813 und den großen preußisch-deutschen Zollbund im Jahre 1834 bis zum Siege über Frankreich 1870. Preußen wurde, wenn es nottat, selber der deutsche Roland, der die Schwertstreiche der frühzeitig national geeinten Nachbarn der Deutschen im Westen abwehrte und an der Spitze ging, um die drückende

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Karl Larsen (Kopenhagen)

wirtschaftliche Übermacht Englands nach der napoleonischen Zeit zu brechen.

Preußen wurde der 5>eld, der nicht nur gegen Moskowiter und andere Slawen im Osten Wacht hielt, sondern auch die Führerschaft gegen die Welschen übernahm, die alte deutsche Landesteile erobert hatten und unter Napoleon dem ganzen Deutschland sein Schicksal von Paris aus diktierten.

Durch seine Soldaten und militärisch-methodisch arbeitenden Bureaukraten, seine Techniker und Gelehrten erhielt Preußen die Führung in der außen-

politischen und ökonomischen Emanzipation Deutschlands.

Der berühmte englische Geschichtsschreiber Macaulay sagt in seiner Be­

sprechung des Sieges Friedrichs des Großen über Marschall Soubise: „Nie hatte der teutonische Volksstamm einen derartigen Sieg über die Franzosen errungen. Die Nachrichten davon riefen einen allgemeinen Ausbruch von Freude und Stolz bei der ganzen großen Familie hervor, die die verschiedenen Mundarten der alten Sprache des Arminius sprach. Friedrichs Name begann den Mangel einer gemeinsamen Regierung und einer gemeinsamen Hauptstadt zu ersetzen ... Da erst zeigte es sich, daß die Deutschen ein Volk waren. . ."

Und unter der Führerschaft des Kriegslandes Preußen erhob sich im Jahre 1813 das ganze Deutschland, dessen Goethe das Vaterland überall und nirgends gefunden hatte, gegen den genialen Italiener, der Frankreich zu seinem Vater­

lande gemacht hatte, um, wie er sich ausdrückte, „ein großes, föderativ-ge- eintes Europa zu schaffen, so wie ich es für übereinstimmend halten muß mit dem Geiste des Jahrhunderts und für förderlich für den Fortschritt der Zivilisation."

Derjenige deutsche Volksstamm, der am meisten — mehr oder weniger gut aufgesogenes — fremdes Blut in seinem Staatskörper hatte, ergriff von seinen Staatsinteressen aus und mit militärischer Äand das deutsche nationale Banner und übernahm die Führerschaft, um den fremden Aniversal-Kaiser aus Friedrich Schlegels, Goethes und Schillers Landen zu verjagen.

Preußische Patrioten marschierten an der Spitze in dem Kampf gegen Napoleons kosmopolitische Ideen und trugen in erster Linie dazu bei, in Deutschland den Sympathien für sie entgegenzuarbeiten und den Weg für eine deutsch-nationale Selbstbehauptung zu bahnen, die sich weigerte, beim Kampf für den „Fortschritt der Zivilisation" Diener von Fremden zu sein.

Als die Fremdherrschaft zerbrochen war, reorganisierte Preußen sein Äeer nach eigenartig geformten, modernen Grundsätzen, es führte eine gleichartige Verwaltung der vielfältigen Gebiete mit verschieden überlieferter Administration durch, wie sie dem Lande auf dem Wiener Kongreß zuerkannt worden war;

und es löste diese Aufgabe — nach dem Urteil eines preußenfeindlichen dänischen Geschichtsschreibers — mit „musterhafter Ordnung und Festigkeit".

Aber Preußen ging abermals über seine eigenen Interessen hinaus und zog ins Feld für die Sache Deutschlands durch sein energisches Streben, die praktischen Wissenschaften, Industrie und Äandel zu fördern, im Zusammen­

hang mit dem Beginn einer ganz neuen Zollpolitik; das alles zielte nach Waterloo auf England hin und auf die Preise, die die Briten dem armen

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Deutschland vorschrieben. Trotz dem heftigen Widerstano sowohl seitens Englands wie seitens kurzsichtiger deutscher Staaten gelang es Preußen, wiederum einen nationalen Sieg für Deutschland zu gewinnen, und durch seine Zollvorschriften und den Zollbund, der um 1840 die bedeutenderen deutschen Länder umfaßte, Deutschland aus einem demütigen Abnehmer Englands mit einem gewaltigen Schritt vorwärts zu seinem tätigen Wettbewerber zu machen.

