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In document O SLÆGTSFORSKERNES BIBLIOTEK (Sider 149-200)

CIC—

F. III, H. 5

VIII. Fulda 1909

8. Heft

Leipzig 1911.

H. A. Ludwig Degener, Verlagsbuchhandlung.

Inhalt.

1. Familiengeschichte und Topographie. Von Oberregierungsrat Prof.

Dr. Eduard Heydenreich in Leipzig.

Die natürlichen Kinder und die Genealogie. Von Dr. phil. Franz 2.

Schacht in Heidelberg

Eine Gesetzmäßigkeit in der Nachkommenzahl. Von Dr. Otfried 3.

Praetorius, Gymnas.=Professor zu Friedberg in Hessen* *

4. Aberneuere Arbeiten auf dem Gebiet der Vererbung...

5.Halbjahresbericht der genealogischen Literatur. Von Dr. Ernst Devrient, l. Archivar der Zentralstelle für Deutsche Personen- und Jamilien¬

geschichte in Leipzig 1. Allgemeines

2. Zur Landes- und Ortsgeschichte * * 3. Zur Familiengeschichte

6. Geschäftsbericht für das Jahr 1910. Von Dr. Hans Brehmann, Rechtsanwalt in Leipzig.

7. Nachtrag zum Mitgliederverzeichnis * * * *

8. Verschiedenes * * * * * * * * * * * *

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Familiengeschichte und Topographie.

(Vortrag, gehalten in der Hauptversammlung des Vereins zur Begründung und Erhaltung einer Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte in Leipzig am 7. Dez. 1910.)

Von Eduard Heydenreich.

Serr Dr. Hashagen, Privatdozent der Geschichte in Bonn, hat in der E Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst (XXVIII, 1909,

S. 542 ff.) von meiner, auf Veranlassung der Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte, Sitz Leipzig, herausgegebenen Jamilien¬

geschichtlichen Quellenkunde (Leipzig, H. A. Ludwig Degener, 1909, XVI, 517 S.) zwar gerühmt: „Nicht nur der Dank der Genealogen, sondern auch der wissenschaftlichen Historiker gebührt dieser fleißigen, belehrenden und praktisch höchst brauchbaren Arbeit“; er vermißt aber ein Kapitel über Jamiliengeschichte und Topographie. Ich will daher versuchen, diesen Gegenstand, den ich an mehreren Stellen meines Buches nur kurz berührt habe, jetzt im Zusammenhang zu behandeln.

Es gibt eine sehr große Anzahl von Jamiliennamen, welche mit Ortsnamen identisch sind, 3. B. Leipzig, Mühlhausen, Weimar. Man wird in der Regel zu der Annahme berechtigt sein, daß eine solche Jamilie aus dem Orte stammt, dessen Namen sie trägt. Eine der

ältesten Adelsfamilien des Königreichs Sachsen ist die Jamilie von Leipzig, eine Zeit lang von Leipziger geheißen, jetzt mit Allerhöchster Genehmigung den alten Namen „von Leipzig“ führend.

Im Adreßbuch der Stadt Dresden begegnen die Jamiliennamen

Altenberger, Altenburger, Arnstadt, Aurich, Berlin, Bodenstein, Brauns¬

dorf, Danzig, Danziger, Delitzsch, Eger, Freiberg, Freiberger, Franken¬

thal, Frankfurter, Hartenstein, Hirschberg, Hirschberger und viele andere derselben Art. Ahnliche Ortsnamen begegnen als Jamiliennamen in

allen Adreßbüchern.

