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PREDIGTAMT UND GEISTLICHKEIT

D

ie von den dänischen Behörden recht unabhängige und zumeist sehr einträgliche Stellung der Geistlichen an der St. Petri Kirche, der Wohlstand und die zeitweilig hohe Kultur der Gemeinde, die engen Beziehungen zum Königshause und Hofe wie auch die Lage von Kopenhagen liessen von jeher hervorragende und zumeist freisinnige Theologen aus allen Gegenden Deutschlands sich dorthin bewerben.

Der erste Seelsorger unserer Gemeinde, Laurids Pedersen, oder mit seinem lateinischen Namen Laurentius Pelraei, der das Wort Gottes in den Jahren 1575—81 noch in der St. Claren Kirche ver­

kündigte, war aus Haderslev gebürtig. Er besuchte die Gelehrten­

schule in Ribe und wird von dem alten Chronisten derselben zu ihren berühmten Schülern gerechnet. Im Todesjahr König Chri­

stians III. 1559 wurde er, mutmasslich als Hofmeister des jungen dänischen Adeligen Anton Parsberg, an der Universität Wittenberg immatrikuliert, wo er auch seine Studien vollendet haben mag, mit­

hin etwa ums Jahr 1530—35 geboren sein dürfte. Wahrscheinlich war er mit Melanchthon persönlich bekannt. Da er sich in der Luther­

stadt heimisch fühlte, siedelte er sich dort an und feierte 1565 seine Hochzeit in Wittenberg. Im Mai desselben Jahres traf ihn der Kalenderschreiber Hegelund auf der Leipziger Messe. Von Witten­

berg aus wurde er dann auch 1574 zum Predigtamt an der deutschen Gemeinde in Kopenhagen berufen. In seiner Bestallung wird ihm äusser freier Wohnung ein jährliches Gehalt von 200 Thlr. zugesagt, ferner in Naturalien vom königlichen Schlosse anzuweisen 4 Pfund Roggen, 6 Pfund Malz, 1/2 Tonne Butter, 1 Ochse, 12 Speckseiten, 10 Lämmer, 20 Gänse und an 80 Fuder Brennholz. Kurz nach seinem Amtsantritt hat er nach dem wohl noch in Wittenberg erfolgten Tode seiner ersten Gattin wieder geheiratet, da in der Rentmeister­

rechnung Mai 1576—Mai 1577 für den deutschen Prediger Mag.

Laurids zu seiner Hochzeit 10 ^2 Th. für eine halbe Last Bier vermerkt sind. Bereits 1581 wurde Laurids Pedersen von seinen Amtspflichten

enthoben und zum Zuchtmeister oder Lehrer im Schreiben und Rech­

nen bestellt für die Töchter Friedrich’s II., Elisabeth, nachmals mit dem Herzog Heinrich Julius von Wolfenbüttel vermählt, und Anna, der späteren Königin von England. Dass er die Liebe der könig­

lichen Geschwister während seiner zehnjährigen Lehrertätigkeit erwarb, erhellt aus den Tagebuchaufzeichnungen König Christian’s IV, der ihn als einen braven und rechtschaffenen Mann bezeichnet und sich in den Krankheitsfällen, unter denen er in seinen letzten Lebens­

jahren zu leiden hatte, öfters und eingehend nach seinem Befinden erkundigt. Mag. Laurids Pedersens Name befindet sich auf der Tafel der Bibliotheca Longomontana, und er scheint demnach mit Anders Sörensen Vedel befreundet gewesen zu sein. Er starb nach kurzem Ruhestand im Jahre 1593 auf Schloss Frederiksborg und wurde in der Frauenkirche begraben.

Von den beiden nächsten Nachfolgern Laurids Pedersens, dem Flensburger Ove Lauritsen und dem Hessen Johannes Homann, ist wenig bekannt; zusammen wirkten beide, von frühem Tode dahin­