Aber während dieser ganzen Entwicklung fanden viele Idealisten aus dem alten Deutschland, daß es mit dem „Fortschritt der Zivilisation" nicht recht vorwärts ging, den sie herbeisehnten unter der Führung national-deutscher oder wenigstens deutschsprechender und deutschschreibender Männer. Die preußische „Reaktion", die festverankert war in altpreußischer militärischer und bürokratischer, fachlicher Organisation und sich wirksam interessierte für wissenschaftlichen, technischen, industriellen, staatsökonomischen Fortschritt, hatte wenig Sinn für innenpolitische oder doktrinär-soziale Entwicklung. Sie er­

schien bald als die Mauer, die das Licht der internationalen Freiheit vom Äause Deutschlands fernhielt, und die niedergelegt werden mußte, was auch versucht wurde und im Revolutionsjahr 1848 vorläufig gelang unter dem Feldruf: Freiheit, Deutschtum und Deutschlands Einheit. Trotzdem heißt es zum Beispiel in einem Briefe des jungen Werner Siemens vom 21. August 1848, nachdem er am 20. März an seinen Bruder von der „schrecklich-schönen Nacht"

geschrieben hatte, die „Deutschland um ein Menschenalter vorwärts gebracht"

habe: „Du mußt nicht ungerecht die preußische Reaktion verdammen. Jetzt soll was Großes, ein deutsches Baterland, geschaffen werden; doch ist es noch frag- lich, ob und in welcher Weise es zustande kommt... In Preußen hat das untere Volk einen gewissen preußischen Patriotismus, die einzig haltbare B a s i s , d i e B e w ä h r u n g i n Z e i t e n d e r N o t u n d G e f a h r , u n d d e n a l t e n K r i e g s ­ r u h m , m i t h i n d e m S e l b s t v e r t r a u e n e n t s p r o s s e n . I m g a n z e n ü b r i g e n Deutschland ist das Volk im großen indifferent —das der wesent­

liche Unterschied. 5lnd es ist für Deutschland als ein Glück anzusehen, daß es n o c h i r g e n d w o i n D e u t s c h l a n d i m V o l k e i n e n P a t r i o t i s m u s g a b , d e r d e n Kern eines künftigen deutschen Patriotismus bilden könnte."

Durch diese Worte eines höchst intelligenten Beobachters, der in preußischen Diensten stand, ohne selbst Preuße zu sein, der vielmehr aus einer der Herz­

kammern des alten Deutschland stammte, aus Thüringen, blickt man bis auf den Grund des Verhältnisses zwischen Preußens und Deutschlands Geschichte.

Auf der einen Seite steht ein zur Zentralisierung veranlagtes, nüchternes, in strenger Arbeit erzogenes deutsches Volk, dessen Idealdrang sich auslöst in Opfer­

bereitschaft gegenüber der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Herrlich­

keit seines Staates; auf der anderen Seite schart sich eine Reihe anderer deutscher Völker ohne starkes politisches Rückgrat, mit föderativer Tendenz und der Neigung, ihre Ideale in einer deutschen Führerschaft auf den allgemein mensch­

lichen Gebieten der Musik und Kunst, der Wissenschaft und Literatur zu suchen.

(Schluß folgt.)

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Das Ende des Militarismus

Von

Karl Larsen (Kopenhagen)

(Schluß) IV

reußen war es, das mit seiner Militärmacht und seinem Beamtenstande, mit dem Geiste seiner ganzen geschichtlich naturnotwendig entwickelten Fach­

kenntnis, Organisation und Disziplin, durch militärische und zivile Arbeit, zuletzt im Waffenkampf, alle zersplitterten deutschen Staaten zu einer politischen Einheit sammelte.

Preußischer Militarismus brachte — um volkstümlich zu sprechen —

„Tritt, Maul und Richtung" in den deutschen Geist hinein. Er sammelte alle die einzeln dahineilenden Schritte zu dem großen „Takt", der, wie Björnson dichtete: „die halbe Macht ist", er brachte die vielen Meinungen zum Schweigen, die ebenso zahlreich waren wie Köpfe, schnitt mit seiner machtvollen Autorität die endlosen Diskussionen ab, die in mangelnde Ent­

schlußfähigkeit mündeten, so daß Wille und Intelligenz im Gerede erstickt wurden; er gab deutschem Selbstgefallen eine gemeinsame Richtung durch Niederkämpfung des Eigenwillens und Hinwendung an die Opferbereitschaft.