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Bei Orten, deren Namen in verschiedenen Gegenden wiederkehren, wird man natürlich zunächst bei gleichlautenden Jamiliennamen im All¬

gemeinen nicht ohne weiteres bestimmt wissen, welcher Ort als Heimat der betreffenden Jamilie anzunehmen sein wird. So gibt es 3. B.

mehrere Berge und Orte des Namens „Freiberg“ in Deutschland und Osterreich; man kann den Namen als den freigelegenen Berg oder als den von Grundlasten freien Berg oder als den heiligen Berg der Freya deuten; auf die Berghauptstadt Freiberg des Königreichs Sachsen 3. B.

passen die zwei ersten Deutungen, auf den Freiberg bei Meran wohl am besten die dritte Deutung. Wenn nun in Freiberg i. Sa. eine Jamilie Freiberger seit den ältesten Zeiten vorkommt, so ist damit natürlich noch keineswegs gesagt, daß diejenigen Jamilien „Freiberger“ welche nach Siebmachers Wappenbuch in Grieß, Botzen, Kempten und Graz vorkommen, zu der sächsischen Jamilie Freiberger irgend eine verwandt¬

schaftliche Beziehung haben.

Es ist bekannt, daß die adligen Geschlechter des Mittelalters sich mit Vorliebe nach ihrem Stammsitz nannten. So taten e8, um nur wenige Beispiele anzuführen, die Herren von Salzwedel, von Krakau (dieses Krakau liegt in der Nähe von Magdeburg auf der slavischen Elbseite, ogl. von Ledebur, Märkische Forschungen, 3. Bd. 1847), von Jagow Ider Name ist ohne Zweifel dem in der Uckermark zwischen Prenzlau und Straßburg gelegenen Städtchen und Schlosse entlehnt“

Ledebur a. a. O. S. 983f.) Eine große Erschwerung der Jorschung ist03 e8, daß schon in früherer Zeit zahlreiche gleichnamige Ortschaften existierten. Mit Recht klagt Leopold von Ledebur: „Die Namen der

Topographie, der die Mehrzahl der adligen Geschlechter ihre Namen

zu verdanken hat, wiederholen sich so oft.“

Wie schwierig solche Herkunftsfragen häufig sind, dafür mag die Jamilie von Wedel als Beispiel dienen, die uns, zumal im 14. Jahr¬

hundert in den Landen über der Oder in einer Mächtigkeit und Be¬

deutung entgegentritt, die ihres Gleichen in den Marken nicht findet.

Die Orter Wedel bei Königsberg, Alten=Wedel bei Reetz und Neu¬

Wedel sind ohne Zweifel nach ihnen benannt und auch von ihnen gegründet worden. Der Name selbst kann aber seinen deutschen Ursprung, das Sachsenland als seine eigentliche Heimat nicht verleugnen. Wir wenden uns jedoch nicht an das im Holsteinischen an der Elbe gelegene Städtchen Wedel als die Wiege des Geschlechtes, wiewohl auch diesem Orte eine gleichnamige ritterliche Jamilie entsprossen ist. Nach Ledebur a. a. O. S. 109 ist das unfern Stendal gelegene Dorf Welle als Stammsitz

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des Wedelschen Geschlechtes festzuhalten. Jedenfalls finden wir in

dieser Gegend den Namen des Geschlechts in den variierenden Jormen

Welle, Weddele, Wedele zuerst vor.

Selbstverständlich dürfen in solchen Herkunftsfragen nicht die

heutigen Jormen der Jamilien- und Ortsnamen, sondern nur deren älteste Gestaltung maßgebend sein, wie wir solche in Urkunden und sonstigen alten Niederschriften finden.

Es ist eine Tatsache, daß gewisse Jamiliennamen in einer bestimmten Gegend besonders beliebt waren. Wenn sich daher solche Namen an anderer Stelle finden, so wird die Annahme einer Auswanderung wahrscheinlich. Wie sehr sich dergleichen Namen auch in sehr entfernten Orten erhalten, dafür bieten die nach Georgien ausgewanderten Salz¬

burger ein klassisches Beispiel.))