gerafft, nur zehn Jahre im Amt. Bemerkenswerter ist die Persön­

lichkeit des ihnen folgenden

Johannes Kraft,

der 1596—1616 an St. Petri amtierte, Sohn eines Pfarrers in Emetz- heim bei Weissenburg (Mittelfranken-Ansbach), eines Mannes von protestantischer Entschiedenheit und evangelisch-lutherischem Sinn, oft und schwer angefochten, ja wegen seiner Ueberzeugung sogar gefänglich eingezogen. Der junge Kraft wurde nach beendigten theologischen Studien vom Konsistorium in Ansbach geprüft und unter die Expektanten aufgenommen, lenkte jedoch bald darauf seine Schritte nach Norden und studierte weiter in Kopenhagen, wo er die Magisterwürde erwarb. Obgleich des Kalvinismus verdächtigt, wurde er wie sein Amtsvorgänger zuerst Schlossprediger auf Kronborg, aber schon ein Jahr darauf Pastor an St. Petri. Kraft war neben seinem geistlichen Beruf ein anerkannter Pädagoge und eifriger Musiker, der in den Jahren 1606—12 nebenher die doppelte Stellung als Rektor der städtischen Gelehrtenschule (jetziges Metropolitan­

gymnasium) und Lektor der Musik an der Universität bekleidete.

Er betrieb die Musik nicht nur theoretisch sondern auch praktisch.

Um dem Mangel an einem Lehrbuch in den Anfangsgründen der Musik abzuhelfen, gab er 1607 unter dem Titel »Musicae practicae rudimenta« ein Büchlein in Katechismusform heraus, welches eine erhebliche Sammlung praktischer Singübungen enthält. Auch auf

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anderem Gebiete war er literarisch tätig. Seine Schrift »Paean dani- cus ex Symboli Christiani IV« (1619) gibt eine kurzgefasste Statistik der damaligen Reiche Dänemark und Norwegen, die noch heute nicht ganz entwertet ist. Es heisst von ihm, dass man schwerlich einen tüchtigeren Pädagogen als Kraft unter seinen Berufsgenossen hätte finden können. Als Prediger und Schulmann wäre er durch sein doppeltes Gehalt gut versorgt gewesen, er gehörte aber auch zu denen, die viel gebrauchen. Nach seiner Emeritierung wurde er zum

»Inspektor« der St. Petri Kirche ernannt, wohnte aber in seinen letzten Lebensjahren zu Roskilde in der ihm dort als Kanonikus vergönnten, arg verfallenen Residenz.

Nach J. Krafts Entlassung bestieg die Kanzel der St. Petri Kirche der Flensburger

Bernhard Meyer,

welcher in Jena die Magisterwürde erworben und vorhin das Amt eines Rektors der Gelehrtenschule zu Haderslev bekleidet hatte. Zu seiner Zeit veranlasste zum ersten Male der starke Zuwachs der Gemeinde die Anstellung eines Kaplans, nachdem man sich bisher nur mit einem Studenten beholfen hatte. Der erste Hülfsgeistliche war, wenn nicht gar Meier selbst vor seiner Ernennung zum Hauptprediger, Magister Hans Eilersen, der 1624 dies Amt mit dem eines Pastors auf Möen eintauschte. Sein Nachfolger wurde der später zu erwähnende Simon Hennings. Im Jahre 1632 verfügte der König, dass der Kaplan noch besonders von dem Bischof und den Hochgelehrten geprüft werden solle. Von Bernhard Meyer ist bekannt, dass er ein sehr streitbarer Mann war, der nicht allein mit den Hülfsgeistlichen in Unfrieden lebte, sondern sich auch mit den geistlichen Autoritäten der Stadt verfein­

dete. 1622 wird an ihn ein königlicher Befehl erlassen, dass er sich mit Wochenpredigten und Kirchendienst nach der Ordnung zu verhalten habe. Später hat er sich gegen die 1629 erlassene Verordnung aufge­

lehnt, welche von allen zum Predigen zugelassenen Studenten ein Rei­

fezeugnis von der Universität verlangte. Von seinen Vorgesetzten zur Rede gestellt, erging er sich auf der Kanzel in Scheltworten. Infolge­

dessen wurde dem Bischof von Seeland 1632 befohlen, den Pastor Meyer anlässlich seiner verschiedenen groben Versehen vor sich zu laden und ein Urteil zu fällen, auch fleissig nachzuforschen, ob eben­

falls der Kaplan, wie berichtet, in die Fußstapfen des Pastors träte, und ihn, falls dem so sei, in Gegenwart des Ministeriums zur Verantwortung zu ziehen. B. Meyer musste eine 30. Juli 1633 datierte schriftliche Abbitte tun, in der er verspricht, »dem Bischof, der Ordinanz, samt den königlichen Verordnungen wegen Attestaten

und anderem gehorsam und folgig zu sein, auf der Kanzel wie auch sonsten sich alles Scheltens zu enthalten, der Einigkeit mit den Priestern und dem Ministerio dieser Stadt zu befleissigen, auch also- fort in dem Konsistorio in Gegenwart des gesamten Ministerii sich beim Bischof und Ministerium zu entschuldigen und zu bekennen, dass er nichts anderes von ihnen als gutes, göttliches und ehrliches wisse, mit Begehren, dass seine letzte Einlage, so aus hastigem Sinn verfertiget, in guter Meinung aufgenommen werden möge.«