Als Devise konnte er die Worte seines preußischen Philosophen Immanuel Kant verwenden: Ich schlief und träumte, das Leben wäre Glück, ich erwachte und sah, daß es Pflicht ist. . .

Der preußische Militarismus, der den Krieg von 1870 gewann, konnte seine Stammtafel auf den Vater Friedrichs des Großen, Friedrich Wilhelm den Ersten, zurückführen, der seine Mietssoldaten durch Truppen ergänzte, die nach einem „Cantonreglement" ausgehoben waren; in diesem Reglement heißt es, daß „jeder preußische Llntertan für die Waffen geboren" sei, wo­

mit also bereits die allgemeine Wehrpflicht verkündigt wurde. Aber einer­

seits waren der ganze Adel, dessen Mitglieder meistens freiwillig als Offiziere dienten, die größten Geldleute und gewisse handelswirtschaftlich hervorragende Städte lzum Beispiel Berlin) davon befreit, Soldaten zu stellen, andererseits und vornehmlich stieß die Militärpflicht bei der Bevölkerung auf so ernsten passiven Widerstand, daß es, wie Treitschke sagt, „selbst dem eisernen Willen Friedrich Wilhelms nicht gelungen ist, die Truppenzahl, die ihm vorschwebte, auch nur annähernd zu erreichen". And sein Sohn entfernte sich von dem Bemühen des Vaters, eine allgemeine nationale Soldatenpflicht durchzuführen.

Die Ausnahmen wurden unter dem großen Fritz immer häufiger, seine be­

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rühmtesten Äeere, deren Offizierkorps von wirklicher nationaler Begeisterung und Leidenschaft beseelt war, bestanden überwiegend aus angeworbenen Mann­

schaften. Scharnhorst war es, der bei der Wiederaufrichtung Preußens nach der Niederlage gegenüber Napoleon — im Jahre 1808 — zu dem Grundgedanken des Cantonreglements Friedrich Wilhelms zurückkehrte, inspiriert durch eine neue Zeit, die in den französtlchen Nevolutionsheeren alle kampffähigen Männer eines Landes zur Verteidigung der Republik unter die Fahnen gerufen hatte; er gestaltete später militärisch den Gedanken aus, eine solche wirkliche allgemeine Wehrpflicht aufzustellen, ohne das Gestellungs­

system, das Napoleon angewandt hatte. And durch lange, energische Arbeit, bei hemmendem und antreibendem Widerstand, feierte die allgemeine Wehr­

pflicht in den sechziger Iahren ihre volle Durchführung in Preußen, bis ihr System im Jahre 1870 militärisch und deutschnational seine Probe bestand.

Ein preußischer Junker war Deutschlands großer, nationaler Staatsmann, und mit unwiderstehlicher Kraft drang nun der Geist, der sich frühzeitig im preußischen Äeer- und Verwaltungswesen entwickelt hatte, in den ganzen d e u t s c h e n S t a a t s k ö r p e r e i n . A u s d e m p r e u ß i s c h e n w u r d e e i n d e u t s c h e r Militarismus, der, wie man wohl sagen kann, alle deutschen Länder, alle deutschen Völker uniformierte bis sozusagen in alle Arbeitsformen hinein.

Durch die Hochschule der allgemeinen Wehrpflicht für die ganze erwachsene männliche Jugend der deutschen Bevölkerung breitete dieser Nationalmilitaris- mus sich über alle deutschen Länder aus und in seinem Gefolge das ganze preußische Erziehungssystem.

Es entwickelte sich ein deutscher Nationalmilitarismus, der zu einem der eigentümlichsten Kulturphänomene der Gegenwart wurde und tatsächlich

— wie ich am Anfang des Krieges an anderer Stelle ausgeführt habe —

„zu dem bedeutendsten Kulturwert, den das moderne Deutschland überhaupt entwickelt hat, zu dem eigentlich selbständigen Einsatz Deutschlands in der Kultur der Gegenwart". Er bedeutet eine durch unermüdlichen Fleiß und selbstlose Äingabe, Menschenalter hindurch erarbeitete riesenhafte Organisation von Wissen und Können, Linterordnungsfähigkeit und Führertüchtigkeit, Weit­

blick und Wagemut, alles getragen von religiös erfaßter Opferwilligkeit bis zum Tode.