Zufolge nämlich des Emigrationsediktes vom 31. Oktober 1731 wanderten zahlreiche Salzburger über den atlantischen Ozean nach Georgien aus und gründeten im nordamerikanischen Urwalde bei Savannah den Ort Ebenezer, zu deutsch Helfenstein. 2)Die Niederlassung ist jetzt längst verlassen, die Häuser sind eingestürzt, Gras und Gestrüpp über¬

wuchern die wenigen Reste, nur die Kirche, in welcher die Nachkommen der alten Ansiedler sich aus den Jarmen des Waldes versammeln, ist erhalten. Auch die Sprache ist vergessen, man spricht dort jetzt überall englisch. Wie aber in der Bauart der Häuser im Urwald sich der Salzburger Typus erhalten hat, so auch die heimischen Eigennamen der Bewohner. Der stimmungsvolle Berichterstatter, welcher den Spuren dieser Salzburger nachging und seine Eindrücke in den Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde veröffentlichte, sagt: „Auf den grasbewachsenen Straßen weiden die Rinder, und die halbnackte schwarze Jugend balgt sich johlend im selben Pfuhl mit Feder- und Borstenvieh.

So beschaffen waren meine ersten Eindrücke von Savannah, und sie

)A. Prinzinger, Die Ansiedlung der Salzburger im Staate Georgien in Nordamerika, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde XXII (1882), S. 1ff.

*) Sam. Arlsperger, Ausführliche Nachricht von den Salzburger Emi¬

granten, die sich in Amerika niedergelassen haben, worin nebst einem historischen Vorbericht von dem ersten und andern Transport derselben die Reisediarien usw.

Rev. P. A. Strobel, The Saltzburgers and their 2 Bde. Halle 1735—1743.

descendants, beeing the history of a colony of German Lutheran protestants, who emigrated to Georgia in 1734 and settled at Ebenezer, 25 miles above the city of Savannah. Baltimore 1855.Weitere Literatur bei Prinzinger, Die Ansiedlung der Salzburger im Staate Georgien, S. 1, 2.

1*

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waren so neu und fremdartig, daß mir mein (Salzburger) Vaterland nie zuvor so ferne erschienen war. Allein bald blieben meine Blicke

hier und da an den Schildern und Iirmentafeln der Häuser haften, und

meine Gedanken wurden unwillkürlich mit Erinnerungen aus der fernen

Heimat verknüpft. Da fanden sich Namen, die auf den ersten Blick

ihre Abstammung aus unsern süddeutschen Alpengauen erkennen ließen, andere in wälscher Verkleidung, die sich aber leicht von dem unverfälschten Kern abschälen ließ. Und wenn noch ein Zweifel an meiner Entdeckung übrig blieb, dann wird er sich zerstreuen, wenn ich hier eine Blumenlese jener Namen folgen lasse, welche ich bei meinen Wanderungen durch

die Straßen Savannahs aufzeichnete. Da fanden sich Brandner, Haber¬

fellner, Hasenecker, Herzog, Lackner, Lienlberger, Madreiter, Riedelsperger, Schappacher, Spielbichler, Stegmaier, Zittrauer.“ (XXII. Vereinsjahr 1882, S. 24.)

Ehe die heutige Leichtigkeit des Verkehrs und die Freizügigkeit existierten, war es noch viel häufiger, als jetzt, daß gewisse Namen im wesentlichen auf gewisse Gegenden beschränkt blieben. Man hat daher mit vollem Recht die Topographie eine „genealogische Hülfswissenschaft“

genannt.))

Sehr häufig kommt daher der Jamilienforscher in die Lage, sich historisch=geographischer Wörterbücher bedienen zu müssen. Im allge¬

meinen muß für das deutsche Sprachgebiet diesbezüglich auf die reiche Literatur verwiesen werden, welche bei Dahlmann=Waitz, Quellenkunde der deutschen Geschichte, 7. Aufl. von Brandenburg 1906, S. 2ff., und Ergänzungsband 1907, Seite 1 und 2 verzeichnet ist. Hier sei nur auf folgende Werke aufmerksam gemacht:

Neumann, G., Geographisches Lexikon des deutschen Reichs, Leipzig, 4. Aufl. 2 Bde. 1905; Brunkow, O., Die Wohnplätze des deutschen Reichs, 8 Bde., Berlin 1880 bis 1885, 2. Aufl., Bd. 1—3, ebenda 1889; Ritter's Geographisch=statistisches Lexikon, 9. Aufl. von