Pastor Meyer starb im Jahre darauf, im Amte als Hauptpastor gefolgt von Wilkinus Langhorst aus Westfalen, der bereits nach dreijährigem Wirken aus dem Leben schied. Nach ihm kam

Thomas Lindemann,

Sohn des zu seiner Zeit namhaften Rechtslehrers an der Universität Rostock Dr. Thomas Lindemann, nebenher auch Syndikus der Stadt Lübeck und fürstlich mecklenburgischer Rat, auch wegen seiner hervorragenden Rechtskenntnisse von den Hansestädten und nord­

deutschen Städten öfters in staatsrechtlichen Kontroversen als Beirat benutzt. Zwanzigjährig begleitete der Sohn ihn auf einer Gesandtschaftsreise nach Prag an den Hof des Kaisers Ferdinand II., studierte mehrere Jahre in Wittenberg, an holländischen Universi­

täten und in Oxford, eigens um sich in den orientalischen Sprachen zu vervollkommnen. In Rostock 1635 zum Dr. theol. promoviert, ward er kurz darauf zu einer eben daselbst ledig gewordenen Pro­

fessur berufen. In seiner Disputation »Von der Gewissheit der Gnade Gottes« bekämpft er die römische Kirche, welche durch ihre Leugnung der Rechtfertigung allein durch den Glauben den festen Grund des Heils in Frage stellt. Seine Inauguralrede über den theologischen Beruf handelt von der Notwendigkeit eines tiefergehenden Studiums der Originalsprachen zum Kirchenamt, von der Nützlichkeit der humanistischen Studien wie auch von der Beredsamkeit. Aber die Hoffnung auf ein Erblühen der orientalischen Studien in Deutsch­

land durch Lindemanns Lehrtätigkeit wurde durch seine bereits 1638 erfolgte »Einberufung« nach Dänemark vereitelt.

Thomas Lindemanns Wirken in der Gemeinde hat jedoch wenig Spu­

ren hinterlassen. Auch er starb früh, im Alter von 45 Jahren, und zwar an der Pest, die Kopenhagen 1654 heimsuchte. Seiner Ehe mit Cathrine Quistorph entspross eine zahlreiche Nachkommenschaft, zu welcher die späteren Klosterstifter Albrecht und Sebastian Petersen gehören.

Lindemanns Amtsbruder, der vorgenannte Kaplan Hennings, hat sich durch sein Verhalten im Ulfeldtschen Prozess bekannt gemacht.

PASTOR SIMON HENNINGS

* 1608 t 1661

PASTOR

Prof. Dr. DANIEL PFEIFF

♦ 1618 t 1662

PASTOR HIERONYMUS BUECK

* 1630 f 1673

PASTOR CHRISTIAN BRÄMER

♦ 1635 t 1701

Simon Hennings,

Sohn des Pastors der deutschen St. Martins Kirche in Bergen, kam von Norwegen auf die Universität Rostock, wo er 1631 die Magister­

würde erwarb. Er war sowohl in der Gemeinde wie bei Hofe als hervorragender Redner geschätzt, dabei aber unüberlegt in seinem Handeln, wie auch in Wort und Schrift. So liess er sich 1647 im Hause des Bischofs dahin verlauten, dass unter den Ratsherren der Stadt ein alter grauer Ehebrecher sei, den man billig ausstossen und um einen Kopf kürzer machen solle. Als Beichtvater des Reichshof­

