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KAPITEL

In document THE DET (Sider 114-156)

Noch einmal: wer trägt die Schuld des Krieges? Die Agitationen der deutschen Kriegspartei; das betrogene Volk.

Die Erklärungen der Regierung lächerlich und falsch. Ethi­

sche Ansichten über den Krieg. Die Verantwortung Wilhelms II.

Nemesis. Der Krieg war von einigen Staatsoberhäuptern und Ministern angefacht. Die Folge: durchgreifende Änderungen im deutschen Staatsleben; Abschaffung des Absolutismus und Einführung einer demokratischen Verfassung. Der Einfluss der russischen Revolution. Deutschlands Kriegsziel; die Mei­

nung eines Sonderfriedens. Die Bedeutung der Teilnahme der Vereinigten Staaten am Kriege. Der Kanzlerwechsel in Deutschland bedeutungslos. Die Politik Wilhelms II. und das Schicksal Deutschlands.

In einer der »Volksschriften zum grossen Krieg*

(herausgegeben vom Evangelischen Bunde 1915) mit dem Titel: «Wie es kam», von einem Deutschen, schreibt der Verfasser:

»Vor verwüsteten Wohnstätten, vor Massengräbern kann die Frage nach der Schuld nicht schweigen, sonst wäre unsere Kultur herzlos, unser reiches, überreiches Dasein gefühllos. Darum, so oft die Geschichte über diesen Völkerkrieg von 1914 zu Gericht sitzt, so oft wird Friedrich Schillers Wort mitklingen:

«Das Leben ist der Güter höchstes nicht. Der Übel grösstes aber ist die Schuld.» Wohl uns, dass Deutsch­

lands Volk unter dem zuckenden Feuerstrahl dieses Urteilsspruches frei sein Haupt erheben kann.»

Jawohl, das Volk Deutschlands hat nicht den Krieg verschuldet, das wissen wir alle.

Wie es jedoch mit dem Leiter der deutschen Nation und der deutschen Politik in dieser Hinsicht steht, wenn die Geschichte zu Gericht sitzt, das ist eine andere Frage.

Die Geschichte lehrt uns schon, dass die Männer der Kriegspartei und der Regierung im Juli 1914 so ge­

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handelt haben, als ob sie, trots aller diplomatischen Um­

sicht, den seit manchen Jahren so gut vorbereiteten Krieg getvünscht hätten. Die deutsche Regierung mochte wissen, wie wenig wir, die wir nicht deutsche Untertanen sind und selbständig denken können, uns von den offiziellen Erklärungen der leitenden Männer in Deutschland, von den Reden des Kaisers und des Reichskanzlers im­

ponieren lassen. Sie haben über den Anfang und die Ursachen des Krieges geredet, als ob die Zuhörer Idioten wären, die kein Urteil hätten. Betreffs der deutschen Nation, die intellektuel so hoch steht, gibt es jedoch ein Verhältnis, das leider das Urteil bei Unzähligen abschwächt: die militärische Erziehung.

Als erste Pflicht gilt, gehorsam zu sein und unbedingt sich vor den Vorgesetzten zu beugen, blindes Zutrauen zu den Worten der Regierung zu haben. Was die Re­

gierung sagt, ist wahr, absolut wahr — in Deutschland.

Wer in Deutschland könnte sich denken, dass der Kaiser in irgend welcher Weise den Weltkrieg verschul­

det hätte ? Wer musste ihm nicht glauben, wenn er und sein Reichskanzler gesagt und hundertmal repetiert haben:

»Deutschland ist überfallen; Wir führen einen Vertei­

digungskrieg; Russland und Frankreich haben den Krieg eröffnet; Wir haben alles getan, um den Krieg zu vermeiden; Mitten im Frieden überfällt uns der Feind;

England und Russland tragen vor Gott und der Mensch­

heit die Verantwortung für diese Katastrophe« etc.?

Alles das ist aber falsch.

Man kennt zur Genüge, wie die Leiter des deutschen Staates ein kühnes Lug- und Trugspiel getrieben und

das deutsche Volk betrogen haben.

Es ist ja bekannt, wie Tausende Spielbälle geistiger Hochstapler und hypnotisierender Abenteurer und Be­

trüger gewesen sind, und welchen schrankenlosen Ein­

fluss diese ausüben.