Die militärische Ausbildung muß notwendigerweise den Sinn für selbst das scheinbar Unbedeutendste ausbilden, peinlich berechnete und berechnende Genauigkeit fordern, Weitblick verlangen, blitzschnelle Entschlußkraft, rücksichts­

losen Energieeinsatz — alles in dem Bewußtsein, daß das betreffende Indi­

viduum in der überwiegenden Zahl der Fälle von dem, was es leidet, handelt, opfert, kein Resultat für sich selbst erntet.

And wie der einzelne Mensch durch die moderne militärische Erziehung dahin gebracht werden mußte, ein automatisch arbeitender kleiner Maschinen­

teil eines ihm überlegenen Ganzen werden zu können, so mußte er unter Um­

s t ä n d e n a l s m i t a l l e n K r ä f t e n i n p o t e n z i e r t e r F o r m w i r k e n d e P e r s ö n l i c h ­ keit auftreten können. Der gemeine Soldat, der als kleiner Bruchteil

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Karl Larsen (Kopenhagen)

seiner Kolonne geführt wurde, hatte bei einem besonderen Auftrag, als Wachtposten, Ordonnanz, Patrouillenführer, Verwendung für die höchstent­

wickelte, selbständige Geistesgegenwart.

Die Tendenz der modernen militärischen Ausbildung lief eben darauf hinaus, in jedem Führer den Gemeinen zu erhalten und in jedem Gemeinen einen Führer zu entwickeln.

Bon diesen Gesichtspunkten aus und auf Grund ständig geübter und entwickelter Praxis war in den letzten 50 Iahren vor dem Weltkrieg in Deutschland ein nationales Äeer geschaffen worden, in dem grundsätzlich jeder deutsche Mann Mitglied gewesen war, eine technisch und moralisch gleich riesenhafte Organisation, deren Takt und Tempo für das ganze arbeitende Deutschland maßgebend wurden.

Der militärische Schritt erscholl in der Schule, von der.untersten bis zur Universität, in der Industrie und dem Sandel, in den Arbeiterbataillonen.

Der Deutsche wurde Soldat, wenn er — aus einem wohldisziplinierten Äeim mit ^echs Iahren in die Schule kam, die kein Filmtheater zur mög­

lichst angenehmen Übermittlung von Kenntnissen war, sondern in erster Linie eine strenge Pflichtschule; während seiner ganzen Lebenstätigkeit war er tatsächlich beim Kommiß und vertauschte die Uniform erst mit dem Totenhemde.

Im tiefsten Frieden arbeiteten die Deutschen Tag für Tag in allen ihren Gewerben und Berufen genau so militärisch wie bei Ausbruch des Krieges, als sie ins Feld rückten. In einem deutschen Modengeschäft war mehr Militarismus als im Seere manches Kleinstaats . . .

Vor dem Kriege hatte ich Gelegenheit, eingehend mit deutschen Kaufleuten zu sprechen, die in Brasilien oder Argentinien arbeiteten. Sie übten in vielen Punkten Kritik an dem Regiment der „Junker" und Offiziere in Deutschland, aber ohne daß sie darüber nachdachten, erklang der militärische Rhythmus durch all ihre Genügsamkeit und ihren Fleiß, ihre Vorsicht und Berechnung, schonungslose Ausdauer und Energie und nicht zuletzt aus ihrem Ehrgeiz über die rein persönliche Befriedigung hinaus und dem Blick in die Zukunft bis weit über ihr eigenes Grab weg.

Diese Männer des Sandels marschierten in Reih' und Glied mit den beuten der Industrie, von denen zum Beispiel Wilhelm von Siemens — in der Zeitschrift „Nord und Süd" — erklärte, bei der Entwicklung, die die Weltwirtschaft in unserem Zeitalter genommen habe, befinde sich die Industrie stets im Kriege, der einzelne Industrietreibende schwimme gewissermaßen in einem Meer von Abhängigkeit umher und rette zugleich seine Existenz nur dadurch, daß er sie selbständig aufs Spiel setze. Die wirtschaftliche Entwick­

l u n g v o l l z i e h e s i c h i n e i n e m b e s t ä n d i g e n K a m p f z w i s c h e n E g o i s m u s und ^olidaritätsgefühl, zwischen Freiheit und Selbständigkeit einer­

seits, Ordnung und Beschränkung andererseits. Dieser Kampf werde aus­

gekämpft durch wissenschaftlich systematische, pflichttreue Arbeit bis auf den Grund der Dinge, wobei das eigene Dasein den Einsatz bilde.