)) Hashagen, W. Z. XXVIII (1909), S. 544. Hier seien auch erwähnt:

Kötzschke, Quellen und Grundbegriffe der historischen Geographie Deutschlands und seiner Rachbarländer, in Meisters Grundriß der Geschichtswissenschaft I 1906;

K. Kretschmer, Historische Geographie von Mitteleuropa (Handbuch der mittel¬

alterlichen und neueren Geschichte, herg. von G. v. Below u. I. Meinecke, Abtlg. IV Bd. 6) 1904, überall mit reichlichen Literaturangaben; A. Werminghoff, Neuere Literatur über historische Geogr., im Korrespondenzblatt des Gesamtvereins, 1905, Jhrg. 53, S. 109ff.; Robert Sieger, Zur Behandlung der historischen Länder¬

kunde, Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung XXVIII (1907) S. 209ff.

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Johann Penzler, I. 1905; II. 1906, vgl. auch den Inder zu R. Andrees Allgemeinem Handatlas; H. Osterley, Historisch=geographisches Wörter¬

buch des deutschen Mittelalters, Gotha 1881—83 (unvollständig); Be¬

schorner, Hans, Stand und Aufgaben der historischen Topographie in Sachsen, Neues Archiv für Sächsische Geschichte, 1900, S. 138 ff.; All¬

gemeines Ortschaftsverzeichnis der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder nach den Ergebnissen der Volkszählung vom 31. Dezember 1900, herausg. von der K. K. statist. Zentralkommission, Wien 1902 ff.; Topographie von Niederösterreich, herausg. vom Verein für Länderkunde von Niederösterreich, Wien 1871 ff.; Vancsa, Max, Historische Topographie, mit besonderer Berücksichtigung Niederösterreichs,

Deutsche Geschichtsblätter III (1902) S. 97 ff.; 129ff.

Außer den genannten allgemeinen Handbüchern, die viele kleine Ortlichkeiten nicht mitverzeichnen, gibt es auch territoriale Wörterbücher topographischen Inhaltes. Das ausführlichste, welches in Deutschland existiert, sind die 64 Bände der Oberamtsbeschreibungen Württembergs,

welche vom Jahre 1824—1886 erschienen sind. Die meisten anderen derartigen Unternehmungen wollen nur knapp gefaßte Handbücher bieten.

Vorbildlich wurde Frankreich mit seinem Dictionaire topographique de la France, welcher einerseits nach einzelnen Departements geordnet die Ortlichkeiten mit ihren urkundlich nachweisbaren Namensformen, anderer¬

seits diese Namensformen mit Rückverweis auf die ihnen heute ent¬

sprechenden Ortlichkeiten verzeichnet.)) Einen Band dieses Werkes bildet das Topographische Wörterbuch des Ober=Elsaß von G. Stoffel 2. Aufl. Mülhausen 1876), welches wieder die badische historische

Kommission im November 1885 zur Herausgabe eines Topographischen Wörterbuches des Großherzogtums Baden anregte. Dieses ist 1898 von Albert Krieger herausgegeben, wobei auch Angaben über adelige Geschlechter aufgenommen wurden. In Bayern erschien das elfbändige Sammelwerk Bavaria, Landes- und Völkerkunde des Königreichs Bayern, bearbeitet von einem Kreise bayrischer Gelehrter, München, literar. artist. Anstalt (I. G. Cotta) 1860—1868.

In Sachsen ist die historische Topographie, wie Beschorner (,Stand und Aufgabe der historischen Topographie in Sachsen“ Neues Archiv

*) Dictionaire topographique de la France, compren. les noms de lieu anciennes et modernes Publ. p. ordre de Ministre de l’instruction publique 1861—1907.

(E. Merlet, Département d’Eure et Loire. — M. Cuantin, Dép. de LVonne.

P Raymond, Département des Basset=Pyrénées. — E. Thomas, Département de 1 Hérault etc.).