Deutschland ist in eine Art von Volkshypnose ein­

getreten ; die Allermeisten können nicht anders denken als die Regierung, und sie entbehren aller selbstän­

digen Kritik.

Es ist nützlich, hier vor Augen zu halten, was

der berühmte französische Soziologe Louis Bourdeau in seiner Arbeit: «L'Histoire et les Historiens» (1888) betreffs Mitteilungen gewisser Regierungen sagt:

«Die Mitteilungen der absoluten Regierungen an ihre Völker sind gewöhnlich hochtrabende Betrügereien.

Man kennt, wie die Verfasser von Staatsakten mit könig­

licher Schamlosigkeit lügen, wenn sie nicht fürchten, öffentlich widerlegt zu werden. Wo keine Kontrolle möglich ist, und kein Widerspruch toleriert wird, da gibt es nichts Falscheres als ein offizielles Dokument.

Der Despotismus stützt sich auf Betrug und Lüge; er sucht, die öffentliche Meinung irre zu führen, um sie desto besser zu täuschen.»

Die deutsche Kriegsgeschichte mit ihren lächerlichen und sophistischen Auseinandersetzungen über Frankreichs geplanten Einmarsch in Belgien, über die und die Mobili­

sierung in der und der Stunde etc., um Beweise zu liefern, wer den Krieg verschuldet hat, verdient jetzt als ein Kapitel in eine neue Auflage von «-Kultur-Kuriosa*, herausgegeben von Dr. Max Kemmerich, aufgenommen zu werden. Diese Sammlung wahrer Erzählungen über Vorstellungen und Handlungen in der Vergangenheit bezeugen, wie einfältig und grausam die Menschen oft gewesen sind — leider nicht nur das ungebildete Volk, sondern auch seine Leiter — und man wundert sich über die elenden geistigen und sozialen Verhältnisse in früheren Zeiten. So werden auch neue Menschen in der Zukunft, vielleicht nach nur einigen Jahrzehnten, sich fragen, wie es möglich war, dass die Regierung Deutschlands hat erklären können, dass Deutschland 1914 überfallen wurde und nur einen Verteidigungs­

krieg führte. Das ist ja nur ein Kuriosum in der Ge­

schichte.

Das lächerliche Überfallsthema — das jetzt in der Geschichte Deutschlands als Glaubensartikel von der Gelehrtenwelt eingeführt wird — passt als ein Beispiel in eine neue Auflage der vorzüglichen Arbeit «Die Dummheit« von Dr. L. Loewenfeld, der hier mit wissen­

schaftlicher Schärfe alle verschiedenen Arten von Dummheit behandelt. In den Kapiteln über »die

Dumm-— Ill Dumm-—

heit in der Politik» und «Die Dummheit der Massen»

dürfte er dies Thema, das Mobilisierungsgeschwätz u. s. w.

anführen, um ein Gegengewicht zu den Verfälschungen der Chauvinisten zu bilden.

Ganz logisch stellt Pfarrer H. Niemöller in seiner Schrift: «Die Sprache Gottes im Weltkrieg 1914 — 16»

die Frage auf: «Passt solch ein Greuel der Verwüstung und Zerstörung in Gottes Weltregierung hinein? Ist solches Grauen und Grausen mit dem Glauben an einen Gott vereinbar, der die Liebe und Barmherzigkeit sein soll? Haben die nicht Recht, die angesichts solcher unbegreiflichen Erscheinungen fragen: Wo ist nun dein Gott ?*

Sie haben gewiss Recht. Aber der fromme Pfarrer weiss Rat, und in treuer deutscher Gesinnung sagt er:

«Wir hören im Kriege Gottes eherne Schritte. Gott hält im Kriege die Wage in seiner Hand. Der Krieg ist vor allem ein Gottesgericht«. Und er schliesst seine Schrift mit den Worten: «Deutsches Volk, vergiss der Hilfe deines Gottes nicht! Deutsches Volk, vergiss deiner grossen, göttlichen Aufgaben in der Zukunft nicht!«

Aber die anderen streitenden Völker? Ist denn Gott nichts für sie?

Superintendent Max Kröber ist auch lehrreich betreffs deutscher Auffassung des Krieges und der Schuldfrage.