Diese Grundanschauung entspricht genau dem Militarismus der Soldaten!

(23)

Die gleiche Einordnung des einzelnen unter ein Ganzes, die gleiche disziplinierte fachgemäße Arbeit, die gleiche pflichttreue Opferbereitschaft.

And ein so unparteiischer Zeuge wie der deutsche Dichter Richard Dehmel, der als fünfzigjähriger Freiwilliger selber den Krieg mitgemacht hat, schreibt im Dezember ^1918 in der „Neuen Rundschau": „Erst bei meiner Aus­

bildung zum Soldaten ist es mir richtig klar geworden, welche erzieherische Bedeutung in dem gemeinschaftlichen Waffendienst liegt. Dort lernen die meisten jungen Menschen erst hinauszusehen über ihren engen Gesichtskreis und auf das große Ganze zu achten, in das die Handlungen des Menschen eingefügt sind. In allen anderen Schulen ist es gerade umgekehrt; da dient die Organisation dem geistigen Eigennutz des Schülers, bereitet ihn zu einem besonderen Beruf vor; nur mittelbar wird er darüber belehrt, welche Be­

deutung das Ziel seiner Ausbildung für das allgemeine Wohl hat; und seinem Eigenwillen bleibt es überlassen, wie weit er sich nach dieser Belehrung richten will. Wogegen die Ausbildung des Soldaten unmittelbar und unab­

lässig auf die Entwicklung eines Gemeinschafts willens eingestellt ist.

Durch ein System planmäßiger Übungen wird die Aufmerksamkeit fortwährend auf den plötzlichen Befehl gerichtet, dessen Endziel ein praktisches Zusammen­

wirken gegliederter ??<assen ist. Das vollzieht stch immer unter der Voraus­

setzung, daß man einem entscheidenden Augenblick gegenübersteht, einer gefähr­

lichen Überraschung. Hierdurch wird die Geistesgegenwart geschärft, und der einzelne ^!)cann wird sich klar über seinen Wert für die Manneszucht der ganzen Truppe. So lernt er allmählich, selbst zu befehlen und selbständige Entlchlüsse innerhalb der Grenzen seiner Gehorsamspflicht zu treffen. Sein Sinn für Ordnung und ein System sowie sein Freiheitsdrang werden an-

und memandergeknüpft; daß man ihn ein nach außen hin aufrechtes Wesen lehrt, stärkt die innere Aufrichtigkeit, was insgesamt von bleibendem Werte fur die ganze Lebensführung des Mannes ist. Sieht man ab von Übergriffen boshafter vorgesetzter, 10 ist das, was man, besonders seitens unserer Feinde (Dehmel hätte hinzufügen müssen: und seitens allzu vieler Deutscher!), prinzipiell gegen die Straffheit dieser militärischen Erziehung eingewendet hat, nur einem überspannten Freiheitsbegriff entsprungen, der nicht im Dienste der persönlichen Menschenwürde steht, sondern nur aus dem Verlangen, egoist! ich er Willkür zu folgen, erwächst. Lind dieser egoistische Drang läyt sich weder mit deutschem Sinn vereinen, noch mit der menschlichen Zivili­

sation in ihrer Allgemeinheit; so können andere Nationen sich bestialisch m t t c h m s e l b e r z u m b e s t e n h a l t e n ! D e n b e s t e n B e w e i s d a f ü r , w e l c h e r

^ r e i h e i t s w e r t i n d e r m i l i t ä r i s c h e n D i s z i p l i n l a g , l i e f e r t e v o r d e m K r i e g e d i e O r g a n i s a t i o n d e r d e u t s c h e n S o z i a l d e m o k r a t i e , die m kemem Lande ihres gleichen hatte, und die nur kraft dem vorbildlichen Einfluß unserer militärischen Ausbildung zustandegekommen war."

Deutsche Industrie, deutsche Technik und deutscher Handel nach oben und unten hin, unter Arbeitgebern und Arbeitern waren von dem Geiste des nationalen '..ulitarismus zu Welteroberungen inspiriert worden, ebenso wie die deutsche

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Karl Larsen (Kopenhagen»

Wissenschaft durch eine militärisch beseelte Organisation ihr in der modernen Zeit überwältigendes, praktisch anwendbares Arbeitsresultat erzielte, das Einfluß auf dem ganzen Erdball gewann.