meisters Corfitz Ulfeldt und diesem persönlich nahe stehend, wurde er zusammen mit seiner Gattin als Zeuge vernommen in dem gegen Ulfeldt anhängig gemachten Prozess wegen Versuches, den König durch Gift ums Leben zu bringen, wobei ihm seine Maitresse Dina Winhofer behülflich gewesen sein sollte. Als Beichvater auch dieser Person meinte man, dass Hennings von ihrem mit Ulfeldt angeblich erzeugten Kinde wisse. Wohl auf Veranlassung des Bischofs Broch- mand wurde Hennings sowohl wegen der genannten Schmähun­

gen, wie auch, weil er mehr als ein Jahr seine Pflichten als Beicht­

vater der Dina versäumt habe, auf kgl. Befehl vom 1. Mai 1651 suspendiert. Auf dem Schafott zitierte Dina Winhofer mit lauter Stimme den Magister Hennings vor Gottes Richterstuhl. Seines Amtes entsetzt, folgte er Ulfeldt in die Verbannung, lebte zuerst als Hausprediger in dessen Familie zu Stralsund und wurde 1654 Domprediger in Bremen.

Nach Dr. Lindemanns Tode wählte die Gemeinde und berief der König zum Hauptprediger

Daniel Pfeiff,

geboren 1618 zu Stettin als Sohn eines pommerschen Rechtsgelehrten.

Als Magister von Rostock hatte er Söhne des besten dänischen Adels auf Reisen begleitet und wird schon 1651 als »concionator a St. Petri« genannt. In seinen Aufzeichnungen zur Geschichte der Einführung der erblichen Souveränität berichtet Fried. Gabel, dass sein Vater Christopher Gabel, derzeitiger Kirchenpatron, mit den beiden anderen Grossen des Reiches, welche dem Wahlkönig zur absoluten Macht verhalfen, nämlich Bischof Svane und Hans Nansen, 1660 ihre dritte Konferenz in der deutschen Kirche, im dritten Stuhl vom Chor ab zu rechnen, hielten, allwo sie vor dem Altar dem Pastor Pfeiff sich eidlich verpflichteten, ihr Aeusserstes zu tun, um die Souveränität im Reiche zu fördern. Zur Erinnerung an die

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führung des unumschränkten Königtums liess Pastor Pfeiff in dem 1656 vom König der Kirche geschenkten Pfarrhause auf der Nörre- gade ein Denkmal errichten mit langer lateinischer Inschrift zur Verherrlichung der Majestät und jener Begebenheit. 1661 wurde ihm übertragen, die deutschgeborenen Offiziere und Soldaten der Armee zu trauen. Pfeiff, der wegen seiner Gelehrsamkeit in hohem Rufe stand, wurde 1662 zum Professor der Theologie an der Univer­

sität bestellt, starb aber schon wenige Monate darauf (18. Aug.).

Ihm folgte im Predigtamte der bisherige Diakonus Hieronymus Baeck,

ein Kaufmanssohn aus Lübeck, der an mehreren deutschen Univer­

sitäten studiert und den Grad eines Magisters erworben hatte, als er 1661 zum Hülfsprediger an der Kirche berufen wurde. Bueck ist als Seelsorger der lange Jahre eingekerkerten Leonora Christina Ulfeldt weniger vorteilhaft bekannt. In ihren Denkwürdigkeiten beschreibt sie ihn als einen harten, unwirschen Mann, der ihr strenge zuredete und sein Amt widerwillig und nachlässig versorgte, weshalb sie sich nach dem Hinscheiden König Friedrichs III. einen anderen Beichtvater erbat und auch erhielt. In dem 1673 erfolgten qualvollen Tode Buecks sah sie die gerechte Strafe Gottes. Bueck scheint bei der Königin-Witwe Sophie Amalie in Gunst gestanden zu haben, da sie seiner Totenfeier in der Kirche beiwohnte. Sein Nachfolger wurde der bisherige Hofprediger der Königin

Gerlach Siassius,

gebürtig aus Oldenburg, Student von Rostock, darauf Feldprediger des Feldherrn Carl Gustaf Wrangel. Siasser, wie er auch genannt wird, wirkte nur zwei Jahre in der Gemeinde, als ihn der Tod ereilte,

»von Tausenden in und ausserhalb der Gemeinde beweint«, die ihm zum Ehrengedächtnis ein Epitaphium in der Kirche setzen liessen, worauf sein Portrait in Lebensgrösse zu sehen war. Auf Siassius folgte als erster Prediger

Christian Brämer,

wie Bueck in Lübeck zu Hause, Student von Rostock, auch Magister, seit 1661 Diakonus, 1663 Kompastor, mit einer Tochter des Dr. Lin­

demann und Witwe des Diakonus Joh. Tarnow verheiratet. Von seinen Grabreden sind mehrere im Druck erschienen: über Stud.