Er sagte in einer seiner Kriegspredigten, wo er u. a.

von dem «Vorsprung der listigen Feinde in der Vorbe­

reitung des Krieges*(!) sprach, folgendes: »Man hat darüber gespottet, wie bei Kriegen jede der beiden Par­

teien Gott um Sieg anruft. Man hat gefragt, welche von beiden Gott denn nun eigentlich erhören sollte, und bezwei­

felt, ob er mit dem Ausgang etwas zu tun habe. Ver­

blendender Zweifel! Gewiss, wo in einem Volke der fromme Glaube, die sittliche Kraft und Zucht und das daraus erwachsende Pflichtgefühl fehlt, da hilft ihm freilich alles Schreien zu Gott in der Stunde der Ge­

fahr nichts». Wenn die Deutschen nur fromm sind,

glaubte der Prediger, «dass Gott uns allezeit Sieg geben wird, in Christo».

*

Diesen Erklärungen deutscher Geistlicher gegenüber teile ich folgende Urteile einiger schwedischen Theo­

logen mit.

Pfarrer E. Hallberg (Stockholm) hat in einem Inter­

view in den «Dagens Nyheter» (8. März 1916) gesagt:

»Der Weltkrieg, worin christliche Nationen einander zerfleischen, ist ja ein Beweis, dass das Christentum nieht imstande gewesen ist, wie es sich gebührt, und man hoffen konnte, sich im menschlichen Leben geltend zu machen. Die Politik ist offenbar nicht ethisiert wor­

den, ebensowenig wie das ökonomische Leben. — Es hat sich plötzlich gezeigt, dass das ganze christliche Gesell­

schaftsleben, trotz allem Reden von den beständigen Fortschritten der christlichen Kultur, vom dem politischen und ökonomischen Heidentum so durchdrungen ist, dass ein Weltkrieg, grausamer als irgendwelcher vor­

hergehende, nicht vermieden werden konnte. Ist es dann zum Verwundern, dass manche in die Versuchung des Unglaubens fallen und denken, dass das Christentum der Menschheit nicht zurecht helfen könnte?*

Der alte ehrwürdige Theologe, Professor W. Rudin, (Uppsala) hat — eine Enquete im «Aftonbladet» beant­

wortend — eine Auffassung des Krieges ausgesprochen, die sehr bemerkenswert ist, und die einen vollständigen Gegensatz zu der Auffassung der deutschen Theologen bildet. Er trauert tief darüber, dass die Christenheit noch so entfernt ist von des Erlösers Gebot, einander gegenseitig zu lieben und zu helfen, so dass die gebil­

deten Nationen Europas während Jahren fortfahren können, einander zu töten. «Meine Gedanken, sagt Rudin, kommen unwillkürlich auf die Offenbarung Johannis im Neuen Testament, die für mich eine wahre Prophezeiung ist, und die mir mit ihren Gesichten hilft.»

Er hebt besonders die Gesichte von den vier Pfer­

den hervor, die ihm Symbole des Krieges und ihrer

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Folgen sind, und die jetzt in Erfüllung gegangen wären.

Im 6. Kap. der Offenbarung Johannis steht:

«Und ich sah: siehe da ein gelbes Pferd; und der darauf sass, der hiess Tod, und der Höllengott folgte ihm, und es ward ihnen gegeben Macht über das Vier­

tel der Erde, zu töten mit dem Schwert und mit Hunger und Sterben und durch die wilden Tiere der Erde«.

Wenn das Mass voll wird, sagt Rudin, soll sicher­

lich das sechste Siegel des verschlossenen Buches geöff­

net werden, und dann »folgt die Welterschütterung, die in den Versen 12—17 beschrieben ist, und die die Könige und die Gewaltigen nötigt, den Bergen und den Felsen zuzurufen: »Fallet über uns und decket uns vor dem Angesichte dessen, der da sitzt auf dem Thron, und vor dem Zorn des Lammes; denn es ist gekommen der grosse Tag ihres Zorngerichts, und wer vermag zu bestehen ?«

Dieses Siegel wird wahrscheinlich, fährt Rudin fort, ausgefüllt von den sieben Schalen gefüllt mit dem Zorn Gottes, die im 16. Kap. erwähnt werden. Da steht:

»Und ich sah aus dem Mund des Drachen und aus dem Mund des Tiers und aus dem Mund des Lügenpropheten drei unreine Geister hervorgehen wie Frösche; es sind nämlich Geister des Teufels, die Zeichen tun, die da ausgehen zu den Königen des ganzen Erdreiches, sie zu sammeln zum Kriege des grossen Tages des allherr­

schenden Gottes«.