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f. Sächs. Gesch. u. Altertumsk. XXI. (1900) S. 138ff.) mit Recht hervor¬

hebt, auffällig vernachlässigt worden. Mit den vorgenannten Werken über andere Territorien können die alten geographischen Beschreibungen Sachsens von Merkel, Leonhardi, Schiffner u. a. ebensowenig verglichen werden, wie einzelne, häufig erschienene Ortsverzeichnisse. Einzig nennens¬

wert ist das sogenannte Postlexikon, das in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts von A. Schumann angelegt, von A. Schiffner über¬

arbeitet und unter Hinzufügung fünf besonders wichtiger Supplement¬

bände zu Ende geführt wurde. „In Ermangelung von etwas Besserem“

sagt Beschorner a. a. O. S. 139, „ist dieses mit bewundernswertem Fleiß und großer Sachkenntnis zusammengestellte Nachschlagewerk immer noch von großem Werte, da es nicht nur das äußere aller Städte und Dörfer, sowie die Naturschönheiten ihrer Lage und Umgebung anschaulich zu

schildern versucht, sondern auch eine reiche Fülle historischen Stoffes in gedrängter Jorm bietet“

Jür Oesterreich sind zu nennen die von Martin Zeiller und Matthäus Merian gearbeitete Topographia provinciarum Austriacarum Austriae IIlyriae Carinthiae Carniolae Tyrolis 1649 (2. Aufl. 1656);

Reiffenstuel, Germania Austrica seu Topographia Austriae Styriae (Wien 1752, 2. Aufl. von Brabeck 1759). Rein praktische Zwecke ver¬

folgte der 1795 in zwei Bänden erschienene Topographische Land¬

schematismus. Dieser fand eine Jortsetzung in dem Schematismus von Steinius 1822, von Gochnat 1838 und 1849 sowie in den modernen Ortsrepertorien, welche die statistische Zentralkommission herausgibt. Auch das Topographische Postlexikon aller Ort¬

schaften der K. K. Erbländer ist in diesem Zusammenhange zu nennen.

Von Werken provinziellen Charakters nenne ich: Gielge, Topographisch¬

historische Beschreibung aller Städte, Märkte, Schlösser, Pfarren usw.

des Landes Oesterreich ob der Enns bis zum Wiener Friedensschluß (3 Bände, Wels, 1809 und 1814) und Topographisch=historische Be¬

schreibung des Landes Oesterreich ob der Enns (3 Bände, Wels, 1814—15); Pillwein, Geschichte, Geographie und Statistik des Erz¬

herzogtums Oesterreich ob der Enns und des Herzogtums Salzburg (6 Bände, Linz 1827—1839); Schmutz, Historisch-topographisches Lexikon von Steiermark (4 Bände, Graz 1822—23); Janisch, Topographisch¬

statistisches Lexikon von Steiermark mit historischen Notizen und Anmerkungen, Graz 1878—1885; Staffler, Tirol und Vorarlberg, statistisch=topographisch mit geschichtlichen Bemerkungen, 2 Bde., Inns¬

bruck 1839 bis 1844; Jaroslaw Schaller, Topographie des Königreichs

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Böhmen, Wien und Prag 1775—1791 (17 Bände); Wolny, Die Markgrafschaft Mähren, Brünn 1835—42 (6 Bände).

Für die Geographie von Polen besitzen wir: Slownik geograficzny krölestwa polsciego, herausg. von Chlebowski, 14 Bände, Warschau

1880—97. Suppl. 1900 flg.

Es kann sehr leicht der Jall eintreten, daß ein Jamilienname nach einer untergegangenen Ortschaft genannt ist. Solche jetzt nicht mehr vor¬

handene Lokalitäten werden gewöhnlich Wüstungen (solitudines) genannt.