Sicherlich ist diese Entwicklung auf Kosten von etwas Wertvollem in der Kultur früherer Zeiten vor sich gegangen, wie es hier in der Welt ja immer geschieht. Aber ebenso sicher geschah sie in innigem Einvernehmen mit dem, was unser ganzes Maschinenzeitalter beherrscht.

Immer wieder in den entschwindenden Iahren mußte ein einigermaßen aufmerksamer Beobachter sich selber fragen: War der deutsche National- Militarismus eigentlich etwas anderes als eine glückliche politische Anpassung an die von unserer modernen Maschinenentwicklung geschaffene Daseinsform mit der unwiderstehlichen Ausbreitung gewaltig zunehmender Bevölkerungen auf internationalen Riesenmärkten, wo der Massenverbrauch uniformiert ist, und wo gigantische Interessen die minutiöseste und aufmerksamste Vorbereitung erfordern, die energisch durchgeführte Tat beim schärfsten Wettbewerb?

Hatten die Deutschen nicht eine Losung für unsere imperialistische Massen- und Maschinenzeit gefunden? Hatte ihre nationale Religion nicht die Bedingungen, eine Weltreligion werden zu können? Sah man nicht unter anderem in Asien, dem gewaltigen Völkerkessel der Zukunft mit seinen unübersehbaren Möglichkeiten, die kleinen gelben Schüler der Deutschen in voller Tätigkeit, die deutschen Lehren unter den günstigsten Konjunkturen zu verwerten?

Und wenn auch die Deutschen in dem Weltkampf verloren, werden nicht die Sieger — wie so oft schon in der Geschichte — die Kulturwaffen der

Überwundenen aufnehmen?

V

Wir wissen, daß, als der Weltkrieg kam, selbst Engländer und Amerikaner ihre Zuflucht zu dem Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht nahmen und unter ausgiebiger Beeinflussung durch den deutschen Militarismus die ungeheure Kriegsmacht schufen, mit der der Krieg zu Ende geführt wurde; wir wissen aus den eignen Erklärungen und Handlungen der Engländer, daß sie im Kriege in vielfacher Hinsicht eine bereits vorhandene Tendenz förderten und die von dem national-militaristischen Deutschland geschaffene Entwicklung zum Vorbilde für ihren Handel, ihre Industrie und soziale Organisation nahmen.

Wir wissen, daß sie die Deutschen militärisch, handelswirtschaftlich und in­

dustriell mit den dem militaristischen Deutschland entnommenen Waffen be­

kämpften, und — wir haben erlebt, daß die Deutschen selbst diese Waffen zerbrachen, die nackten Hände dem Feinde entgegenhielten und baten, mit ihren Siegern mitarbeiten zu dürfen in einem idealistisch genannten Kampfe, der sich gerade als „antimilitaristisch" bezeichnete und ganz besonders gegen den deutschen Militarismus gerichtet war.

Es ist die Geschichte von dem Schützen, der nicht traf und darauf leine Flinte zerschlug.

(25)

Von dem Schüler, der seinen Lehrer verprügelte, weil er der Aufgabe nicht gewachsen war.

Von dem Kaufmann, der seine letzte Ware an den Konkurrenten auslieferte, der ihm all die andern abgenommen hatte.

Muß das nicht wie der helle Wahnsinn wirken?

And doch ist, menschlich gesehen, ein tiefer „Sinn" in der Wut des neuen Deutschlands gegen seinen alten Militarismus, dem jetzt die Schuld gegeben wird für alles Llnglück, von der schlechten Politik angefangen und so fort.

In dieser Bewegung liegt eine natürliche Reaktion gegen etwas Wesentliches im Geiste des Militarismus. Sie richtet einen logisch an und für sich richtigen Stoß gegen eine der Äauptschwächen des Militarismus, die mit seiner größten Stärke Äand in Äand geht.

Der deutsche Militarismus verlangte vom Einzelnen — mochte er Be- fehlender oder Gehorchender sein, Soldat oder nicht — opferbereite Leistung bis zur äußersten Anspannung der Kräfte, ja bis zum Tode, zum Wohle des Staates, der alle umfaßte, der von den Generationen vor uns ausgegangen war und sich in den kommenden fortsetzen sollte, der Ietztlebende, Verstorbene und Werdende in unvergänglicher Entwicklung verband. And dieses ungeheure Opfer wurde gebracht, nicht bloß von den deutschen Äeeren und allem, was mehr oder weniger unmittelbar mit ihnen zusammenhing, sondern auch im größten Amsange von der Zivilbevölkerung des Landes, Frauen und Männern.