Unerschrocken hat der alte Uppsala-Theologe wie ein Prophet der alten Zeit auf geivisse Könige und Gewal­

tige die Hauptschuld des Weltkrieges gelegt, und vor­

hergesagt, wie sie am grossen Tage des Zorngerichts rufen werden, die Berge und die Felsen mögen über sie fallen. Gewiss sind Wilhelm II, Bethmann-Hollweg und Bernhcirdi mehr als andere in seinen Gedanken dabei gewesen.

*

Als Dr. Sven Hedin von seiner Reise an die West­

front im Oktober 1914 von einem Mitarbeiter des

Nyström ; Vor dem Tribunale. 8

wurde, erklärte er folgendes:

»Alle Deutschen sind von dem Mitwissen durch­

drungen, dass es ihre Existenz gilt. Kein Klagen über Väter, Söhne und Brüder, die für das Vaterland gefallen sind. Und der Kaiser, der in einer alleinigen Weise die zentrale Seele in dem Ganzen ist, und dessen tiefe Religiosität starke und beinahe rührende Ausdrücke findet, geht an der Spitze dieser Auffassung. Es ist, als wäre der Kaiser für diese Zeit geboren, denn, wie er früher seine letzten Kräfte für den Frieden auf­

geboten hatte, so tut er jetzt dasselbe, um den Sieg zu erkämpfen. Er fühlt, dass er die Verantwortung für das Schicksal Deutschlands trägt.-» Dr. Hedin reiste als Gast des Kaisers, hat ihn damals getroffen und gibt sicherlich die Worte des Kaisers wieder. Wilhelm II.

hat also erklärt, er trage im Kriege Verantwortung für das »Schicksal Deutschlands«. Dieselbe Verantwortung hat er gewiss immer tragen müssen, am allermeisten, als er allen Vermittelungsv er suchen im serbischen Kon­

flikte entgegenarbeitete, damit ein Krieg zwischen Ser­

bien und Österreich zustande käme, wodurch auch Deutschland in den Krieg hineingezogen wurde.

Es ist auch von Interesse zu sehen, was ein deut­

scher Schriftsteller, Anton Fendrich, in seinem Buche:

«Mit dem Auto an der Front» von seiner Audienz bei Wilhelm II. im März 1915 mitteilt. Der Kaiser sagte ihm: »Der Sinn und Zweck des Krieges ist die Eini­

gung und Läuterung Deutschlands, damit es geschickt werde für seine welthistorische Aufgabe, das Herz Euro­

pas zu sein und der Verinnerlichung der europäischen Menschheit vorzuarbeiten. Wir führen den Kampf des Lichts gegen die Finsternis«. Fendrich fügte hinzu: «Sein Verantwortungsgefühl für Deutschlands Aufgabe Avurde Verantwortungsfreudigkeit, als er vom Segen dieses Krie­

ges sprach» (!).

Also, der Kaiser war damals froh, den Krieg zu führen, und bekannte seine Verantwortung dafür als einen Krieg für Deutschlands Aufgabe! Gemäss diesen Äus­

serungen hat Wilhelm II. den Krieg gewollt, Diesmal

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ist er aus seiner Rolle gefallen und hat vergessen, was er sonst gesagt hat.

Wir haben gesehen, wie Wilhelm II. oft erklärt hat, dass er den Krieg nicht gewollt habe, dass sein Gewissen rein sei, und dass der Krieg ihm und seinen Verbündeten aufgezwungen sei. Wir haben auch gesehen, wie er gemeint hat, dass jeder zivilisierte Europäer in gewisser Hinsicht der Verantwortung für den Krieg teilhaftig sei.

Das bestreiten alle zivilisierten Europäer auf das entschiedenste. Kein einziger ausser den Kaisern Deutsch­

lands und Österreichs und der preussischen Kriegspartei ist dieser Verantwortung teilhaftig. Die allermeisten Einwohner Deutschlands waren friedliche Leute, die den Krieg absolut nicht wollten. Aber die ganze Nation war durch die kaiserliche Regierung dazu gezwungen.