Die neueste Geschichtsforschung ist mit großem Eifer daran gegangen, Wüstungsverzeichnisse anzulegen. Diesbezüglich sei hier auf folgende Literatur verwiesen: L. v. Wintzigeroda=Knorr, Die Wüstungen des Eichsfeldes, Halle 1903 (= Bd. 40 der Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, hrsg. v. d. geschichtl. Vereinen der

Provinz, dann von der historischen Kommission der Provinz Sachsen);

Hertel, G., Die Wüstungen in Nordthüringen, Halle 1901 (= Bd. 38 der Geschichtsg. d. Provinz Sachsen); Werneburg, Die Namen der Ortschaften und Wüstungen Thüringens, im Jahrb. der Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, N. J. XII (1884), S. 1—213;

Wagner, Die Wüstungen im Großherzogtum Hessen, Darmstadt 1854;

Wagner, Wüste Marken im Herzogtum Sachsen=Altenburg, in den Mittlgn. der Osterl. Gesellschaft III (1853), 209—280; Löbe, ebenda IX

(1887) S. 78—118; Löbe, Wüstungen des Amtsbezirkes Roda, in den Mittlgn. des Kahla=Rodaer Geschichtsver. III (1885), 315—330. Vgl.

auch den Aufsatz „Wüstungsverzeichnisse“ in den deutschen Geschichts¬

blättern VI (1904), S. 1ff.

Zu den nach Wüstungen genannten Jamilien gehörten 3. B. die

Herren von Berwinkel, die sich nach einem jetzt wüsten Dorfe Berwinkel

unfern Osterwiek nannten und in der Mark Brandenburg, im Magde¬

burgischen und an der Ohre vorkommen und besonders um Letzlingen reichen Güterbesitz erwarben.)) Das Geschlecht von Blankenowe 1269 bis 1338, nach einer Burg und einem Dörfchen Blankenau genannt, sah seine Heimstätte schon während der Kämpfe Friedrichs des Freidigen

verwüstet.2) Das uradlige mecklenburgische Geschlecht der Pentz, das

1) 1295 kommt 3. B. Borchardus miles de Berwinkele vor: von Ledebur in den Märkischen Forschungen III 334.

*) Herzog, Sachsens wüste Marken, Archiv für sächsische Geschichte II 63.

Die Burg und das Dörfchen Blankenau, wonach der von der Chemnitz durchströmte Blankenauer Grund seinen Namen hat, lagen zwischen Borna und Heinersdorf.

Die Herrschaft Blankenau, die Dörfer Glösa, Furth, Borna, Draisdorf und Heiners¬

dorf umfassend, fiel 1338 an das Chemnitzer Benediktiner=Kloster.

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bereits 1194 erwähnt wird, hatte ein Stammhaus, das schon bald nach dem ersten Auftauchen des Geschlechtes vom Erdboden verschwand.)) Papperzhain (Papirczan), einst zwischen dem Gottesacker und dem Roten Vorwerke bei Grimma gelegen, jetzt verschwunden, war der Stammsitz eines gleichnamigen, aber bereits im 14. Jahrhundert erloschenen Ritter¬

geschlechtes.2) Nicht weit von Dessau bezeichnen halb oder ganz zer¬

fallene Mauerreste den Ort, wo einst Dorf und Schloß Waldersee standen.

Als das alte Geschlecht der Herrn von Waldersee ausstarb, ließen die Jürsten von Anhalt das Schloß vollständig abtragen. Der der Ver¬

gessenheit fast völlig anheimgefallene Name des einstigen Rittersitzes

sollte aber wieder aufleben. Leopold Franz Fürst von Anhalt=Dessau

schloß einen morganatischen Bund zur linken Hand mit einer Dame seines Hofes Johanna Eleonore v. Neitschütz. Dem Sohne, den sie ihm schenkte, gab er den Namen „von Waldersee“ Diesem neuen Ge¬

schlecht entstammte in unserer Zeit der Oberbefehlshaber der gegen China ausgesandten Truppen.*)

Es empfiehlt sich für den Geschlechtsforscher, auch die Literatur über die Flurnamen zu berücksichtigen, wofür auf die vorzüglichen, ein weit ausgedehntes Material verarbeitenden Berichte von Beschorner in den letzten Jahrgängen des Korrespondenzblattes des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine zu verweisen ist.*)

Um nur ein Beispiel anzuführen: 2d von Dessau am rechten Elb=Afer, N. Vorkerode, SW Klieken finden sich in der von der Elbe gebildeten Schleife die Flurbezeichnungen Vor=Seidlitz (zwischen d. Ober¬

höfer und Unterhöfer Vorwerk), Hinter=Seidlitz. Inwieweit der Jamilien¬

name Seidlitz hiermit zusammenhängt, bedarf noch der Untersuchung.