Fred. Jessen (1669), Frau Augusta Rumohr (1670), Hier. Buck

* 1631 t 1675

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(1674), Augusta Elisabeth von der Osten (1675), Anna Cassuben (1676), Simon Paulli (1668) und seinen berühmten Amtsbruder J. Las­

senius (1692).

Johannes Lassenius

ist unter allen Geistlichen, welche die Kanzel der St. Petri Kirche im Laufe der Jahrhunderte inne gehabt haben, die eigenartigste und grosszügigste Erscheinung. Durch seine zahlreichen, in vielen Auflagen bis auf die Gegenwart immer neu verlegten und in fremde Sprachen übersetzten Erbauungsschriften war er zu seiner Zeit weit über die Grenzen des protestantischen Deutschlands allgemein bekannt und verehrt.

Lassenius stammte angeblich aus dem verarmten polnischen Adelsgeschlecht Lasinsky; der Name selber dürfte sicher von dem Orte Lassehne bei Köslin abzuleiten sein. Lassenius ward 1636 in Waldau in Pommern, Regierungsbezirk Köslin, in der Nähe von Rum­

melsburg, geboren, wo sein Vater Jeschius Lassenius das kleine, erst im Jahre vorher errichtete Pfarramt bekleidete. Seine Grossmutter väterlicherseits war die Tochter des namhaften kursächsischen Hof­

predigers Gallus Sommer. Im väterlichen Hause privatim unter­

richtet, besuchte er die Stadtschule in Stolp und die Gymnasien zu Danzig und Stettin, kam 1655 auf die Universität Rostock, wo er drei Jahr lang eifrig Theologie studierte und, wie es in einem Nachruf heisst, »wie eine schöne Ros am Stock blühete«. Von den dortigen Professoren übte der grosse Kirchenlehrer Heinrich Müller einen nachhaltigen Einfluss auf seine theologische Richtung aus. Zu jener Zeit starb der Vater, damals Prediger in Bulgrin, auf seinem Gute Barkotzen bei Rummelsburg, ohne dem Sohn die zur Fortsetzung seiner Studien erforderlichen Mittel zu hinterlassen. Dies wurde ihm jedoch durch ein Stipendium des Magistrats zu Danzig ermöglicht.

1657 begleitete er den Sohn eines Patriziers dieser Stadt auf die Universitäten Leyden, Utrecht, Groningen, dann nach Paris, wo er die berühmte Bibliothek des Kardinals Mazarin benutzte und sich bei Hofe durch ein sinnreiches Anagramm auf den Namen des Königs bemerkt machte. Eine Zeitlang weilte er mit seinem Zögling an der Universität Orléans und bekleidete hier das Ehrenamt des Procu- rator nationis germanicae, was so viel heisst als Anwalt der dortigen deutschen und nordischen Studierenden. In der letzten Zeit des Cromwellschen Protektorats noch in London, wo er sich Miltons Gönnerschaft erfreute, kehrte er über Schottland und Irland nach Danzig zurück und übernahm hier wieder die Führung fürstlicher und

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adliger Studenten nach Holland, Frankreich, Italien, Spanien und Por­

tugal. Eine Zeit lang war der vielgereiste Mann Kustos an der kurfürst­

lichen Bibliothek in Berlin, setzte dann mittels eines durch den Geheim­

rat Meinders erwirkten Stipendiums seine theologischen Studien in Leipzig, Wittenberg und Prag fort, genoss ferner den Unterricht der berühmten Schweizer Theologen Huldrich und Hottinger in Zürich und Basel, promovierte als Magister in Strassburg und ging von dort über Tübingen nach Nürnberg, indem er durch Gastpredigten, Unter­

richt und Bücherschreiben oft nur kümmerlich sein Leben fristete.