Wer hat, darf ich fragen, den Krieg gewollt, wenn nicht der Kaiser und seine Regierung, der Kronprinz, Bernhardi und und die anderen Militaristen und Chau­

vinisten? Der Krieg war, das muss jedermann wissen, durch gewisse Menschen nach gründlichen Vorberei­

tungen entfesselt worden; er beruhte auf dem Willen gewisser Staatsmänner und wurde nicht durch die Um­

stände in den Weltereignissen hervorgerufen. Er war kein notwendiges Ergebnis innerer Gründe, Ideen, Inter­

essen etc., wenn auch kapitalistische Interessenkämpfe und nationaler Wetteifer eine gewisse Rolle mitgespielt haben. Aber alles das hat den Krieg nicht hervorge­

rufen und wäre wie früher bei unzähligen Gelegenheiten in friedlicher Weise durch kluge Staatsmänner geordnet worden — wenn man nur gewollt hätte.

Wenn der Kaiser und Bethmann-Hollweg den Krieg nicht wollten, warum gingen sie nicht auf die Vorschläge Englands und Russlands ein, den serbischen Konflikt durch Vermittelung der Mächte oder das Haager Schiedsgericht zu beseitigen?

*

Es ist vollkommen gewiss, dass der jetzige Krieg nicht zustande gekommen wäre, wenn alle Staaten Europas demokratische Konstitutionen gehabt hätten.

Es ist kein Zweifel, dass die beiden Kaiser Deutsch­

lands und Österreichs nebst dem deutschen Reichkanzler und dem österreichischen Minister des Äusseren den Krieg von 1914 hervorriefen. Die Welt wird dafür sorgen, dass sie das letzte Beispiel sind, wie einige Staatsmänner einen Krieg anfangen können, ohne dass die Repräsentanten ihrer Staaten über die Streitfrage in gebührlicher Weise aufgeklärt wären, und ohne dass sie ihre Zustimmung zur Kriegserklärung abgegeben hätten. Der Weltkrieg muss den definitiven Schluss der herkömmlichen absolutistischen Politik der alten erb­

lichen Monarchien bezeichnen.

Die furchtbaren Leiden und Aufopferungen der streitenden Nationen haben die Worte des Horatius bestä­

tigt: «die Völker büssen für die Sünde ihrer Könige.»

Voltaire sagte ganz richtig: »Der Krieg entsteht durch den Einfall von drei- oder vierhundert Personen, die unter den Namen Fürsten und Minister über die Erd­

oberfläche verbreitet sind. — Moralphilosophen, brennt alle ihre Bücher! So lange der Einfall einiger Männer Tausende von unseren Brüdern befehlsweise töten kann, wird der Teil des Menschengeschlechts, der an den Heroismus geopfert wird, das schauderhafteste in der ganzen Natur sein.*

Die Alten sprachen von Nemesis, einer Göttin der Gerechtigkeit, welche Übermut und jeden anderen Frevel bestrafte, eine rächende Schicksalsgottheit, die stets diejenigen züchtigte, welche die Ordnung der Dinge verletzten. Nach dieser Vorstellung entstand später die Vorstellung von einer Nemesis divina, derselbe Begriff wie moralische Weltordnung.

Wie man auch darüber denken mag, gewiss ist, dass man oft im menschlichen Leben gesehen hat, wie schlechte Taten für die Anstifter schlechte Folgen ge­

habt haben, auch wenn sie nicht gerichtlich gestraft wurden.

Die Macht- und Gewaltlehre Treitschkes und Bern-hardis hat Bankerott gespielt, und der vom Grössenwahn

besessene Kaiser Wilhelm hat vergebens während der verflossenen Kriegsjahre die Riesenkräfte Deutschlands angewendet, um sein Ziel zu erreichen.

Schon längst ist Deutschlands militärische Macht ver­

ringert. Das unglückliche deutsche Volk hungert, und Millionen sind getötet. Die Politik Wilhelms II. ist un­

glücklich und fehlerhaft gewesen; die oben gemachten Darstellungen zeigen es. Er hätte ein freundschaftliches Verhältnis zu England und Frankreich fördern können, aber sein heimlicher Plan, ein Gross-Deutschland zu schaffen, stand ihm im Wege.