Ebenso steht es bei einem Namen wie von Wiese (de Prato). Selbst wenn man annimmt, die Jamilie stamme von einem Orte Wiese oder Wiesa, so kann man weiter annehmen, daß dieser Ort nach einem Flur¬

namen benannt sei.

Richt nur die weltlichen Distrikte, sondern auch die kirchlichen Ein¬

teilungen erfordern die Aufmerksamkeit des Jamilienforschers. Gewisse

) Gothaisches Aradl. Taschenbuch 1910, S. 549.

*) Lorenz, Grimma 308, 495. Cod. diplom. Sax. reg. II. 1, S. 190.

*) Dresdener Anzeiger vom 21. August 1900.

*) Vgl. 3. B. III (1904) S. 1ff. Vgl. Beschorner in den Mitteilungen des Ver. f. sächs. Volksk. III (1904) S. 197ff. und in „Ueber Berg und Talk 1905, Bei¬

lage zu Nr. 3. In größerem Zusammenhang behandelt diesen Gegenstand Beschorner durch seinen Aufsatz „Wesen und Aufgaben der historischen Geographie“ (Historische Vierteljahrsschrift 1906, S. 10ff.)

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Namen, 3. B. Maria auch für Männer werden von den Katholiken bevorzugt, während sie von den Protestanten mehr gemieden werden.

Die Geschichte der Vornamen hängt mit den konfessionellen Verhältnissen eng zusammen. So hören 3. B. in Steiermark mit der Beseitigung des

Protestantismus die jüdisch=biblischen Vornamen ganz auf, und die humanistischen nehmen ab. Dafür kamen eine Menge früher nie ge¬

kannter Heiligennamen)) in Gunst, namentlich Ignaz, Cajetan, Dismas, Liborius.2) Die protestantischen Gegenden bevorzugen überhaupt alt¬

testamentliche Namen, und zwar bis ins 19. Jahrhundert hinein (Nathan Chyträus, Josua Stegmann, Ahasverus Fritsch, Gotthold Ephraim Lessing, Justine Salome Lessing, seine Mutter, Dorothea Salome Lessing, seine Schwester, Rebekka Claudius, Abraham Voß, Methusalem Müller, David Friedrich Strauß). Die katholischen Gegenden meiden jene spezifisch hebräischen Namen ebenso ängstlich wie ihre Gegner die Jesuitennamen Ignaz und Jav(i)er; auch Namen wie Urban, Sylvester, Benedict, Dominik, Alois, Gregor, Augustin finden sich jenseits der katholischen Grenzen selten. Bei den Frauennamen scheint sich eine solche Scheidung allerdings nicht oder wenigstens nicht so deutlich aus¬

geprägt zu haben, doch ist wenigstens Veronica als ziemlich exklusiv

katholisch anzusprechen.*) Mit Rücksicht auf diese Umstände seien hier die folgenden Werke genannt: St. J. Neher, Kirchliche Geographie und Statistik mit steter Rücksicht auf die frühere Zeit. 1864 ff.; Theo¬

logisches Hilfslexikon, Verlag von I. A. Perthes, 1894, Bd. 2, die Abteilung: Kirchengeschichtliches Ortslexikon, S. 1—419; Grote,

Lexikon deutscher Stifter, Klöster und Ordenshäuser. Osterwiek 1881—84;

H. Hoogeweg, Verzeichnis der Stifter und Klöster Niedersachsens vor der Reformation. Hannover u. Leipzig 1908; Wolny, Kirchliche Topo¬

graphie von Mähren. Brünn 1855—1866, 9 Bde. Weitere Nachweise bei Comte de Mas Latrie, Trésor de chronologie, d’histoire et de géographie pour Fétude et l’emploi des documents du moyen age.