Seine 1661 zu Nürnberg erschienenen »Bürgerliche Tischreden in Gesprächen« ist der Kaufmannschaft und Bürgerschaft daselbst zugeeignet, »die ihm mehr Guttat erwiesen, als er Zeitlebens nur mit wörtlicher Dankbarkeit erwidern könne,« gleichwie das Gegenstück zu dieser Schrift »Adeliche Tischreden« (1662) den »Patriciis und Geschlechtern« jener Stadt gewidmet ist. In Nürnberg veröffent­

lichte er eine Streitschrift »Classicum Belli Turcici«, im Allgemeinen gegen die Irrungen der römischen Kirche und insbesondere gegen die derzeit namhaften Regensburger Jesuiten, Dr. Joh. Caspar Jäger und Bernhard Neuhäuser, gerichtet. Nicht weit von Nürnberg wurde er auf ihr Anstiften gefänglich eingezogen. Mit Versprechungen und Drohungen versuchte man ihn zur römischen Konfession zu bekehren und liess ihn bei Donauwörth auf kaiserlichen Befehl durch bayrische Soldaten als Gefangenen nach Pressburg vor den Kaiser Leopold I.

führen, aber ohne dass er sich beirren liess. Unter strenger Bewachung ward er von Kloster zu Kloster geschleppt und musste sogar neun Tage und Nächte in einer Grube schmachten. Da Alles nichts fruchtete, führte man Lassenius zuletzt in Ungarn nach der türkischen Grenze, um ihn der Willkür der Ungläubigen zu übergeben. Es gelang ihm zu guter letzt, seinen Widersachern zu entwischen und nach mancher­

lei Drangsalen »wie ein umherirrender Ulysses« wieder protestanti­

schen Boden zu betreten.

In dieser Zeit seiner schwersten Not, 1663—64, wenn überhaupt, soll Lassenius angeblich sein Unterkommen als Schauspieler einer Wandertruppe gesucht haben. Diese bis in die neueste Zeit öfters umstrittene Angabe taucht zuerst auf in der 1766 von J. F. Löwen edierten »Geschichte des deutschen Theaters«, wo es heisst, dass der nachmalige grosse Gottesgelehrte Johannes Lassenius bei der Treu- schen Gesellschaft einer der vorzüglichsten Acteure gewesen sei, wiederholt von demselben Verfasser in einer später (1782) erschiene­

nen Schrift »Gallerie von teutschen Schauspielern« mit nachträg­

licher Vormerkung der Zeit »um 1660«. Ohne den letzterwähnten

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Zusatz zu berücksichtigen, haben spätere theatergeschichtliche Ver­

fasser wie Plümicke, Devrient und Brachvogel die Mitteilung Löwens wiederholt, ja ersterer hält es sogar für unwiderleglich, dass Las­

senius Schauspieler gewesen sei. Ein im Jahre 1833 in den Schleswig- Holsteinischen Provinzialberichten veröffentlichter Lebensabriss Las­

senius’ von der Hand eines Nachkommen, Pastor Knickbein, welcher Löwens Mitteilung beistimmt, gab zu scharfen Gegenbemerkungen zweier anderer Literaten des Landes Anlass, begründet teils in mora­

lischer Entrüstung über die mit dem sonstigen Lebenswandel des berühmten Theologen und Busspredigers unvereinbare Erniedrigung, teils in dem Umstande, dass schon das Geburtsjahr Lassenius’s jene Verbindung mit dem viel älteren Wanderprinzipal Treu, der in den Jahren 1622—25 in Berlin spielte, ausschliessen musste. Dieser letzte Einwand führte auch später Genee zu der Annahme, dass eine Verwechslung mit dem Vater unseres Lassenius vorliegen könne.

Neuerdings hat Joh. Paludan die Löwen’sche Nachricht aus inneren Gründen abgewiesen. Die zeitlichen Einwände sind, wie auch schon Paludan bekannt war, hinfällig, weil es eine neuere Treu’sche Truppe gegeben hat, deren Leiter Michael Daniel Treu 1663 in Kopenhagen, 1664 in Hamburg, und, was für die Sache spricht, nachweislich 1668—69 und wohl auch früher eben in Nürnberg gastierte. Dass,

Neuerdings hat Joh. Paludan die Löwen’sche Nachricht aus inneren Gründen abgewiesen. Die zeitlichen Einwände sind, wie auch schon Paludan bekannt war, hinfällig, weil es eine neuere Treu’sche Truppe gegeben hat, deren Leiter Michael Daniel Treu 1663 in Kopenhagen, 1664 in Hamburg, und, was für die Sache spricht, nachweislich 1668—69 und wohl auch früher eben in Nürnberg gastierte. Dass,

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