Deutschland hat durch den Kaiser und seine Regie­

rung versucht, seinen Willen durch Gewalt über die ganze Welt geltend zu machen. Dadurch hat Deutsch­

land auch die ganze Welt gegen sich, und der Kaiser wird als der Feind der Menschheit betrachtet.

Es ist von Interesse zu sehen, wie ein deutscher Politiker, Maximilian Harden, vor einigen Jahren die Politik Wilhelms II. beurteilte («Die Zukunft» 1908):

«Warum ist Deutschland vereinsamt und ringsum gehasst? Weil es sich von dem unsteten Willen eines Kaisers lenken liess, der keinen Blutstropfen eines Staats­

mannes in sich hat. Neun Zehntel aller Schwierig­

keiten, die das Reich hemmen, hat die persönliche Politik dieses Kaisers bewirkt. Sie zu enden, ehe von ihr, wie Bismarcks trüber Blick ahnte, das Reich zerstört wird, ist nationale Pflicht.»

«Wilhelm II. hat der Nation nie Nützliches geleistet und für seinen Willen dennoch die höchste Geltung verlangt. Nun sieht er die Ernte. Wenn es ihm nach allem Geschehenen möglich dünkt, wird er die Krone auf seinem Haupt behalten. Doch niemals wieder darf an seinem Willen das Schicksal des Deutschen Reiches, deutscher Menschheit hängen.»

Unglücklicherweise war man nicht imstande, Wil­

helm II. zu verhindern, seinen Willen in Deutschland und Europa in der verhängnisvollsten Weise 1914 geltend zu machen.

Es wäre gewiss ein Glück für ganz Europa ge­

wesen, wenn Wilhelm II. nie existiert hätte, oder wenn

er wenigstens nur König in einem konstitutionellen und parlamentarischen Reiche gewesen wäre, ohne Machtvoll­

kommenheit, damit seine Anlagen zum Grössenwahn sich nicht hätten entwickeln können, ohne Macht zu schaden, ohne Möglichkeit, einen Krieg hervorzubringen.

Was hat er für sich und sein Reich gewonnen?

Nichts. Nemesis hat den Weltstürmer gehemmt und wird ihn noch mehr bestrafen, wie sie andere Welt­

stürmer, einen Attila, einen Napoleon u. a. bestraft hat.

Wilhelm II. hat durch seine «Hunnenrede» selbst dafür gesorgt, dass wir uns hier an Attila und sein Schicksal erinnern. Dieser wollte sich ein Weltreich auf den Trümmern des sinkenden Römerreiches und der germanischen Staaten errichten, und schritt nach blutigen Niederlagen der Römer bald zur Unterwerfung Europas. Stolz von Haltung und mit strengen Mienen machte Attila einen imponerenden Eindruck; er war verschlagenen Geistes, voll Selbstbeherrschung, doch auf­

brausend im Zorne, grausam gegen Feinde. Was sein brütendes Gehirn erobringssüchtig ersann, führte er mit der Kraft eines Soldaten und der Brutalität eines Wilden durch. Er erschien nicht nur seinem Volk, sondern auch den fremden Völkern als ein gewaltiger Herrscher. Mit 500000 Kriegern durchzog Attila 451 unter Mord und Brand Deutschland, ging über den Rhein und zerstörte eine Reihe von Städten in Gallien.

Endlich wurde er auf der Katalaunischen Ebene in der Nähe von Chålons sur Marne geschlagen, und die Macht dieser «Gottesgeissel» war gebrochen.

Merkwürdig ist die Ähnlichkeit zwischen dem Krieg Wilhelms II. und dem des Hunnenkönigs in Frankreich.

Wie Attila hat Wilhelm viele Städte in Frankreich zerstört, aber konnte nicht Paris erreichen, weil die Tapferkeit und der Patriotismus der Franzosen ihn hemmten. Wie Orleans von den Hunnen, wurde Verdun von den Deutschen belagert, aber nicht erobert. Wie Attilas Heer in der Umgebung von Chålons sur Marne, wurde Wilhelms Heer von den Franzosen unter Joffre in der Schlacht an der Marne im September 1914 geschla­

gen, wodurch Frankreich und Paris gerettet wurden,

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