Paris 1889, S. 1841 ff.

Mit Rücksicht auf die Kirchenbücher, die ja für die Aufstellung eines Stammbaumes als Ausgangspunkt der archivalischen Jorschung dienen, muß es dem Jamilienforscher hochwichtig sein zu erfahren, wohin

) Stadler, Vollständiges Heiligenlexikon. Augsburg 1856.

*) Karl Heinrichs, Studien über die Namengebung im Deutschen. Quellen und Jorschungen zur Sprach- u. Kulturgesch. der german. Völker, 102. Heft, Stra߬

burg 1908, S. 8.

*) Robert Franz Arnold, Die deutschen Vornamen. Wien 1901, S. 18.

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die für ihn in Betracht kommende Ortschaft eingepfarrt ist. Als Hilfs¬

mittel sind zu nennen: Das evange

lische Deutschland, Jahr- und für die kirchlichen Behörden und

Adreßbuch zum praktischen Gebrauch

die gesamte evangelische Geistlichkeit. Nach amtlichen Unterlagen zu¬

sammengestellt (3. Ihrg. 1900, Leipzig, Schulze & Co.); Arthur Kolbe, Handbuch der Kirchenstatistik für das Königreich Sachsen. Nach hand¬

schriftlichen Angaben und amtlichen Quellen (N. J. 16. Ausg., Dresden, E. Wulffen 1894, seitdem wiederholt neu aufgelegt). Mit Hülfe des

alphabetischen Ortsverzeichnisses am Ende dieses Werkes kann man für jede Ortschaft das zuständige Pfarramt sofort feststellen. Vgl. ferner Bundschuh, Geographisch=historische Beschreibung Bayerns, Schwabens und Frankens (letztere allein 5 Bände); Roppelt, Histor. top. Beschr.

d. Fürstentums Bamberg; Steichele, A. v., Das Bistum Augsburg, historisch=statistisch beschrieben, fortgesetzt von A. Schröder, Bd. 1—6, Augsburg 1861—1903. Dazu kommen die Diözesanschematismen Deutsch¬

lands, Oesterreichs und der Schweiz. Auch eine größere Anzahl unserer Kalender leistet in dieser Hinsicht, wenn auch nur für einen je nach der Art des Kalenders beschränkten Umkreis, brauchbare Dienste. Wenn es nicht gelingt festzustellen, an welchem Ort die einschlagenden Kirchen¬

bücher lagern, dann versuche man durch ein Gesuch an die für den be¬

treffenden Ort zuständigen Amtsgerichte den einschlagenden Pfarrort zu erfahren. Das zuständige Amtsgericht aber erfährt man am besten aus dem Buch von Lehnardt, Alphabetisches Ortsverzeichnis des deutschen Reiches. Auf Grund der neuen Gerichtsorganisation nach amtlichen Quellen bearbeitet. 3 Bände. 1881, 1882. Hier werden zu jedem Orte angegeben: Staat, Regierungsbezirk bezw. Kreis, Oberlandesgericht, Landgericht, Amtsgericht, bestellende Postanstalt. Für das Königreich Sachsen ist auch sehr praktisch der alljährlich erscheinende „Königl. Sächs.

Kanzlei- und Judizial= oder Expeditions=Kalender“, welcher unter anderem auch enthält ein „Alphabetisches Verzeichnis der im Königreich Sachsen belegenen Stadt- und Landgemeinden mit den zubehörigen besonders benannten Wohnplätzen, mit Angabe der ihnen vorgesetzten Amtshauptmannschaften und Amtsgerichte und der Postanstalten, deren Bestellungsbezirk die betr. Orte zugewiesen sind.“

Aus der Art der Formenbildung der Namen lassen sich über die Herkunft einer Jamilie Wahrscheinlichkeitsschlüsse ziehen. Voraussetzung

ist dabei, daß über das Vorkommen der Geschlechtsnamen einer Gegend

genügende statistische Unterlagen vorhanden sind, was allerdings keines¬

wegs überall zutrifft. Auch in dieser Beziehung ist die Topographie

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