Äierin lag das Geheimnis für die ungeheure Kraft des Militarismus sowie der Keim zu seinem fürchterlichen Fall, weil diese Opferbereitschaft des Gehorsams bis zum Tode, unter Anerkennung einer unbedingten Autorität, religiösen Charakter hat, und nur von demjenigen, der glaubt, aufrecht erhalten werden kann.

Der Tag kam, wo der Glaube versagte, der Glaube daran, daß der Militarismus durch die fast übermenschlichen Opfer des Volkes an Arbeit und Gütern, Gesundheit und Leben den Krieg zur Befestigung des politischen, wirtschaftlichen und sonstigen kulturellen Wohles Deutschlands gewinnen könne.

Da schlug der so hoch gespannte Gehorsam in sein Gegenteil um und wurde zum Aufruhr gegen die Autorität des Militarismus, zu einer wilden Anklage gegen sein ganzes System und dessen innersten Kern, den Opfer­

willen und die Gehorsamspflicht. Da machte sich der von so starker Selbst­

zucht gebändigte menschliche Eigenwille in wütendem Grimm frei.

Mit der Schnelligkeit eines Lauffeuers mußten die Kritik und der Kampf sich ausbreiten — mit steigender Ungerechtigkeit — vom Militärwesen und von der Politik zu den Arbeitsformen und dem moralischen Inhalt des bürgerlichen Lebens. Die Autorität von Offizieren und politischen Institutionen, Betriebsleitern, Pastoren, Erziehern und Gewerkschaftsorganisationen wurde von Grund aus erschüttert.

Da enthüllte sich der Kampf gegen den Militarismus als das, was er auch in ruhigeren Zeiten und Formen im Innersten immer gewesen war, nämlich als der Kampf gegen die Autorität, als der Kampf für die Be­

(26)

Karl Larsen (Kopenhagen)

hauptung des Ich, die Befreiung des Menschen von einer Selbstkontrolle, der Krieg gegen Zucht und Selbstzucht.

Es hatte damit begonnen, daß man gewisse Garantien bei der Aus­

übung der Autorität schaffen, ihre Absolutheit einschränken, ihre Verantwortung verteilen, den Offizieren Mannschafts Vertretungen an die Seite stellen, die Verfassung parlamentarisieren, die Monarchie abschaffen, den notwendigen sozialen Zwang auf den freien Willen des ganzen Volkes gründen wollte;

aber mit reißender Fahrt glitt man in das rücksichtslose „Selber nehmen"

der Konsequenzen hinein: Lohnerhöhungen und Arbeitsfreiheit, Einnahmen, Einfluß, Genuß, ohne einen Gedanken an andere und an die Zukunft.

And am Ende des ganzen rasenden Laufes erhob sich als das leuchtende Wahrzeichen der Gegensätze — wiederum das blanke Schwert.

Das Schwert der bolschewistischen Diktatur.

VI

Der Kampf innerhalb Deutschlands gegen den deutschen Militarismus ist nie zur Ruhe gekommen, selbst nicht, als die Wirkungen der Schule des Militarismus sich in wirtschaftlicher Hinsicht und im Äinblick auf das Prestige in der ganzen Welt in der blendendsten Weise äußerten.

Selbstverständlich war der Nationalmilitarismus von der deutschen Be­

völkerung nur aufgenommen worden, wie dergleichen soziale Werte von einem Volk begriffen und in Besitz genommen werden, bewußt von wenigen, un­

bewußt von vielen, von seiten dieser häufig unter Angriffen auf die Prinzipien und Gesichtspunkte, die sie in Wirklichkeit praktisch verfolgen. Lind ebenso natürlich hatte der Militarismus die verschiedenen Gesellschaftsschichten in verschiedenem Grade und mit verschiedener Bereitschaft und Wärme durch­

drungen, wie er beständig unter dem Einfluß des noch wirksamen, wenn auch oft ganz latenten Gegensatzes zwischen preußischem Patriotismus und deutscher kosmopolitischer Tendenz stand.

Zahlreiche waren die Namen, deren sich der deutsche Antimilitarismus be­

diente; unter nebelhaften Devisen hat er gekämpft; Klarheit und Ehrlichkeit waren nicht seine Äaupttugenden.

Redlich waren die — isolierten — Tolstojaner und anderen religiösen Idealisten, die, von einer bestimmten Auffassung vom Wesen der Liebe Gottes aus und kraft tätiger Nächstenliebe, die Opferlehre des Militarismus als unsittlich verwarfen, weil sie sich auf den Krieg gründete, der die organi­

sierte Aufhebung der Menschenliebe bedeutete. Sie kamen in ein gegensätz­

liches Verhältnis zu anderen religiösen Menschen, die den Krieg als eines der Klärung und Züchtigung dienenden Werkzeugs der unfaßbaren Liebe Gottes betrachteten, aber sie fanden sich mit ihnen zusammen in der Forde­

rung persönlicher Opferbereitschaft gegenüber dein Nächsten, wie sie für die Gottesfurcht kennzeichnend ist; und ihr Kampf gegen den Militarismus wurde in Tat und Beispiel mehr als durch Agitation geführt.

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Ganz anders trat der mit jedem Tage bedeutungsvoller werdende Finanz­

kapitalismus auf, sowie die unendlich verzweigte bürgerliche Intelligenz, die materiell und geistig auf ihm beruhte.

Das ganze internationale Fundament des Finanzkapitalismus, sein Bau und seine Maschinerie waren immer komplizierter geworden, feinfühliger und empfindlicher, und fanden sich schlecht mit dem Militarismus zurecht, der die goldenen Kreise so leicht stören konnte. Für eine Lebensauffassung, deren Devise der Gewinn war, wirkten die Opferreden des Militarismus absurd;

ging man selber darauf aus, das Höchstmögliche im Wohlbefinden, in Kunst und Literatur zu erreichen, so mußte der kriegerische Heroismus roh und barbarisch erscheinen und ebenso weit abliegend von den erstrebenswerten Zielen des Lebens w'ie ein schmutziges Schlachtfeld mit Gestank und Jammer von künstlerischen Sälen mit der Freude geistvoller Menschen über die kulturelle Mannigfaltigkeit der Welt. Der Krieg war für den Finanzkapitalismus ein Riesenstrolch, ausgerüstet mit allen sonst durch das schöne, geschmeidige Gold überwundenen oder damit übertünchten Arinstinkten des Eisens, ein Zerstörer und Vernichter, der ersichtlich imstande war, gewisse Vorteile mit sich zu bringen und die Kulturentwicklung zu fördern, aber der das mit allzu brutalen Opfern erreichte, durch heftige Umwälzungen, mit einer Zerstörung und Vernichtung, die dauernd mit dem größten Risiko verbunden war, und die häufig nur positive Verluste im Gefolge hatte oder wenigstens auf der Gewinnseite mit unangenehm langer Sicht rechnen mußte.

Der industrielle, kommerzielle, kulturelle Weltliberalismus vertrug es außer­

dem nicht gut, Blut zu sehen und Schmerz, Not und Qual vor Augen zu haben; er wünschte, daß die bitteren Pillen des Lebens vergoldet würden, und daß man ihnen so viel wie möglich von ihrer Bitterkeit nähme; er war empfindlich gegenüber sich selbst und anderen, wie einer, der mit Frau und Kindern komfortabel lebt und zugleich ein Geschäftsinteresse sowie menschliche Freude daran hat, daß auch der Komfort anderer steigt.

Aber der Liberalismus erkannte doch in Gemütsruhe das Kanonenboot als energischen Geschäftsreisenden an, das gelegentlich neue Märkte mit größerem Äberredungsvermögen erschloß als selbst der gewandteste, sprach­

geschmeidigste friedliche Vertreter, und die Abneigung des Liberalismus gegen Blut und Not ichwand bedeutend, je weiter er sich davon entfernt wußte, und je größer oder geringer der Vorteil war, der aus dem Blut und der Not hervorgehen konnte.

Der Liberalismus unterschätzte die Militärmacht gewiß nicht als Eisen­

stange vor der Tür und als Äebestange zum Packhause; er erkannte den Militärpersonen seine Achtung zu im Verhältnis zu dem Nutzen, den sie aktiv - oder passiv, bloß durch ihre Eristenz — wirtschaftlich leisten konnten, und zu anderer kultureller Tätigkeit; er unterschätzte auch nicht das Nutzenbringende in der nationalen militaristischen Erziehung der Bevölkerung zu Pflichtgefühl, Fleiß, Ordnung, Entschlossenheit usw.; aber er mußte seiner Natur zufolge alles Militärwesen unter dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt eines Geschäftes

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